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Leseprobe PTAheute 24/2020: Ruhe bewahren – Epileptischer Anfall

Foto: freestocks – Unsplash.com

Epileptische Anfälle haben unterschiedliche Erscheinungsformen. So kann es bei manchen Anfallsformen nur zu kurzen „Aussetzern“ des Bewusstseins kommen, die sowohl vom anfallskranken Menschen selbst als auch von seinem Umfeld nur schwer zu erkennen sind. Andere Anfälle zeigen sich in einem Zucken einzelner Gliedmaßen oder einer Körperhälfte, wieder andere Anfälle sind mit keinerlei Zuckungen verbunden, stattdessen verhalten sich die Betroffenen auffällig. Sie sind nicht ansprechbar, laufen unruhig umher oder machen stereotype Bewegungen. Bei solchen Anfällen besteht in der Regel keine Gefahr. Trotzdem kann der Betroffene verunsichert und ängstlich sein. Dann ist es wichtig, ihm beizustehen und Sicherheit zu geben.

Außer Kontrolle

Der als Grand mal bekannte tonisch-klonisch generalisierte Anfall bietet dagegen einen eher dramatischen Anblick. Es kommt zu einem Sturz infolge einer Verkrampfung des ganzen Körpers, der mit einem kurzen Atemstillstand verbunden ist und bei dem sich der Betroffene auf die Zunge beißen kann. Dem folgt eine Phase mit Zuckungen am ganzen Körper. Der Anfall dauert in der Regel wenige Minuten. Anschließend fallen die Patienten in einen tiefen Schlaf oder sind verwirrt. Oft bemerken Betroffene oder Angehörige Stunden bis Tage vor einem Anfall Stimmungs- und/oder Verhaltensveränderungen. Diese als „Prodomi“ bezeichneten Vorgefühle können sich in Unruhe, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Aggressivität, aber auch mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit äußern.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Festhalten des Krampfenden sollte unbedingt vermieden werden, um Verletzungen zu vermeiden. 
  • Bringen Sie den Betroffenen wenn nötig aus einer möglichen Gefahrensituation, wie beispielsweise von einer Straße. 
  • Nach Abklingen des Anfalls sollte der Betroffene in die stabile Seitenlage gelegt werden, um ihm das Atmen zu erleichtern. 
  • Sofern der Anfall länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle aufeinander folgen, muss ein Notarzt verständigt werden.

Nicht festhalten

Kündigt sich ein Anfall an, sollten Sie dem Betroffenen helfen, sich unverzüglich auf ein Sofa, Bett oder den Boden zu legen. Fällt er ohne Ankündigung um, sollte er aus einer möglichen Gefahrenzone entfernt werden, wie beispielsweise von einer Straße, Schienen, Wasser oder offenem Feuer. Um Verletzungen zu vermeiden, ergreifen Sie ihn hierfür am Oberkörper und nicht an den Armen und Beinen. Versuchen Sie nicht, die krampfartigen Bewegungen gewaltsam zu unterbinden, indem Sie den Betroffenen festhalten. Knochenbrüche könnten die Folge sein. 

Wichtig ist es, auf den Kopf des Betroffenen zu achten. Man kann beispielsweise etwas Weiches wie ein Kissen oder eine Jacke unter den Kopf legen. Damit sich der Krampfende während des Anfalls nicht verletzt, sollten gefährliche Gegenstände wie kleinere Möbelstücke sowie heiße, spitze, scharfe oder harte Gegenstände aus seinem Umfeld entfernt werden. Wenn notwendig, nehmen Sie ihm vorsichtig Scheren, Messer, Stifte oder Ähnliches aus der Hand und setzen ihm gegebenenfalls die Brille ab. Hält der Krampfende eine brennende Zigarette in der Hand, empfiehlt es sich, die Zigarette abzubrechen.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Sie können einem krampfenden Epileptiker am besten helfen, wenn Sie Ruhe bewahren.“ 
  • „Stürzt der Krampfende an einer Straße, bringen Sie ihn unverzüglich aus dem Gefahrenbereich. Dazu greifen Sie ihn am Oberkörper. Wenn nötig, lassen Sie sich von anderen Personen helfen.“ 
  • „Versuchen Sie nicht, den Krampfenden an den Armen und Beinen festzuhalten. Der Anfall kann dadurch nicht unterbrochen werden. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sich der Betroffene verletzt.“ 
  • „Schauen Sie auf die Uhr. Rufen Sie den Rettungsdienst, wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert.“

Atemwege freihalten

Beengende Kleidung am Hals sollte unbedingt gelockert werden. In manchen Fällen kann es passieren, dass sich der Betroffene auf die Zunge beißt. Trotzdem sollte ihm nicht gewaltsam der Mund geöffnet und etwas zwischen die Zähne gesteckt werden. Dies führt in der Regel zu größeren Verletzungen als ein vermeintlicher Zungenbiss. Nach Abklingen des Anfalls sollte der Betroffene in die stabile Seitenlage gebracht werden, um ihm das Atmen zu erleichtern und zu vermeiden, dass Speichel und Erbrochenes in die Luftröhre und die Lunge gelangen.

Auf die Uhr schauen

Dauert ein Anfall länger als fünf Minuten, sollte ein Notarzt gerufen werden. Es könnte sich um einen Status epilepticus handeln, der nicht von selbst endet und medikamentös behandelt werden muss. Der Rettungsdienst sollte außerdem alarmiert werden, wenn sich der Anfall im Abstand von einer Stunde wiederholt. Es könnte sich um eine Anfallsserie handeln, die ebenfalls medikamentös unterbrochen werden muss. Klagt der Betroffene nach dem Anfall über Atemprobleme oder bestehen Unsicherheiten, ob er sich äußere und innere Verletzungen und Knochenbrüche zugezogen hat, sollte ebenfalls der Rettungsdienst gerufen werden. Manche Epileptiker tragen Notfallmedikamente bei sich, damit Personen, die einen Anfall miterleben, diese nach Rücksprache mit einem Arzt einsetzen können.

Hilfe anbieten

Nach einem epileptischen Anfall kann es etwas dauern, bis der Betroffene wieder ansprechbar und orientierungsfähig ist. Daher warten Sie, bis sich die Person gesammelt und orientiert hat, und bieten Sie ihr Hilfe an. Bringen Sie den Betroffenen beispielsweise zu einer Sitzgelegenheit oder organisieren Sie die Heimfahrt. Außerdem ist es wichtig, seine Schamgefühle zu beachten und zu vermeiden, dass sich etwa bei einem Anfall in der Öffentlichkeit viele Menschen versammeln. In manchen Fällen kann es passieren, dass während des Anfalls ungewollt Urin abgeht. Hierfür kann eine Jacke oder Decke Wärme und Schutz bieten.