Zuckersüßes Beratungswissen
Serien
7 min merken gemerkt Artikel drucken

Zuckerfrei und trotzdem süß: Zuckeraustauschstoffe

Enthalten Lebensmittel mehr als 10 Prozent Süßungsmittel (bezogen auf das Gesamtgewicht), ist ein Hinweis auf die abführende Wirkung verpflichtend. | Bild: Hinger

Von ihrer chemischen Struktur her sind Zuckeraustauschstoffe Alkohole, deswegen heißen sie auch Zuckeralkohole und tragen Namen mit der Endung -ol. Sorbitol ist genau der gleiche Stoff wie Sorbit, Xylitol entspricht Xylit usw. In der Europäischen Union sind insgesamt acht Zuckeraustauschstoffe zugelassen: Sorbit (= Sorbitol oder Glucitol), Xylit (= Xylitol), Isomalt, Maltit, Lactit, Mannit (= Mannitol) sowie Erythrit und Polyglycitolsirup.

Tabelle der acht zugelassenen Zuckeraustauschstoffe in der EU

 

 E-NummerEnergiegehalt kJ/kcal pro 100 gSüßkraft im Vergleich zu Zucker = 100%
SorbitE 4201.000/24040–60%
XylitE 9671.000/24098%
IsomaltE 953840/20050%
MaltitE 9651.000/24050–80%
LactitE 9661.000/24030–40%
MannitE 4211.000/24050–69%
ErythritE 96884/2050–70%
PolyglycitolsirupE 9641.000/24050%

Anmerkung zur Tabelle: normaler Zucker hat einen Energiegehalt von 1.680 kJ bzw. 405 kcal.

Kennzeichnungspflicht für Süßungsmittel

Seit Inkrafttreten der europäischen Lebensmittel-Informationsverordnung im Jahr 2014 werden Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe unter dem Begriff „Süßungsmittel“ zusammengefasst. Für Lebensmittel, die einen Stoff aus dieser Gruppe enthalten, ist der Hinweis „mit Süßungsmittel(n)“ gesetzlich vorgeschrieben. Enthält das Produkt zusätzlich Zucker, muss auch dies auf dem Etikett stehen: „mit Zucker(n) und Süßungsmittel(n)“.

Zusätzlich muss auf der Zutatenliste die Klassenbezeichnung „Süßungsmittel“ und dahinter die verwendete Substanz stehen, alternativ die E-Nummer. Beispiel: „Süßungsmittel Sorbit“ oder „Süßungsmittel E420“.

Was bedeutet die E-Nummer?

Süßungsmittel zählen als Substanzklasse zu den Lebensmittelzusatzstoffen. Allen in der Europäischen Union zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffen wird eine amtliche E-Nummer zugeteilt. Die Zulassung setzt voraus, dass die Stoffe keine Gesundheitsrisiken bergen und die Verwendung nicht zu einer Täuschung des Verbrauchers führt. Insgesamt gibt es in der Europäischen Union 341 Lebensmittelzusatzstoffe, die in 34 Gruppen eingeteilt sind. Gruppen sind zum Beispiel Emulgatoren, Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel, Säureregulatoren und eben auch Süßungsmittel.

Der Sinn und Vorteil der E-Nummern besteht darin, dass Zusatzstoffe europaweit identifizierbar sind, unabhängig von der verwendeten Sprache. Ein Nachteil ist, dass man als einkaufender Verbraucher nicht immer ein Verzeichnis der E-Nummern zur Hand hat, um damit Stoffe zu identifizieren, auf die man verzichten möchte. Insofern erscheint es durchaus verbraucherfreundlich, wenn die Hersteller statt der E-Nummer den Substanznamen nennen, was auch ausdrücklich erlaubt ist.

„Zuckerfrei“ und „zahnschonend“

Bonbon-, Pastillen- und Kaugummihersteller bewerben ihre Produkte auf der Verpackung als „zuckerfrei“, „ohne Zucker“ und „zahnschonend“. Der Hinweis „mit Süßungsmittel(n)“ ist nur für die Zutatenliste verpflichtend. Was die Nährwerttabelle („Big Seven“) betrifft, fließen die Zuckeraustauschstoffe dort nur in den Stichpunkt „Kohlenhydrate“ ein. Sie gelten nicht als Zucker. Ein ausschließlich mit Sorbit oder Isomalt gesüßter Bonbon hat bei Zucker also eine Null stehen. Manche Hersteller fügen in der Zeile unter der Zuckerangabe freiwillig den Stichpunkt „Mehrwertige Alkohole“ ein. Das ist nicht vorgeschrieben, aber eine wertvolle Information für den aufgeklärten Verbraucher.

Enthält ein Produkt Zuckeraustauschstoffe in Höhe von über 10 Prozent des Gesamtgewichts, ist ein Warnhinweis auf die abführende Wirkung verpflichtend. Auf der Packung muss stehen: „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken.“ Wenn zum Beispiel Bonbons lose verkauft werden, so muss der Verbraucher durch ein Schild auf die Süßungsmittel hingewiesen werden, gegebenenfalls muss auch ein Warnhinweis entsprechend öffentlich sichtbar sein.

Sorbit vielseitig einsetzbar

Sorbit dient nicht nur als Süßungsmittel, sondern ist außerdem ein bewährtes Feuchthaltemittel, zum Beispiel in Zahnpasta, aber auch in Lebensmitteln wie Kaugummi, Pralinenfüllungen und weichen Gebäckarten. Wenn es in einem Produkt diese Funktion ausübt, ist es auf der Zutatenliste entsprechend angegeben. In Speiseeis-Rezepturen wird Sorbit verwendet, um den Gefrierpunkt herabzusetzen.

Keineswegs ist Sorbit nur ein industriell eingesetzter Zusatzstoff, es kommt auch natürlicherweise in manchen Obstsorten vor, z. B. in Pflaumen, Birnen, Pfirsichen, aber auch Äpfeln und Trauben. Besonders Trockenfrüchte haben prozentual gesehen aufgrund des Wasserverlustes einen verhältnismäßig hohen Sorbit-Gehalt. Werden die Früchte mit ihrem natürlichen Sorbit-Vorkommen weiterverarbeitet, muss auf der Packung kein Hinweis auf Sorbit stehen. 

Auch andere Stoffe aus der Zuckeralkohol-Familie, wie Mannit, Lactit, Isomalt, Xylit, Maltit und Erythrit, kommen natürlicherweise in Obst und Gemüse vor. So enthalten zum Beispiel Champignons ganz geringe Mengen an Mannit.

Der Darm streikt

Auch Menschen mit einer kerngesunden Verdauung bekommen Beschwerden wie Blähungen und Durchfall, wenn sie mehr als 50 Gramm Sorbit pro Tag zu sich nehmen. Empfindliche Personen können schon bei Mengen ab 5 Gramm oder weniger unter Bauchkrämpfen leiden.

Sorbit wird zumindest teilweise aus dem Dünndarm resorbiert, die unresorbierten Mengen wandern weiter in den Dickdarm, wo sie bakteriell zersetzt werden. Aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaften zieht unverstoffwechseltes Sorbit Wasser in den Darm und löst so Durchfälle aus. Menschen, die auf Sorbit sehr empfindlich reagieren, vertragen häufig auch keine anderen Zuckeraustauschstoffe. Sie sollten auf „zuckerfreie“ Bonbons, Kaugummis oder Lutschtabletten verzichten und bei Bedarf auf Varianten mit normalem Zucker zurückgreifen.

Zwei Beratungstipps für die Apotheke

Wenn Kunden über Blähungen, Bauchkrämpfe oder Durchfälle klagen und ein Arzneimittel für die Selbstmedikation verlangen, sollte nachgefragt werden, ob möglicherweise Produkte mit Zuckeraustauschstoffen die Ursache für die Beschwerden sein könnten.

Bei der Abgabe von „zuckerfreien“ Lutschtabletten gegen Halsschmerzen sollte auf den Gehalt an Zuckeraustauschstoffen hingewiesen werden. Gegebenenfalls sollte nach einer Alternative gesucht werden.

Unterschiede zwischen Zuckeralkoholen

Zwischen den einzelnen Zuckeralkoholen gibt es ein paar interessante Unterschiede. Xylit erzeugt auf der Zunge einen leichten Kühleffekt, ähnlich dem Menthol. Bei der Verstoffwechselung von Xylitol werden kleine Mengen Insulin freigesetzt. Die Resorption erfolgt überwiegend im Dünndarm. Durch langsame Dosissteigerung lässt sich die Verträglichkeit von Xylit allmählich erhöhen, so dass nach einer gewissen Gewöhnungszeit auch größere Mengen beschwerdefrei vertragen werden, was bei Sorbit nicht möglich ist.

Zahnfreundliche und antikariogen

Angabe des Zuckergehaltes. | Bild: Privat

Auch wenn alle Zuckeralkohole als zahnfreundlich und antikariogen gelten, kommt Xylit noch eine besondere Rolle zu: Das Kauen Xylit-haltiger Kaugummi, aber auch die Zufuhr von Xylit generell, kann die Plaque-Entstehung in der Mundhöhle um bis zu 70 Prozent vermindern und sogar kleine, kariös bedingte Zahnbeschädigungen wieder schließen. 

Maltol hat einen leichten Karamellgeschmack, der bei manchen Produkten erwünscht ist.

Isomalt hat wie Xylit eine geringe Wirkung auf den Blutzucker- und Insulinspiegel. Eine vorteilhafte Eigenschaft von Isomalt ist, dass es so gut wie keine Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt und nicht verklumpt. Mit Isomalt gesüßte Bonbons verkleben nicht und müssen nicht einzeln verpackt werden.

Im Vergleich zu den anderen Zuckeralkoholen gilt Erythrit als besonders gut verträglich. Erythrit ist praktisch kalorienfrei und lässt sich ebenfalls klumpenfrei weiterverarbeiten.

Mannit (Mannitol) ist über seine Verwendung als Süßungsmittel hinaus ein Hilfsstoff bei der Tablettenherstellung sowie ein Wirkstoff für ein Arzneimittel (z. B. Osmofundin Infusionslösung, ein Osmodiuretikum). Es wird auch als Laxans bei Darmspiegelungen eingesetzt.

Aufklärung ist wichtig

Eine Umfrage der Verbraucherzentralen hat ergeben, dass viele Menschen den vom Verordnungsgeber eingeführten Begriff „Süßungsmittel“ falsch interpretieren. Ein großer Teil der Befragten stuft auch normalen Haushaltszucker oder Fruchtsirupe als Süßungsmittel ein. Ebenso dürfte die Fachbezeichnung „Zuckeralkohole“ viele Verbraucher auf eine verkehrte Spur lenken. Womöglich denken sie dabei an Alkohol im Sinne von Ethanol. Solche Missverständnisse zeigen: Es besteht noch viel Aufklärungsbedarf, was die Zusammensetzung von Lebensmitteln, insbesondere industriell hergestellter Produkte, betrifft.

Auf einen Blick:

  • Die Zuckeralkohole gehören zur Gruppe der „Süßungsmittel“. Auf industriell hergestellten Lebensmitteln müssen sie in der Zutatenliste mit ihrer Klassenbezeichnung „Süßungsmittel“ genannt werden, dahinter folgt der Name der verwendeten Substanz oder die E-Nummer. Werden sie als Feuchthaltemittel eingesetzt, so wird das in der Zutatenliste entsprechend aufgeführt.
  • Zuckeralkohole enthalten weniger Kalorien als Zucker, sind zahnfreundlich, wirken gar nicht oder nur gering auf den Blutzuckerspiegel und die Insulinausschüttung. Übersteigt der Gehalt an Zuckeralkoholen 10 Prozent des Gesamtgewichts, so ist die Angabe verpflichtend: „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“.
  • Bei den Nährwertangaben werden Zuckeralkohole in der Rubrik „Kohlenhydrate“ aufgeführt. Manche Hersteller setzen in der Nährwerttabelle freiwillig eine Zeile „Zuckeralkohole“ ein und nennen die enthaltenen Mengen.
  • Zuckeralkohole kommen auch natürlicherweise in Früchten und Gemüsen vor, allerdings in sehr geringen Mengen. Bei der Weiterverarbeitung von z. B. Sorbit-haltigen Früchten muss der Hersteller des Lebensmittels nicht auf den natürlichen Sorbitgehalt hinweisen.
Zurück