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Rhinitis medicamentosa: Was hilft gegen die Nasenspray-Abhängigkeit?

Frau hält abschwellendes Nasenspray in der Hand
Was kann man tun, wenn man abhängig ist von einem abschwellenden Nasenspray? | Bild: IMAGO / epd

Abschwellende Nasensprays sollen nicht länger als eine Woche am Stück angewendet werden. Während so mancher Apothekenkunde bei diesem Hinweis denkt, „Mann, Alter, du bist ja schlimmer als meine Mutter“, gibt es auch diejenigen, die wirklich wissen, wie es ist, abhängig von einem abschwellenden Nasenspray zu sein: „Manchmal wünschte ich, das Spray wäre verschreibungspflichtig. Ich habe es total unterschätzt“, schrieb eine Autorin auf „zeit.de“.  

Auch der Rest ihrer Schilderungen dürfte so manchen Apothekenmitarbeitern bekannt vorkommen. Denn wenn es geht, sucht die „Zeit“-Autorin immer eine andere Apotheke auf, um zweimal Nasenspray von Aliud für Erwachsene zu bestellen – deren Fläschchen kann man nämlich aufschrauben und so die letzten Tropfen zusammenkippen, um nichts zu vergeuden, erklärt sie.

Ärztlichen Rat bei Nasenspray-Abhängigkeit einholen

Tatsächlich hat sie auch bereits ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, um von der Abhängigkeit wieder loszukommen. Zwei verschiedene Ärzte hätten ihr ein Corticoid-Nasenspray verordnet, „das nicht half“. 

Mittlerweile sprühe sie „bestimmt zehnmal pro Tag zwei Stöße in jedes Nasenloch“, weil ein Sprühstoß von dem abschwellenden Nasenspray nicht mehr hilft. Immer wieder sage sie sich: „Nächste Woche probiere ich die Ein-Loch-Methode, ein Tipp aus einem Forum.“  

Welche Empfehlungen kann man Betroffenen in der Apotheke geben und wie vielversprechend sind sie?

Ein-Loch-Methode zur Entwöhnung von Nasensprays

Zunächst ist wichtig festzuhalten, dass es sich tatsächlich um eine physische und keine rein psychische Abhängigkeit handelt. In der Fachinformation von Nasenspray AL  (Stand Juli 2023) steht unter den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung: „Insbesondere bei längerer Anwendung und Überdosierung von abschwellenden Rhinologika kann deren Wirkung nachlassen. Als Folge des Missbrauchs schleimhautabschwellender Rhinologika können auftreten:

Und tatsächlich gibt es auch dort einen Hinweis, was man dagegen tun kann:

„Um wenigstens einen Teil der Nasenatmung aufrecht zu halten, sollte das Sympathomimetikum erst an einem Nasenloch und nach Abklingen der Beschwerden auf der anderen Seite abgesetzt werden.“

Fachinformation von Nasenspray AL (Stand Juli 2023) 

Apothekenmitarbeiter können Kunden wie die „Zeit“-Autorin also nur ermutigen, die Ein-Loch-Methode aus dem Forum wirklich einmal auszuprobieren. 

Bei Nasensprays auf Konservierungsmittel verzichten

Zudem wird in der Fachinformation darauf hingewiesen, dass zusätzlich der Wechsel zu einem konservierungsmittelfreien Nasenspray sinnvoll erscheint, denn:

„Benzalkoniumchlorid kann eine Reizung oder Schwellung der Nasenschleimhaut hervorrufen, insbesondere bei längerer Anwendung.“ 

Bei anhaltend verstopfter Nase soll deshalb auf ein Arzneimittel ohne Konservierungsmittel gewechselt werden.

Was führt zur chronisch verstopften Nase?

Auf „Medscape“ wird in einem Artikel zur Rhinitis medicamentosa aus dem Jahr 2018 darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die Ursachen einer anhaltend verstopften Nase aufgeklärt werden müssen – beispielsweise kann eine Allergie oder eine chronische Rhinosinusitis vorliegen. 

Während manche schon nach drei Tagen eine Rhinitis medicamentosa entwickeln könnten, sollen andere erst nach vier Wochen entsprechende Symptome bemerken – die Ursache einer anhaltend verstopften Nase ist also nicht immer sofort erkennbar.  

Zudem sei daran zu denken, dass auch andere Arzneimittel eine Rhinitis auslösen können. Genannt werden auf „Medscape“ ACE-Inhibitoren, Betablocker, Alpha-Adrenorezeptor-Antagonisten bei benigner Prostatahyperplasie und selektive Phosphodiesterase-5-Hemmer bei erektiler Dysfunktion. 

Selbst NSAR wie Ibuprofen und Acetylsalicylsäure könnten bei empfindlichen Personen Symptome an der Nase hervorrufen. In der Fachinformation von Ibu-ratiopharm heißt es beispielsweise, dass das Präparat bei bekannten Reaktionen von Bronchospasmus, Asthma, Rhinitis, Urtikaria oder Angioödem nach der Einnahme von Acetylsalicylsäure oder anderen nichtsteroidalen Entzündungshemmern in der Vergangenheit nicht angewendet werden darf (Stichwort Analgetika-Asthma).  

Für die tatsächliche Rhinitis medicamentosa sind laut „Medscape“ jedoch ausschließlich topische vasokonstriktive (gefäßverengende) Arzneimittel verantwortlich. Wie schafft man es also, diese schnellstmöglich abzusetzen?

Was hilft bei der Entwöhnung von abschwellenden Nasensprays?

Die erste Woche soll für die Entwöhnung die schwierigste sein. Unterstützend können dabei nasale Glucocorticoide zum Einsatz kommen, das hätten mehrere Studien gezeigt. Am wirksamsten soll sogar die kurzfristige orale Einnahme von Glucocorticoiden sein, das sei jedoch nicht immer notwendig.  

Gut zu wissen: Glucocorticoide als Prävention?

Offenbar können nasale Glucocorticoide sogar präventiv angewendet werden: Studien haben gezeigt, dass keine Rhinitis medicamentosa auftrat, wenn Allergiker parallel zu abschwellenden Nasensprays Glucocorticoid-Sprays angewendet haben – zumindest bei einmal täglicher Anwendung über vier Wochen. 

Ebenso können Nasenspülungen mit Kochsalzlösung hilfreich sein, heißt es. Und auch die Ein-Loch-Methode wird auf „Medscape“ empfohlen. Da während der Entwöhnung Kopfschmerzen auftreten können, wird bei Bedarf die Anwendung von Schmerzmitteln empfohlen. 

Sogar orale Arzneimittel zur Abschwellung der Nasenschleimhaut (Dekongestiva) werden als Option zur Entwöhnung genannt. Allerdings hieß es in der DAZ 9/2019 unabhängig vom Thema Nasenspray-Abhängigkeit, dass es „sowohl für die Auswahl eines systemischen Dekongestivums als auch für die Entscheidung zwischen lokalen und oralen Darreichungsformen keine eindeutigen Empfehlungen“ gibt. „Es fehlen vergleichende Studien, vor allem zwischen Nasensprays und oralen Darreichungsformen, und einheitliche Kriterien zur Bewertung der Wirksamkeit von abschwellenden Wirkstoffen.“

Eine Umfrage aus Kanada von Ende 2019 ergab, dass dort die meisten Ärzte die Rhinitis medicamentosa mit nasalen Glucocorticoiden behandeln, obwohl es in der Literatur kein standardisiertes Vorgehen für die Behandlung gibt. 

Und eine systematische Übersichtsarbeit von Oktober 2018 aus den USA kam zu dem Schluss, dass es keine ausreichende Evidenz gibt, um für Rhinitis medicamentosa ein standardisiertes Behandlungsprotokoll zu entwickeln. 

Ein wissenschaftlicher Artikel von September 2022 gibt zu bedenken, dass es ungefähr ein Jahr dauert, bis man von einer Rhinitis medicamentosa vollständig genesen ist.

Kinder-Nasenspray kein Ersatz für Erwachsene

Vermissen Sie noch eine häufige Empfehlung? Etwa die Verwendung von Kinder-Nasenspray zum „Ausschleichen“ oder um gar nicht erst von Nasenspray abhängig zu werden? 

Bereits 2010 erklärte ein HNO-Spezialist der Uniklinik Köln in der Süddeutschen Zeitung, dass auch die Konzentration eines Säuglingsnasensprays ausreicht, um bei Erwachsenen eine Gewöhnung herbeizuführen. Man sollte sich also nicht in falscher Sicherheit wähnen und auch die Anwendungsdauer von Kinder-Nasenspray bei Erwachsenen beschränken.

Nach Entwöhnung besser kein Xylometazolin und Co. mehr

Wer es schließlich geschafft hat, vom abschwellenden Nasenspray loszukommen, der sollte auch künftig auf Xylometazolin und Co. verzichten. Denn auch nach einem Jahr Pause könnte die Rhinitis medicamentosa wieder neu aufflammen – selbst wenn das Nasenspray nur über einige Tage angewendet wird. 

Am besten ist es also, gar nicht erst abhängig zu werden oder das Nasenspray so schnell wie möglich wieder abzusetzen, sollten Symptome einer Rhinitis medicamentosa auftreten. Zu Beginn ist das mit der Ein-Loch-Methode vielleicht noch einigermaßen gut zu schaffen.