Vorsicht, Missbrauch!
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Das „Geschäft mit dem Geschäft“

Warum greifen Kunden missbräuchlich zu Abführmitteln? | Bild: yuriygolub / Adobe Stock

„Ich hätte gerne eine Hunderterpackung Dulcolax®. Und geben Sie mir bitte einen Kassenzettel, es ist für die Nachbarin“. Mit ähnlichen Kundenwünschen ist wohl jeder in der öffentlichen Apotheke schon einmal konfrontiert worden. Meist werden Wirkstoffe aus der Gruppe der Darmstimulanzien (z. B. Bisadodyl und Na-Picosulfat) verlangt. Die oft gebrauchte Ausrede, nur als Bote unterwegs zu sein, gibt einen Hinweis darauf, dass dem Kunden die missbräuchliche Anwendung bewusst ist – somit ist Fingerspitzengefühl im Beratungsgespräch gefragt. Lässt sich der Kunde trotz ausführlicher Beratung nicht von seinem Kaufwunsch abbringen und liegt der Verdacht auf Missbrauch nahe, so haben PTA und Apotheker die Möglichkeit, die Abgabe zu verweigern. Doch warum werden Abführmittel so häufig missbräuchlich verwendet? 

Grund 1: Gewichtsreduktion

Der Gedankengang ist nachvollziehbar: Wird die Darmpassage beschleunigt, hat der Körper weniger Zeit, Nährstoffe aufzunehmen. Um besonders schnell ein paar Kilo loszuwerden, greifen abnehmwillige Frauen deshalb zu Abführmitteln. Oft sind es auch Personen mit einer Essstörung (z. B. Anorexie), die Laxanzien missbräuchlich einsetzen.

Die Gewichtsabnahme mit Hilfe der Abführmittel funktioniert, aber es ist kein gesundes Abnehmen: Es werden nicht nur weniger Nährstoffe, sondern auch weniger Vitamine und Elektrolyte resorbiert. Unter den Elektrolyten ist vor allem das Kalium ein kritischer Faktor. Kaliummangel kann Herzrhythmusstörungen und Muskelschwäche verursachen. Außerdem führt ein Mangel an Kalium zu Darmträgheit – somit entsteht ein Teufelskreis, die Dosis des Abführmittels muss immer weiter gesteigert werden, um eine zufriedenstellende Wirkung zu erzielen.

Grund 2: Falsche Vorstellung von Stuhlhäufigkeit

Besonders ältere Menschen haben häufig die Befürchtung, dass der Körper sich „von innen heraus“ vergiftet, wenn nicht täglich Stuhlgang erfolgt. Diese Annahme ist jedoch veraltet, eine Vergiftung aufgrund Darmträgheit ist nicht möglich. Die Darmtätigkeit ist individuell sehr unterschiedlich. Als normal wird eine Stuhlhäufigkeit von dreimal pro Tag bis dreimal pro Woche angesehen. Verschiedene Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Stress oder auch Klimawechsel können die Verdauung beeinflussen und den gewohnten Abstand zwischen den Toilettengängen verlängern. Solange aber keine Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Unwohlsein auftreten, ist ein Tag „ohne Stuhl“ kein Grund zu Abführmitteln zu greifen.

Grund 3: Ernährungsfehler und Bewegungsmangel

Ballaststoffarme Ernährung, eine zu geringe Trinkmenge und wenig Bewegung – nicht nur bei älteren Menschen führen die genannten Faktoren dazu, dass der Darm träge wird und die Verdauung nicht wie gewünscht funktioniert. Bevor dauerhaft zum Abführmittel gegriffen wird, sollte lieber im Beratungsgespräch geklärt werden, welche Gewohnheiten verändert werden könnten, um die Darmtätigkeit positiv zu beeinflussen.

Was tun bei bereits bestehender Gewöhnung?

Der Wunsch nach Abführmitteln und Verdauung allgemein sind beratungsintensive Themen. Der Kunde sollte im Gespräch dafür sensibilisiert werden, dass ein dauerhafter Gebrauch von Laxanzien eine Verschlechterung seiner Gesundheit bedeutet. Alternativ können ihm Verhaltensänderungen aufgezeigt werden, die die Anwendung von Bisacocyl und Co. unnötig machen. 

Besteht bereits eine Gewöhnung, lässt sich der Körper auch relativ leicht wieder entwöhnen. Abführmittel können dabei in den meisten Fällen einfach abgesetzt werden. Die anfangs eventuell etwas träge Darmtätigkeit pendelt sich nach kurzer Zeit wieder ein. Lediglich nach langjährigem Missbrauch von Laxanzien besteht nach abruptem Absetzen die Gefahr eines Darmverschlusses, wenn es zu lange dauert, bis der Darm wieder selbständig arbeitet. In diesem Fall ist eine Umstellung auf harmlosere Abführmittel wie Macrogol, Glycerol oder Klistiere zu empfehlen.

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