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Leseprobe PTAheute 22/2020: Migränehilfe auf Knopfdruck – Sumatriptan als Pen

Foto: herraez – iStockphoto.com

Viele kennen das: Es ist gerade besonders viel los im Job, man steckt mitten in den Prüfungsvorbereitungen oder es gibt Stress zu Hause. Besonders jetzt will man durchhalten und dann kommt sie mit voller Wucht, die Migräne.

Migräne – eine ernst zu nehmende Erkrankung

Migräne ist eine der häufigsten Erkrankungen der Welt und führt zu einem starken Leidensdruck bei den Betroffenen. Sie gehört zu den primären Kopfschmerzarten und ist charakterisiert durch anfallsartige, starke, häufig einseitige und pulsierend-pochende Kopfschmerzen, welche sich durch körperliche Aktivität verschlimmern. Oft treten während einer Migräneattacke Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtempfindlichkeit auf. Die durchschnittliche Dauer eines solchen Anfalls beträgt vier bis 72 Stunden. Währenddessen lassen sich meistens vier Phasen erkennen: die Prodromal-, Aura-, Kopfschmerz- und Erholungsphase.

Ursache unklar

Man geht davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Migräne zu erkranken, unter anderem auf genetische Komponenten zurückzuführen ist. Das erklärt auch, warum Migräne oft familiär gehäuft auftritt. Aber was passiert eigentlich genau bei einer Migräneattacke? Entscheidend für die Entstehung ist eine Störung der Blut- und Energieversorgung des Gehirns. Allerdings gilt als widerlegt, dass, wie lange vermutet wurde, eine verminderte Sauerstoffversorgung des Gehirns (durch eine geringere Durchblutung) Ursache für die Migräneattacke ist. Was eigentlich ursächlich ist, ist jedoch bis heute nicht abschließend geklärt. So wird zum Beispiel vermutet, dass neurogene Entzündungen mit Ödemen und einer Erhöhung der Schmerzempfindlichkeit im Gehirn verantwortlich sein könnten. 

Man geht davon aus, dass im Zusammenhang mit der Entzündungsreaktion der Neurotransmitter Serotonin und CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) verstärkt freigesetzt werden. CGRP spielt bei der Entstehung der Migräne gleich mehrfach eine Rolle, denn es ist unter anderem an der Vasodilatation, der Schmerzrezeptor-Sensibilisierung und an Entzündungsprozessen im ZNS sowie der Peripherie beteiligt. Als Trigger für die Auslösung eines Migräneanfalls gelten Unregelmäßigkeiten und Stress im Alltag der Betroffenen sowie alles, was ein Energiedefizit in den Nervenzellen auslösen kann.

Was kann man tun?

Für Migränepatienten ist es zunächst am wichtigsten, Verhaltensweisen und Maßnahmen zu erlernen, die die Anzahl ihrer Migräneattacken vermindern. Dazu gehören beispielsweise ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, gleichmäßig über den Tag verteilte kohlenhydratreiche Mahlzeiten, ausreichendes Trinken, regelmäßiger Ausdauersport (wie zum Beispiel Schwimmen oder Joggen) und das Erlernen von Entspannungstechniken. Bei der medikamentösen Behandlung wird zwischen der Akuttherapie und der Migräneprophylaxe unterschieden.

Dem Schmerz zuvorkommen

Leidet ein Betroffener beispielsweise an drei oder mehr Migräneattacken im Monat, die die Lebensqualität beeinträchtigen und von neurologischen Ausfällen begleitet werden, wird eine medikamentöse Anfallsprophylaxe empfohlen. Dadurch kann die Anfallshäufigkeit und -schwere deutlich gesenkt werden. Es eignen sich zum Beispiel Betablocker wie Meto­prolol oder Propranolol, Flunarizin aus der Gruppe der Calciumantagonisten oder auch Antiepileptika, vorrangig Topiramat. Auch Amitriptylin, ein tricyclisches Antidepressivum, wird manchmal eingesetzt. Bei chronischer Migräne ist Botulinumtoxin eine weitere Option. Eine neu eingesetzte Wirkstoffgruppe sind die monoklonalen Antikörper gegen CGRP selbst (Fremanezumab und Galcanezumab) und gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab). Sie werden subcutan alle vier Wochen appliziert. Fremanezumab muss sogar nur alle drei Monate verabreicht werden. 

Zugelassen sind die Antikörper momentan bei Therapieversagen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen der klassischen Prophylaxemedikation. Im Bereich der Selbstmedikation kann zur Migräneprophylaxe Magnesium in hoher Dosierung (600 mg/Tag) empfohlen werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Migränetherapie basiert im Wesentlichen auf drei Säulen: der Migränevorbeugung durch Verhaltensanpassung, der Migräneprophylaxe durch Medikamente und der medikamentösen Behandlung im Akutfall. 
  • Die schnellste und wirksamste medikamentöse Migränetherapie für den Akutfall ist die subcutane Injektion von Sumatriptan. 
  • Diese steht neu in einer niedrigeren Dosierung zur Verfügung, welche zwar eine etwas geringere Wirksamkeit zeigt, aber deutlich besser verträglich ist.

Wenn es akut wird

Für die Therapie eines akuten Migräneanfalls empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in ihrer aktuellen Leitlinie (Stand 08.10.2020) zunächst nichtsteroidale Antirheumatika, zum Beispiel Acetylsalicylsäure in einer Einzeldosierung von 1.000 mg oder bis zu 600 mg Ibuprofen. Bei Kontraindikationen gegen NSAR kommen Paracetamol oder Metamizol mit jeweils 1.000 mg in der Einzeldosis infrage. Parallel kann bei allen Migräneanfällen, bei denen Übelkeit und Erbrechen auftreten, Metoclopramid oder Domperidon verordnet werden. Handelt es sich um einen schweren Anfall oder ist bekannt, dass auf Analgetika nicht angesprochen wird, sollten Triptane zum Einsatz kommen. Diese Agonisten an den Serotonin-Rezeptoren im Gehirn verengen die im Migräneanfall erweiterten Gefäße und hemmen außerdem die Ausschüttung des Neurotransmitters CGRP. Die Wirkstoffe Naratriptan, Almotriptan und seit Neuestem auch Sumatriptan können in einer Packungsgröße von zwei Tabletten im Rahmen der Selbstmedikation abgegeben werden. Die anderen Triptane sind alle verschreibungspflichtig. Den schnellsten Wirkungseintritt zeigt die subcutane Sumatriptan-Injektion, welche auch die wirksamste Therapie akuter Migräneattacken ist.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Der Vorteil an diesem ,Migräne-Pen‘ ist, dass er sehr schnell wirkt – oft schon innerhalb von zehn Minuten.“ 
  • „Außerdem kann er auch dann schnell wirken, wenn Sie wegen Ihrer Migräne erbrechen müssen, da die Substanz ja gar nicht zuerst durch den Magen gelangen muss.“ 
  • „Wenn Sie an mehr als zehn Tagen pro Monat Ihr Triptanpräparat brauchen, sollten Sie dringend Ihren Arzt darauf ansprechen. Dieser kann Ihnen dann ein anderes Medikament zur Vorbeugung verschreiben. Gerade auf dem Gebiet der Migränevorbeugung hat sich in letzter Zeit einiges getan und es gibt sicherlich auch für Sie eine besser verträgliche und wirksamere Therapie.“

Wenn es schnell wirken muss: Sumatriptan als Pen

Der Vorteil der Verabreichung von Sumatriptan mit einem Autoinjektor ist neben dem schnellen Wirkungseinritt auch der mögliche Einsatz bei starken Begleitsymptomen wie rasch einsetzender Übelkeit, Erbrechen und einer verlangsamten Darmmotilität. Auch Patienten, die nachts oder auch frühmorgens mit Migränekopfschmerzen aufwachen, profitieren von dieser Darreichungsform. Für sie ist es nämlich bereits „mitten“ in der Attacke häufig schon zu spät für die orale Einnahme eines Triptans. Bei der Verabreichung von Sumatriptan mit einem Akut-Pen kann der Wirkstoff jedoch bereits nach circa zehn Minuten wirken. Das hilft vielen Migränegeplagten, trotz ihrer Erkrankung in ihrem Alltag zu „funktionieren“ – auch wenn jeder Migräneanfall ein Signal für eine dringende Pause sein sollte. Patienten, die zunächst auf die Behandlung ansprechen, deren Migräne aber erneut auftritt, können innerhalb der nächsten 24 Stunden eine weitere Dosis anwenden, wenn seit der ersten Dosis mindestens zwei Stunden vergangen sind.

Neu: verringerte Wirkstoffmenge im Pen

Die sich bisher auf dem Markt befindlichen Sumatriptan-Autoinjektoren (z. B. Imigran® 6 mg – s. c. Kartuschen zum Auswechseln und Anwendung mit dem Glaxopen oder Sumatriptan 6 mg s. c. Hormosan® Fertigspritze [Einmalinjektor]) haben pro Pen eine Dosis von 6 mg Sumatriptan. Der seit Anfang Oktober auf dem deutschen Markt erhältliche MigraPen® enthält jedoch nur 3 mg Wirkstoff. In Studien zeigte sich in dieser geringeren Dosierung nur eine geringfügig verminderte Wirksamkeit bei jedoch weniger stark auftretenden Nebenwirkungen und damit einer deutlich besseren Verträglichkeit. Zu den typischen Nebenwirkungen der Triptane zählen beispielsweise Kribbeln, Flush, Schwindel, Engegefühl in der Brust, aber auch Müdigkeit.

Erklärungsbedürftige Arzneiform

Wie bei allen Arzneiformen zur subcutanen Injektion durch den Patienten selbst ist auch die Anwendung von Sumatriptan als Pen dem Patienten gut zu erklären. Vor der selbstständigen Durchführung einer subcutanen Injektion sollte immer eine persönliche Schulung des Patienten stattfinden. Möglichst vor der Abgabe eines entsprechenden Autoinjektors ist es empfehlenswert, sich in der Packungsbeilage die Handhabung genau anzuschauen, da sich diese je nach Pen unterscheiden kann. So ist der neu eingeführte MigraPen® beispielsweise ein nur einmal verwendbarer Fertigpen, während etwa der Glaxopen vor jeder Anwendung mit den entsprechenden Kartuschen frisch beladen werden muss. Zur Anwendung beider sollte eine Injektionsstelle mit ausreichender Fettschicht, beispielsweise im oberen Bereich des Oberschenkels oder am Oberarm, ausgewählt werden. Dabei darf die ausgewählte Hautstelle allerdings nicht verletzt, rot oder hart sein. Zur Vorbereitung der eigentlichen Injektion muss die gewählte Stelle der Haut mit einem Alkoholtupfer abgewischt und danach gewartet werden, bis die Haut getrocknet ist. Nach der Verabreichung zeigt beispielsweise bei der Anwendung des MigraPens® eine Blaufärbung des Kontrollfensters, dass die Injektion abgeschlossen ist. Die Einstichstelle soll nach der Verabreichung nicht gerieben werden und kann, wenn nötig, mit einem Pflaster abgedeckt werden.

Migränepatienten Mut machen

Gerade weil die Triptantherapie häufig so gut hilft, kann sie auch zu einem gefährlichen Übergebrauch führen. Patienten, die an mehr als zehn Tagen im Monat ein Triptan oder Analgetikum anwenden, laufen Gefahr, einen Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz (MÜK) zu entwickeln. Darum ist die anfangs erwähnte Migräneprophylaxe für diese Patienten, neben einer schnell und effektiv wirkenden Akuttherapie, so wichtig. Überdies eröffnet sie einigen schwer Betroffenen überhaupt erst die Möglichkeit, nicht medikamentöse Therapien umzusetzen, da sie durch die Migränereduktion erstmals wirklich Zeit dafür finden. Deshalb ist es wichtig, Migränepatienten in der Apotheke, die möglicherweise nicht optimal behandelt werden oder noch nie einen Arzt/Neurologen wegen ihrer Migräne konsultiert haben, anzusprechen und ihnen Mut zu machen, dass es auch für sie vielleicht eine neuere und vor allem bessere Therapie gibt.