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Zulassungsantrag noch 2022 geplant: Erster RSV-Impfstoff für Ältere kommt schon bald

Derzeit können sich nur Säuglinge und Kleinkinder mit Palivizumab vor schweren RSV-Erkrankungen schützen. Das soll sich ändern und der erste Impfstoff für Ältere schon bald kommen. | Bild: Bits and Splits / AdobeStock

Ein Impfschutz gegen den Erreger RSV (Respiratorisches Synzytialvirus) ist derzeit nur passiv möglich – mit Palivizumab, einem Antikörper, der auf bestimmte Oberflächenstrukturen (F-Protein, siehe Infobox) passt, das RS-Virus neutralisiert und dadurch unschädlich macht. Die Krux bei passiven Impfstoffen – verglichen mit aktiven Impfstoffen – ist: Sie stimulieren unser Immunsystem nicht, eigene Antikörper zu bilden, was bedeutet: Mit dem Abbau der verabreichten Antikörper im Körper verschwindet auch der Schutz – eine langfristige Immunisierung fehlt. Der zweite Punkt bei Palivizumab ist, dass der Antikörper lediglich für Säuglinge und kleine Kinder bis zwei Jahre zugelassen ist. Doch auch Erwachsene können schwer an RSV erkranken, insbesondere wenn sie immungeschwächt oder vorerkrankt sind. Ältere Menschen ab 65 Jahren zählen der Weltgesundheitsorganisation zufolge ebenfalls zur Risikogruppe, RSV werde „zunehmend als wichtiger Krankheitserreger bei älteren Erwachsenen erkannt, wobei die Infektion zu einem Anstieg der Krankenhausaufenthaltsraten bei Menschen über 65 Jahren und zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate bei gebrechlichen älteren Menschen führt, die derjenigen der Influenza nahe kommt“, erklärt die WHO.

Wer bekommt Palivizumab?

Palivizumab (Synagis®) ist zugelassen zur Vorbeugung von schweren Erkrankungen, die durch das RS-Virus (Respiratory-Syncytial-Virus, Respiratorisches Synzytialvirus, RSV) verursacht werden. Die Verabreichung erfolgt intramuskulär. Die Zulassung berücksichtigt lediglich Kinder:

  • Säuglinge, die in der 35. Schwangerschaftswoche oder davor geboren und bei Beginn der RSV-Saison jünger als sechs Monate sind,
  • Kinder unter zwei Jahren, die innerhalb der letzten sechs Monate wegen bronchopulmonaler Dysplasie behandelt wurden,
  • Kinder unter zwei Jahren mit bestimmten angeborenen Herzfehlern.

Die Palivizumab-Applikation sollte noch vor Beginn der RSV-Saison begonnen werden, die Verabreichung erfolgt über die Monate mit erhöhtem RSV-Aufkommen sodann monatlich, wobei laut Fachinformation die meisten Daten zu fünf Dosen pro Saison aus den Zulassungsstudien vorliegen. Dies deckt sich mit den Regeln zur Erstattung der Krankenkassen, denn die Kostenträger kommen für lediglich fünf Dosen Palivizumab pro RSV-Saison auf. RS-Viren zirkulieren dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge vor allem in den Wintermonaten und dann von November bis April mit den höchsten Erkrankungsraten im Januar und Februar. Allerdings beobachtet man in den letzten Jahren eine Verschiebung der Erkrankungsraten zu früheren Zeitpunkten, sodass ein erhöhtes RSV-Aufkommen bereits im September und Oktober spürbar ist.

Die Lösung wäre folglich ein aktiver Impfstoff, mit dem auch Erwachsene sich schützen können – unter anderem GSK (GlaxoSmithKline) forscht an einer solchen Vakzine und informiert nun über positive Studienergebnisse der Phase 3. Noch in diesem Jahr will das Pharmaunternehmen die Zulassung für seinen RSV-Impfstoffkandidaten beantragen – es wäre der erste aktive Impfstoff gegen RSV für Erwachsene.

Wirksam gegen RSV-A und RSV-B

Es geht um RSVPreF3, den GSK an ab 60-Jährigen prüft (AReSVi 006). In der zulassungsrelevanten Studie (randomisiert, placebokontrolliert, beobachterverblindet) übertraf nach Angaben von GSK der Impfstoffkandidat sogar den primären Studienendpunkt und bewies klinische Wirksamkeit gegen RSV-A- und RSV-B-Stämme – auch noch bei ab 70-Jährigen. Daneben untersucht GSK seinen Impfstoff hinsichtlich Sicherheit, Reaktogenität und Immunität in einer zweiten Phase-3-Studie (AReSVi 004, randomisiert, offen). In vorausgegangenen Studien (Phase 1/2) bei jüngeren und älteren Erwachsenen hatte RSVPreF3 zu einer robusten Antikörperantwort geführt (zwölffacher Anstieg der Antikörper gegen RSVPreF3). Im RSV-Studienprogramm von GSK befindet sich zudem ein maternaler Impfstoffkandidat (Impfung von Schwangeren, Phase 3 läuft seit November 2020) sowie ein pädiatrischer (Impfung von Säuglingen).

Adjuvantierter rekombinanter Impfstoff

Bei seinem Impfstoffkandidaten gegen RSV bei älteren Erwachsenen setzt GSK auf das F-Protein des Respiratorischen Synzytialvirus als Antigen (Präfusions-RSV-Antigen, RSVPreF3), das rekombinant im Labor hergestellt wird. Beim Adjuvans greift GSK auf einen bereits in anderen Impfstoffen eingesetzten Impfverstärker zurück: AS01, der sich auch im GSK-Gürtelrose-Impfstoff Shingrix® findet (zudem verstärkt GSK auch seinen Malaria-Impfstoff mit AS01).

RSV – Respiratorisches Synzytialvirus

Das RS-Virus ist einer der wichtigsten Erreger von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen und Frühgeborenen. Die WHO schätzt, dass RSV für jährlich mehr als 30 Millionen Infektionen der unteren Atemwege bei Kleinkindern verantwortlich zeichnet, wovon drei Millionen Kinder schwer erkranken (Krankenhausbehandlung). RSV sei die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte bei Kindern unter fünf Jahren. Die Ansteckung erfolgt über Tröpfcheninfektion, die Inkubationszeit beträgt zwei bis acht Tage. Nach Infektion vermehren sich die Viren sodann in den Schleimhäuten der Atemwege. Eine wichtige Rolle für das Krankheitsgeschehen von RSV spielt dabei das Fusionsprotein (F-Protein), das in die Lipidhülle des Virus eingelagert ist. Das F-Protein schädigt die Zellen der Atemwege – Synzytienbildung –, indem es die zilientragenden Epithelzellen miteinander verschmilzt. Die Folge: Immunzellen werden angelockt, Zelltrümmer und Schleim entstehen, die die Atemwege verlegen. Die Schädigung der Atemwegszellen ist jedoch reversibel, sodass sich die Epithelzellen innerhalb von vier bis acht Wochen wieder erholen. Das F-Protein hat auch die Aufmerksamkeit der Impfstoffhersteller erregt, sodass diese auf das Fusionsprotein als Antigen setzen (Präfusionsform, die Struktur also, die das Protein einnimmt, um sich an die menschlichen Zellen zu heften, um mit diesen zu verschmelzen (fusionieren)). Auf eine Impfung gebildete Antikörper gegen das F-Protein sollen verhindern, dass das Virus in menschliche Zellen eindringen kann. Es existieren zwei Subtypen von RSV: RSV A und RSV B. Beide Virustypen zirkulieren parallel, wobei RSV A meist häufiger vorkommt.

Wer forscht noch an RSV-Impfstoffen?

GSK ist nicht der einzige Impfstoffhersteller, der Bedarf bei aktiven RSV-Impfstoffen sieht. Auch Pfizer forscht an einer Vakzine und startete im September 2021 nach erfolgreichen Phase-2-Studienergebnissen die zulassungsrelevante Studie der Phase 3. Daneben ist Janssen aktiv: Das Unternehmen forscht an einer Vektorvakzine gegen RSV und nutzt dafür die beim Janssen-COVID-19-Impfstoff eingesetzte Adenovektor-Plattform, in die das Gen für das Fusionsprotein von RSV eingebaut wird. Der Vektor schleust die genetische Information für das F-Protein bei der Impfung in die menschliche Zelle, woraufhin der Körper das Antigen zunächst herstellt und daraufhin passende Antikörper. In einer Phase-2b-Studie konnte der Janssen-RSV-Impfstoff ab 65-Jährige bis zu 80 Prozent vor einer symptomatischen RSV-Erkrankung schützen. Auch Moderna hat bereits die ersten Studienteilnehmer (Phase 2/3) mit seinem mRNA-Impfstoffkandidaten (mRNA-1345) geimpft, Curevacs Forschung zu einem mRNA-RSV-Impfstoff hingegen befindet sich noch im präklinischen Stadium.