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Leseprobe PTAheute 11/2020 : Wissen, was zu tun ist

Bild: verve231 / Stockphoto.com

Dass in der Apotheke ein Ersthelfer vorhanden sein muss, basiert auf den Vorgaben der Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Diese Vorschrift befasst sich mit den Grundsätzen der Prävention und behandelt im Kapitel „Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes“ das Thema Erste Hilfe.

Rechtliche Vorgaben

Laut DGUV muss ein Unternehmer sicherstellen, dass zur Ersten Hilfe nicht nur die erforderlichen Einrichtungen und Sachmittel, sondern auch das erforderliche Personal zur Verfügung stehen. Geeignetes Erste-Hilfe-Material ist üblicher­weise in der Apotheke vorhanden, findet sich aber beispielsweise auch in Verbandkästen nach DIN 13157 oder DIN 13169. Zudem muss mindestens eine Person über eine Ausbildung als Ersthelfer verfügen. Ein Erste-Hilfe-Raum ist in Apotheken nicht erforderlich, dieser ist erst (unter bestimmten Voraussetzungen) bei Betriebsstätten mit mehr als 100 Beschäftigten vorgeschrieben.

Der Unternehmer – also der Apothekenleiter –bestimmt den Ersthelfer. Allerdings können nur Personen als Ersthelfer benannt werden, die eine entsprechende Ausbildung erhalten haben oder über eine entsprechende medizinische Qualifikation verfügen. Zur letzten Gruppe zählen neben Ärzten zum Beispiel Altenpfleger, Hebammen und Physiotherapeuten, nicht aber Apotheker und PTA. Der Ersthelfer einer Apotheke kann auch aus dem nicht pharmazeutischen Bereich bestellt werden.

Wie viele?

Zur Anzahl der Ersthelfer macht die DGUV folgende Angaben: Sind in der Apotheke zwischen zwei und 20 Unfallversicherte anwesend, ist mindestens ein Ersthelfer vor Ort erforderlich. Bei mehr als 20 anwesenden Versicherten soll die Zahl der Ersthelfer zehn Prozent der Anwesenden betragen. Interessant ist, dass in den Unfallverhütungsvorschriften nicht von Beschäftigten, sondern von anwesenden Versicherten gesprochen wird. Es geht bei der Bestimmung der Ersthelferanzahl also nicht um die Gesamtzahl der Angestellten, sondern vielmehr darum, wie viele Personen zeitgleich bei der Arbeit anwesend sind.

Bei der Festlegung der Helferanzahl ist zu berücksichtigen, dass die Öffnungszeiten der Apotheken nicht selten die 40-Stunden-Grenze und damit die Arbeitszeit einer Vollzeitstelle überschreiten. Außerdem arbeiten in Apotheken häufig Teilzeitkräfte. Weiterhin sollte nicht vergessen werden, dass auch während des Urlaubs des Ersthelfers eine Vertretung vor Ort sein muss. Deshalb kann es erforderlich sein, mehrere Ersthelfer zu bestimmen, obwohl zeitgleich niemals mehr als 20 Angestellte arbeiten. Aufgabe des Apothekenleiters ist es, dafür zu sorgen, dass zu jeder Zeit die erforderliche Zahl an Ersthelfern anwesend ist. Und: Es sollte sichergestellt werden, dass jeder Mitarbeiter weiß, wer Ersthelfer ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Prinzipiell ist jeder – unabhängig davon, ob er über eine Ersthelfer-Ausbildung verfügt – nach § 323c StGB zur Ersten Hilfe verpflichtet.
  • Andernfalls kann er wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden.
  • Jeder Apothekenleiter hat je nach Anzahl der anwesenden Beschäftigten einen oder mehrere Ersthelfer zu bestellen. Die Ausbildung zum Ersthelfer erfolgt durch ermächtigte Stellen. Ersthelfer können sowohl zum pharmazeutischen als auch zum nicht pharmazeutischen Personal gehören.
    Die Ausbildung besteht aus einem eintägigen Lehrgang, der spätestens alle zwei Jahre wiederholt werden muss. Die Lehr­gangskosten werden auf Antrag von der BGW übernommen.
  • Werden durch Erste-Hilfe-Maßnahmen Schäden verursacht, ist der Helfer hierfür nicht schadenersatzpflichtig.

Wer bildet aus?

Die Ausbildung zum Ersthelfer muss bei einer vom Unfallversicherungsträger ermächtigten Stelle erfolgen. Dies sind unter anderem das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der Malteser Hilfsdienst (MHD) oder die Johanniter. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen, zum Teil sind diese jedoch nur regional tätig. Eine Liste aller ermächtigten Ausbildungsstellen findet sich zum Beispiel in der Datenbank der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Im Normalfall ist ein Erste-Hilfe-Kurs kostenpflichtig. Allerdings können die Kosten vom jeweiligen Unfallversicherungsträger übernommen werden. Für die Apotheke ist dies die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Empfohlen wird die Anmeldung der Kursteilnehmer durch den Arbeitgeber. Hierfür steht ein Formular zur Verfügung, das möglichst digital ausgefüllt werden sollte. Sie finden das Formular ganz einfach, indem Sie unter www.ptaheute.de den Webcode O4SX2 oben rechts im Suchfeld eingeben. Die Ausbildungsstellen rechnen die Lehrgangsgebühren dann direkt mit der BGW ab, für die Apotheke entstehen keine weiteren Kosten. Fahrt- und eventuelle Übernachtungskosten trägt der Teilnehmer, die Zeit der Lehrgangsteilnahme wird als Arbeitszeit angerechnet.

Die Ausbildung

Eine Ausbildung zum betrieblichen Ersthelfer besteht aus einem neun Unterrichtseinheiten umfassenden Lehrgang. Wichtig ist zu beachten, dass der Ersthelfer normalerweise nicht speziell für den Apothekenbetrieb ausgebildet wird, sondern es sich um allgemeine Kurse handelt. Allerdings werden mittlerweile auch spezielle Kurse für Apotheken angeboten.

An einem Ersthelfer-Lehrgang nehmen in der Regel mindestens zehn und maximal 15 Personen teil. Dabei werden sowohl theoretische Inhalte vermittelt als auch praktische Übungen durchgeführt. Nach Beendigung des Kurses erhalten die Teilnehmer eine Teilnahmebestätigung. Eine Prüfung findet nicht statt. Apothekenmitarbeiter, die zum Ersthelfer bestellt wurden, bleiben dies nicht unbegrenzt. Die Unfallverhütungsvorschriften schreiben vor, dass sich Ersthelfer in Zeitabständen von zwei Jahren fortbilden müssen. Konkret bedeutet dies, dass spätestens nach zwei Jahren erneut der Besuch eines Erste-Hilfe-Trainings mit neun Unterrichtseinheiten erforderlich ist.

Natürlich kann der zukünftige Ersthelfer auch einen umfangreicheren Kurs mit einer längeren Ausbildungsdauer besuchen, vorgeschrieben ist dies jedoch nicht. Des Weiteren gibt es Erste-Hilfe-Kurse für spezielle Personengruppen, wie zum Beispiel für die Erste Hilfe am Kind. Dies kann für Apotheken interessant sein, wenn sich in der Nähe Einrichtungsstätten für Kinder befinden oder wenn zum Kundenkreis der Apotheke sehr viele Familien mit kleineren Kindern zählen. Die Teilnahme an einem „Kinder-Kurs“ gilt nicht als Ausbildung zum betrieblichen Ersthelfer.

Pflichten und Rechte

Laut Unfallverhütungsvorschriften ist ein Ersthelfer für Hilfsmaßnahmen im eigenen Betrieb verantwortlich, daher auch die Bezeichnung betrieblicher Ersthelfer. Wurde eine Erste-Hilfe-Leistung durchgeführt, ist diese zu dokumentieren. Das gilt auch für kleinste Vorfälle. Für die Dokumentation ist der Apothekenleiter verantwortlich. In der Praxis wird es in der Regel so sein, dass die Aufzeichnung des Vorfalles durch den Ersthelfer erfolgt. Die DGUV hält einen Doku­mentationsbogen für Erste-Hilfe-Leistungen bereit, prinzipiell ist jedoch keine bestimmte Form vorgeschrieben. Die Aufzeichnung kann auch elektronisch erfolgen. Wichtig sind diese Aufzeichnungen unter anderem als Nachweis für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Die Unterlagen sind fünf Jahre lang unter Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung bzw. des Bundesdatenschutzgesetzes aufzubewahren und vertraulich zu behandeln.

Aber auch wenn ein Kunde in der Offizin ohnmächtig wird oder sich eine Person auf der Straße vor der Apotheke verletzt, muss geholfen werden. In derartigen Fällen greift das Strafgesetzbuch (§ 323c): „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, ... ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Diese Forderung zur Hilfeleistung gilt für jeden.

Erste Hilfe ist Pflicht, aber an erster Stelle steht dennoch der Eigenschutz. Gibt es beispielsweise einen Säureunfall im Labor, bei dem sich der Ersthelfer selbst in Gefahr begibt, sollte keine Hilfeleistung durchgeführt werden. Allerdings ist bei akuten, eventuell sogar lebensbedrohlichen Ereignissen immer der Notruf 112 abzusetzen.

Sonderregelungen für Erste-Hilfe-Kurse in Zeiten von Covid-19

  • Eine Teilnahme an Erste-Hilfe-Kursen ist bis einschließlich 30.06.2020 nicht möglich (Stand 12.05.2020).
  • Eine Fortbildung sollte in der Regel alle zwei Jahre erfolgen, ein gewisser Handlungsspielraum bleibt offen.
  • Erste-Hilfe-Kurse haben Präsenzpflicht, ein Online-Kurs ist nicht ausreichend.Die Erste-Hilfe-Grundversorgung muss auch bei reduziertem Personalstamm vor Ort sichergestellt sein.
  • Für Personen im Homeoffice muss kein Ersthelfer gestellt werden (dieser ist erst ab zwei Personen notwendig).

Schadenersatz

Was passiert, wenn ein Ersthelfer bei seinen Maßnahmen einen Schaden verursacht? Das kann eine zerschnittene Bluse bei der Wundversorgung, ein zerstörter Gegenstand, aber auch eine gebrochene Rippe durch die Herzdruckmassage sein. Keine Sorge. Generell müssen Helfer keine Schadenersatzansprüche befürchten. Hiervon ausgenommen sind lediglich grob fahrlässig oder mutwillig herbeigeführte Schäden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dem Helfer vorgeworfen werden kann, dass einfachste Überlegungen und Regeln nicht beachtet wurden. Da eine Notfallsituation für die meisten Menschen eine hohe psychische Belastung darstellt, wird es im Einzelfall jedoch nicht immer ganz einfach sein zu entscheiden, ob durchgeführte Maßnahmen grob fahrlässig waren.

Und wie sieht es bei Eigenschäden des Helfers aus? Das Spektrum dieser Schäden reicht von Sachschäden wie verdreckter Kleidung bis hin zu Körperschäden wie einem gebrochenen Arm. In allen Fällen kann die helfende Person Ersatz oder Kostenübernahme von der verletzten Person verlangen. Die Erstattung der Forderungen erfolgt dann in der Regel von der zuständigen Versicherung, häufig ist dies die Unfallversicherung.