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Leseprobe PTAheute 21/2020: Hyperthermie – Dem Krebs einheizen

Foto: alexeys – iStockphoto.com

Bei der Hyperthermie wird die von einem Tumor betroffene Körperregion oder auch der ganze Körper künstlich erwärmt. Die Temperatur erreicht in der Regel Werte zwischen 40 und 43 °C, in seltenen Fällen auch darüber. Um die Aufheizung zu erzielen, werden meist elektromagnetische Wellen oder Ultraschall eingesetzt.

Anfälliger durch Hitzestress

Die erhöhte Temperatur hat per se eine schädigende Wirkung auf einen Tumor. Grundsätzlich sind Krebszellen wärmeempfindlicher als andere Zellen, dennoch wird der Tumor nicht direkt durch die Wärme zerstört – die dafür benötigten noch höheren Temperaturen würden auch gesunde Zellen erfassen. Die Hyperthermie macht Krebszellen aber anfälliger für körpereigene Abbauprozesse. So bilden die Zellen mit der Zeit sogenannte Hitzeschockproteine. Diese haben eine Signalwirkung aufs Immunsystem: Natürliche Killerzellen werden auf den Plan gerufen, um die entarteten Zellen zu attackieren. Außerdem werden zelluläre Reparatursysteme gehemmt.

Chemo- und Strahlentherapie verstärkt

In erster Linie dient die Hyperthermie als eine Art Wirkverstärker für andere Behandlungen. Durch die Überwärmung reagieren die Zellen sensibler auf eine Chemo- oder Strahlentherapie. Das liegt zum einen daran, dass ein Tumor stärker durchblutet wird und dadurch mehr Medikamente dorthin gelangen; auch schlecht durchblutete Tumorbezirke werden so vom Zytostatikum erreicht. Zum anderen gelangt mehr Sauerstoff zu den Krebszellen. Im Falle einer Bestrahlung bilden sich dann vermehrt freie Radikale, die zur Zerstörung der Krebszellen beitragen. Aus diesen Gründen wird die Hyperthermie vorwiegend zusätzlich zu einer Chemo- oder Strahlentherapie eingesetzt. Durch die Kombinationstherapie lassen sich häufig die Menge an Zytostatika oder die Strahlendosis reduzieren und Nebenwirkungen abmildern. Selbst in therapieresistenten Fällen kann die Hyperthermie dazu beitragen, dass Tumoren wieder auf Chemo- oder Strahlentherapie ansprechen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Hyperthermie bedeutet Überwärmung. Sie wird in der Krebsbehandlung eingesetzt. Dazu wird im Körper lokal oder systemisch die Temperatur um einige Grade erhöht, meist mittels elektromagnetischer Wellen. 
  • Dadurch können im Tumorgewebe thermobiologisch schädigende Prozesse angestoßen werden. Meist wird Hyperthermie zusätzlich zu Chemo- oder Strahlentherapie eingesetzt, um deren Wirksamkeit zu verstärken. 
  • Auf diese Weise lassen sich Zytostatika- und Strahlendosis reduzieren und eventuell bessere Therapieergebnisse erzielen. 
  • Die Hyperthermie umfasst mehrere Verfahren, die sich unterschiedlich etabliert haben.

An der Oberfläche ...

Die Hyperthermie wird in verschiedenen Varianten angewendet. Eine Form ist die Oberflächen-Hyperthermie: Das vom Krebs betroffene Areal wird von außen mittels Ultraschall, Radio- oder Mikrowellen erwärmt. Der Patient liegt dazu unter einem Hyperthermiegerät. Diese Methode eignet sich für dicht unter der Haut liegende Tumoren oder Metastasen. Als Radio-Hyperthermie – kombiniert mit Strahlentherapie – erfolgt der Einsatz zum Beispiel bei Patientinnen mit Brustkrebsrezidiven. Vielversprechende Ergebnisse aus einer großen Metaanalyse zeigten: Bei bis zu 65 Prozent der kombiniert behandelten Patientinnen verschwand ein lokales Brustkrebsrezidiv, hingegen nur bei 40 Prozent der rein strahlentherapeutisch behandelten Patientinnen. Da sich durch eine Kombinationsbehandlung die Strahlendosis geringer halten lässt, können eventuell auch Frauen behandelt werden, für die eine reguläre, alleinige Strahlentherapie zu belastend wäre.

... oder in die Tiefe

Bei der regionalen Tiefenhyperthermie, mit der man tiefer liegende Tumoren sowie Metastasen erreichen will, werden größere Körperareale erwärmt. Dies geschieht mit einem Ringapplikator, der elektromagnetische Wellen erzeugt und gebündelt auf den Gewebebereich richtet. Diese Methode wird – in Kombination mit einer Chemotherapie – vor allem bei Weichteilsarkomen (Tumoren des Binde- und Stützgewebes) eingesetzt. Für eine gezielte, punktuelle Erwärmung gibt es die Möglichkeit, fokussierten Ultraschall einzusetzen. Eine Erwärmung nicht von außen, sondern im Körper bewirkt die interstitielle Hyperthermie. Dabei werden Sonden in Tumornähe gebracht, nach Möglichkeit über natürliche Körperöffnungen wie Mund oder Enddarm. So lassen sich zum Beispiel wiederkehrende Kopf-Hals-Tumore oder Prostatakarzinome behandeln.

Weitere Forschung nötig

Eine innovative Methode ist die magnetische Hyperthermie, bei der magnetisierbare Nanopartikel auf Basis von Eisenoxid in den Tumor eingebracht werden. Über ein von außen angelegtes Magnetfeld lassen sich die Nanopartikel und damit auch das Tumorgewebe auf die gewünschte Temperatur erhitzen. Erste Anwendungen dieser Nano-Hyperthermie wurden überwiegend bei Patienten mit Hirntumoren durchgeführt. Darüber hinaus gibt es die Ganzkörperhyperthermie, bei der der gesamte Körper – bis auf den Kopf – von außen auf Temperaturen von circa 41,5 °C erwärmt wird. Dies soll vor allem gegen metastasierte Krebserkrankungen wirken und wird vorwiegend von der Alternativmedizin propagiert. Die Schulmedizin sieht den Nutzen eher kritisch.

Noch kein Standardverfahren

Generell ist der genaue Stellenwert der Hyperthermie noch unklar. Bisher ist sie auch kein Standardverfahren, das sich für jeden Patienten bei jeder Tumorart eignen würde. Die verschiedenen Hyperthermie-Verfahren werden überwiegend an onkologischen Zentren von Universitätskliniken im Rahmen von Studien eingesetzt. Daneben gibt es auch Angebote im niedergelassenen Bereich sowie in kleineren Kliniken. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) empfiehlt Patienten, eine Hyperthermie-Behandlung möglichst nur in klinischen Studien oder zumindest unter streng kontrollierten wissenschaftlichen Bedingungen durchführen zu lassen und auch die Kostenübernahme bei der Krankenkasse abzuklären.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Die Hyperthermie ist nicht für jeden Tumor geeignet. Bei Ihrem lokalen Brustkrebsrezidiv stehen die Chancen aber sehr gut.“ 
  • „Durch die Wärme werden die Krebszellen anfälliger. Die Hyperthermie kann somit die Wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie verstärken.“ 
  • „Von Ihrem Alternativmediziner ist eine Ganzkörperhyperthermie vorgeschlagen worden? Informieren Sie sich vorab genau über den Nutzen, z. B. beim Deutschen Krebsforschungszentrum.“

Einiges zu beachten

Eine Hyperthermie-Therapie ist zeitaufwendig. Circa 1,5 Stunden müssen für eine Behandlungseinheit inklusive Vorbereitungszeit eingeplant werden. Die Behandlung sollte ein- bis zweimal wöchentlich über mehrere Wochen erfolgen. Die Hyperthermie gilt als relativ gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen bei Hyperthermie-Anwendungen sind Rötungen und Schwellungen der Haut, mitunter auch Schmerzen im behandelten Körperareal, vor allem wenn auch gesundes Gewebe angegriffen wird. Während der eigentlichen Hyperthermie werden häufig Schmerzmittel benötigt, oft auch eine Sedierung oder leichte Narkose. Je nach Hyperthermie-Verfahren sind eventuell Eingriffe erforderlich, etwa um Sonden im Tumorgewebe zu platzieren. Insbesondere die Ganzkörper-Hyperthermie kann für das Herz und den Kreislauf sehr belastend und für vorgeschädigte Patienten kontraindiziert sein.