COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Besser geimpft & genesen als dreimal geimpft?: Wie Omikron bei Geimpften das Immunsystem „boostert“

Positiver Corona-Schnelltest
Trotz Impfung infizieren sich viele Menschen mit der Omikron-Variante von SARS-CoV-2. Doch bringt eine Infektion nach Impfung auch Vorteile mit sich, wie eine Studie nun zeigt. | Bild: JOE LORENZ DESIGN / AdobeStock

Geimpft und dennoch infiziert – Durchbruchinfektionen stehen vor allem seit Dominanz der Omikron-Variante auf der Tagesordnung. Es kann jeden treffen: zwei- oder dreimal Geimpfte, bereits Genesene, Immungesunde ebenso wie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. 

Milder Verlauf und dennoch frustriert

Die allermeisten Omikron-Infektionen verlaufen zwar glimpflich, Unmut macht sich dennoch breit, wenn man tagelang in Isolation muss. Manche fragen sich nun, ob die zwei oder drei Corona-Impfungen vielleicht „für die Katz“ waren und ob man sich künftig auch bei jeder neuen Corona-Variante erneut infiziert – schließlich adressieren die derzeit verfügbaren Corona-Impfstoffe ausschließlich die ursprüngliche Wuhan-Variante.

Omikron „boostert“ variantenübergreifend

Doch, wie Wissenschaftler um Jasmine Quandt von Biontech in Zusammenarbeit mit dem Virologischen Institut der Uniklinik Frankfurt am Main nun herausfanden, hat – rein immunologisch betrachtet – eine Ansteckung mit der SARS-CoV-2-Omikron-Variante bei bereits zwei- oder dreimal mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty® Geimpften auch etwas äußerst Gutes.

Omikron „boostert“ das Immunsystem, und zwar nicht nur gegen Omikron, sondern variantenübergreifend, das heißt auch gegen andere SARS-CoV-2-Varianten und sogar gegen SARS-CoV-1. Die Arbeit liegt derzeit als Preprint bei BioRxiv „Omicron breakthrough infection drives cross-variant neutralization and memory B cell formation“  vor.

Langlebige B-Gedächtniszellen: Informationsspeicher für Antikörper

Dass der Immunschutz gegen SARS-CoV-2 nach einer Infektion oder Impfung über die Zeit nachlässt, ist bekannt, sodass bereits jetzt von routinemäßigen Auffrischimpfungen ausgegangen wird. Durch den erneuten Antigenkontakt sollen diese eine „Erinnerungsimmunität“ auslösen, um dadurch den Schutz – auch vor neuen Varianten – aufrechtzuerhalten. 

Dabei spielen langlebige B-Gedächtniszellen eine entscheidende Rolle. Sie sind eine Art „Informationsspeicher“ für Antikörper, die der Körper benötigt, um die Infektion zu bekämpfen. Um genau diese B-Gedächtniszellen (und auch um neutralisierende Antikörper gegen einzelne Varianten von SARS-CoV-2) ging es in der Studie.

Geimpft vs. geimpft und Omikron-genesen

Die Wissenschaftler untersuchten dafür Blutproben von zwei- oder dreifach mit Comirnaty® Geimpften, die keine zusätzliche Corona-Infektion durchlebt hatten, und verglichen diese mit den Proben von zwei- oder dreifach mit Comirnaty® Geimpften, die sich fünf Monate oder vier Wochen (Median) nach Impfung mit Omikron angesteckt hatten (Durchbruchinfektion). Was machen die Durchbruchinfektionen mit dem Impfschutz?

Zusätzliche Omikron-Infektion „boostert“ gegen mehrere Varianten

Erwartungsgemäß waren die neutralisierenden Antikörpertiter bei lediglich zweifach Geimpften (Omikron-naiv, d. h. ohne Omikron-Infektion in der Vergangenheit) gegen die Beta- und Delta-Variante um etwa die Hälfte verringert und gegen Omikron „praktisch nicht nachweisbar“, erklären die Wissenschaftler. 

Dreifach mit Comirnaty®-Geimpfte verfügten über deutlich höhere und „robuste“ Antikörperwerte gegen Alpha, Beta und Delta. Gegen Omikron war die Antikörperantwort jedoch mit der der doppelt Geimpften vergleichbar.

Hingegen beeinflusste eine Omikron-Durchbruchsinfektion das Ausmaß und die Breite der neutralisierenden Antikörperreaktion „deutlich“, und das sowohl bei zweifach wie auch dreifach Geimpften. Verglichen mit lediglich doppelt Geimpften erhöhte eine zusätzliche Omikron-Infektion die Antikörpertiter um das 100-Fache (Omikron Subtyp BA.1) bzw. 35-Fache (Omikron Subtyp BA.2).

Zwei Impfungen plus Infektion ergeben höhere Antikörpertiter 

Eine Omikron-Infektion verbesserte bei doppelt Geimpften den Antikörperschutz gegen Beta und Delta sogar über das Maß der dreifach Geimpften (ohne Omikron-Infektion) hinaus. Dagegen wirkte sich eine Ansteckung mit Omikron bei dreifach Geimpften kaum auf die Antikörpertiter gegen Omikron aus (7-fach erhöhte Antikörpertiter gegen BA.1, 14-fach gegen BA.2 verglichen mit Omikron-naiven, dreifach Geimpften).

Durchbruchinfektion induziert Antikörper gegen SARS-CoV-1

Interessant ist auch die Beobachtung, dass Geimpfte (ohne Omikron-Infektion) keine oder nur geringe neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-1 aufweisen. Hingegen zeigten Geimpfte (zweifach, mehr noch dreifach) mit zusätzlicher Omikron-Infektion „robuste“ neutralisierende Antikörper auch gegen SARS-CoV-1.

Zur Erinnerung: Was ist SARS-CoV-1

SARS-CoV-1 ist ein Coronavirus, das für die SARS-Pandemie 2002/2003 verantwortlich zeichnete und sich von SARS-CoV-2 stärker unterscheidet als die einzelnen Varianten (z. B. Alpha, Beta, Delta, Omikron).

Omikron-Infektion verstärkt langlebige B-Gedächtniszellen

Im nächsten Schritt wollten die Wissenschaftler mehr darüber erfahren, wie sich eine Durchbruchinfektion auf die B-Gedächtniszellen auswirkt, die bei erneutem Viruskontakt rasch eine Antikörperproduktion ankurbeln. 

Erwartungsgemäß sind B-Gedächtniszellen, anders als Antikörper, kurz nach Impfung noch wenig vorhanden und erhöhen sich dann über die Zeit. Fünf Monate nach der zweiten Impfdosis erreichten die B-Gedächtniszellen Konzentrationen, die ähnlich hoch waren wie direkt nach einer dritten Impfdosis. 

Auch in diesem Teil der Immunabwehr wirkte sich eine zusätzliche Omikron-Infektion günstig aus: Sowohl zwei- wie auch dreifach Geimpfte, die sich zusätzlich mit der Omikron-Variante angesteckt hatten, verfügten über mehr langlebige B-Gedächtniszellen als Personen, die nur dreimal geimpft worden waren.

B-Gedächtniszellen gegen die Schlüsseldomäne

Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass die langlebigen B-Gedächtniszellen bei Omikron-naiven Geimpften eher das Spikeprotein von Omikron BA.1 erkennen. Bei bereits mit Omikron infiziert gewesenen Personen erkannten diese dagegen stärker die Rezeptorbindedomäne. Das deute darauf hin, dass eine Omikron-Durchbruchinfektion die Erkennung der Rezeptorbindedomäne verbessert, schlussfolgern die Wissenschaftler. 

Gut zu wissen: Was ist die Rezeptorbindedomäne?

Damit das Virus in die menschliche Zelle gelangen kann, ist das Spikeprotein von SARS-CoV-2 notwendig. Doch betrifft dies nicht das gesamte Spikeprotein, sondern nur bestimmte Strukturen, die an den Rezeptor auf der menschlichen Zelle (ACE2) binden können. Diese Strukturen werden als Rezeptorbindedomäne bezeichnet.

Breite Immunität gegen viele Corona-Varianten

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Omikron-Durchbruchsinfektion bei geimpften Personen nicht nur die neutralisierende Aktivität und die langlebigen B-Gedächtniszellen gegen Omikron steigert, sondern auch die Immunität gegen verschiedene besorgniserregende Varianten allgemein verstärkt“, erklären die Wissenschaftler. Sie haben auch Erklärungen dafür, wie diese „breite Immunität“ erreicht wird.

Plastizität des Immunsystems bleibt erhalten

So könne eine Impfung gegen das Spikeprotein des Wuhan-Stammes nur bestimmte B-Gedächtniszellen geprägt haben und dadurch die Bildung neuer B-Zell-Antworten gegen Omikron verhindern, überlegen sie. 

Eine Durchbruchinfektion mit Omikron erweitere sodann bei doppelt geimpften Personen den bereits bestehenden Pool an B-Gedächtniszellen, und zwar ähnlich wie eine dritte Impfdosis – wobei sich die Immunantworten nach Durchbruchinfektion und dritter Impfung unterschieden. Dennoch bleibt die Fähigkeit des Immunsystems erhalten, trotz Prägung durch eine Impfung auf neue Varianten angemessen zu reagieren.

Verlängerter Antigenkontakt durch schlechte Neutralisierung von Omikron?

Eine zusätzliche Omikron-Infektion erhöhe zudem „ausgeprägt“ die neutralisierenden Antikörpertiter sowohl gegen Omikron als auch gegen alte und neue SARS-CoV-2-Varianten, vor allem bei doppelt geimpften Personen. 

Dass eine Durchbruchinfektion bei doppelt geimpften Personen eine stärkere neutralisierende Antikörperreaktion auslöst als die dritte Impfstoffdosis, lässt sich den Wissenschaftlern zufolge „möglicherweise durch eine schlechte Neutralisierung der Omikron-Variante in der Anfangsphase der Infektion“ erklären. Dies sorge dann möglicherweise für eine längere Exposition mit dem veränderten Spikeprotein und dadurch im Folgenden zu einer besseren Antikörperantwort.

B-Gedächtniszellen, die Antikörper gegen nicht mutierte Strukturen bei Omikron

Als zweite Erklärung für eine verbesserte Immunantwort nach zusätzlicher Infektion führen die Wissenschaftler die Beobachtung an, dass eine Omikron-Infektion vor allem langlebige B-Gedächtniszellen gegen die Rezeptorbindedomäne (nicht nur gegen das Spikeprotein, siehe oben) stimuliert.

„Die RBD ist die Schlüsseldomäne des S-Proteins, die an den SARS-CoV-2-Rezeptor ACE2 bindet und mehrere neutralisierende Antikörper-Bindungsstellen beherbergt – darunter auch einige Regionen, die von Omikron-Mutationen nicht betroffen sind.“ Das könne den Immunschutz wiederherstellen, indem B-Gedächtniszellen zur Produktion von Antikörpern angeregt würden, die Strukturen erkennen, die in Omikron unverändert sind.

Breite Antikörper-Antwort gegen konservierte Antigene

Zudem finden es die Wissenschaftler bemerkenswert, dass eine zusätzliche Omikron-Infektion Antikörper hervorruft, die auch SARS-CoV-1 „robust“ neutralisieren. Dies könne darauf hindeuten, dass eine Omikron-Infektion bei geimpften Personen auch langlebige B-Gedächtniszellen stimuliert, die Antikörper gegen Epitope bilden, die in den SARS-CoV-1- und SARS-CoV-2-Familien unverändert seien. Grund dafür könnte sein, dass Omikron begünstigt, dass Antikörper gegen genau diese „hochkonservierten“ Antigene gebildet werden.

Das Fazit

So ärgerlich Omikron-Durchbruchinfektionen also sein mögen, erhöhen sie zumindest bei zwei- und dreifach mit Comirnaty® Geimpften variantenübergreifend die neutralisierenden Antikörper und B-Gedächtniszellen. 

Der Effekt zeigte sich vor allem bei doppelt Geimpften und sodann Genesenen. Weniger stark ausgeprägt war er dagegen nach dreifacher Impfung plus zusätzlicher Omikron-Infektion. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man besser auf eine Infektion hofft, als sich boostern zu lassen. Auch dreifach Geimpfte „profitierten“ immunologisch gesehen noch von der Omikron-Infektion.

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