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Arzneimitteltherapie in Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme: Vor, zum oder nach dem Essen?

Wann ist der optimale Einnahmezeitpunkt? | Bild: zinkevych / Adobe Stock

Einnahmehinweise wie „nüchtern“, „vor dem Essen“ oder „unabhängig von den Mahlzeiten“ werden in der Apotheke regelmäßig an Kunden weitergegeben. Doch warum beeinflusst die Nahrungsaufnahme die Wirkung von Arzneistoffen und was passiert, wenn die Einnahmehinweise missachtet werden?

Veränderte Freisetzung durch erhöhten pH-Wert

Im Magen herrscht – bedingt durch die Magensäure – ein stark saurer pH-Wert. Durch Nahrungsaufnahme kann der pH-Wert kurzfristig auf schwach saure oder sogar basische Werte ansteigen. Je nach Art des Wirkstoffs und der Arzneiform kann durch die pH-Wert-Veränderung das Löseverhalten beeinflusst werden.

Nehmen wir als Beispiel eine magensaftresistente Tablette: Diese soll dem stark sauren Magen-pH-Wert trotzen und sich erst im Dünndarm auflösen. Steigt der pH-Wert infolge von Nahrungsaufnahme an, kann sich die Tablette bereits im Magen auflösen. Wenn dann mit der Magenleerung der komplette Wirkstoff auf einmal in den Dünndarm abgegeben wird, führt das zu erhöhten Plasmaspiegeln. Man spricht in diesem Fall von „dose dumping“. Im Gegensatz dazu kann der verfrühte Lösevorgang aber auch zu Wirkverlust führen, nämlich dann, wenn der magensaftresistente Überzug dazu diente, den Wirkstoff vor der Magensäure zu schützen. Dies ist z. B. bei den Protonenpumpenhemmern der Fall. Pantoprazol und Omeprazol sind magensäurelabil, ohne den Schutzüberzug werden sie durch die Magensäure inaktiviert.

Veränderte Resorptionsgeschwindigkeit

Wird eine orale Arzneiform auf leeren Magen eingenommen, gelangt sie – durch regelmäßig erfolgende Magenkontraktionen – relativ schnell in den Dünndarm. Nach der Nahrungsaufnahme pausieren die Kontraktionen eine Zeitlang. Die Tablette oder Kapsel verweilt so lange im Magen, bis der Speisebrei in den Darm abgegeben wird.
Allgemein kann man sagen, dass mit der verlängerten Verweildauer im Magen eine verlangsamte Resorption und damit ein verspäteter Wirkeintritt einhergehen. Dies ist nicht in allen Fällen problematisch, doch ist z. B. bei einer Schmerztablette gegen akute Kopfschmerzen ein schneller Wirkeintritt erwünscht.

Abgesehen von einem verzögerten Wirkeintritt kann sich die verzögerte Resorption auch auf die Höhe der Plasmaspiegel auswirken. Werden erforderliche Mindest-Plasma-Konzentrationen nicht erreicht, ist z. B. der Therapie-Erfolg verschiedener Antibiotika gefährdet.

Einfluss bestimmter Nahrungsbestandteile

Neben dem Füllstand des Magens im Allgemeinen können auch bestimmte Nahrungsbestandteile die Resorption verschiedener Arzneistoffe beeinflussen. So können z. B. mehrwertige Kationen (v. a. Calcium in Milchprodukten), Gerbstoffe in schwarzem Tee oder Kaffee sowie auch Ballaststoffe durch Komplexbildung die Aufnahme und Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe beeinträchtigen.

Bei einigen Wirkstoffen kann die Resorption durch bestimmte Nahrungsbestandteile aber auch verbessert werden: So wird z. B. Vitamin D in Anwesenheit von fetthaltiger Nahrung besser resorbiert und Eisenpräparate in Kombination mit Orangensaft. Neben der Komplexbildung mit dem Wirkstoff können Nahrungsbestandteile auch die Aktivität verschiedener Transportproteine in der Dünndarmschleimhaut beeinflussen. In Folge sinkt (seltener steigt) die Resorptionsquote des Arzneistoffs.

Was genau ist mit den jeweiligen Einnahme-Empfehlungen gemeint?

Oft herrscht Unklarheit darüber, wie die im Beipackzettel angegeben Einnahmeempfehlungen umzusetzen sind. Die folgenden Erklärungen orientieren sich an den von der ABDA publizierten Definitionen.

  • Unabhängig von den Mahlzeiten

Damit ist gemeint, dass weder Resorption noch Wirksamkeit des Arzneistoffs durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst werden. Bei der Einnahme des Medikaments muss keinerlei Abstand zu den Mahlzeiten beachtet werden.

Bsp.: Ramipril, Torasemid

  • Nüchtern

Nüchtern im strengen Sinne bedeutet, dass der Magen komplett geleert ist. Dies wird in der Regel nur früh vor dem Frühstück erreicht. Etwas „lockerer“ gefasst ist darunter zu verstehen, das Medikament 30 bis besser 60 Minuten vor den Mahlzeiten oder frühestens zwei, besser drei Stunden nach der Mahlzeit einzunehmen.

Bsp.: Bisphosphonate (nüchtern vor dem Frühstück), Omeprazol (nüchtern vor den Mahlzeiten)

  • Vor einer Mahlzeit

Mit dieser Angabe ist meist eine Einnahme 30–60 Minuten vor einer Mahlzeit gemeint. In Einzelfällen kann aber auch eine kürzere Zeitspanne angegeben sein. Genaue Angaben müssen hier dem entsprechenden Beipackzettel entnommen werden.

Bsp.: Glibenclamid, Atenolol

  • Mit der Mahlzeit

Das Medikament soll während der Nahrungsaufnahme oder unmittelbar danach eingenommen werden. Häufig soll so eine bessere Verträglichkeit erreicht werden. Denkbar ist aber auch eine verbesserte Resorption des Arzneistoffs durch die gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder eine Unterstützung des Verdauungsprozesses durch das Medikament.

Bsp.: Simethicon, Vitamin D

  • Nach einer Mahlzeit

Das Arzneimittel soll – meist zur besseren Verträglichkeit – direkt nach dem Essen eingenommen werden. Vorsicht aber vor Ausnahmefällen: Eventuell finden sich im Beipackzettel auch genauere Angaben, wie z. B. „Einnahme zwei bis drei Stunden nach dem Essen“.

Bsp.: Ibuprofen, Selegilin

Fazit

Um eine optimale Wirkung zu erreichen, müssen Kunden darüber aufgeklärt werden, zu welchem Zeitpunkt ein Medikament eingenommen werden soll. Dabei sollten auch die jeweiligen Hintergründe verständlich gemacht werden, um zu verdeutlichen, dass der Therapieerfolg zu einem Teil auch in der eigenen Verantwortung liegt.

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