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Reformpläne für den Apothekenmarkt: ABDA holt zum Konter gegen Spahns Apothekenpläne aus

Bild: DAZ.online

Vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung der ABDA am vergangenen Donnerstag saßen die Apotheker gewissermaßen in der Klemme: Sie waren konfrontiert mit einem Vorschlag des Bundesgesundheitsministers, der einerseits viele Verbesserungen mit sich bringen würde, auch im finanziellen Sinne. Andererseits müssten die Apotheker beim Spahn-Plan zumindest teilweise die Rx-Preisbindung aufgeben, die sie mit aller Kraft verteidigen. Denn Spahn will EU-Versendern einen gesetzlich etablierten Boni-Deckel erlauben, den Marktanteil der EU-Versender aber kontrollieren.

Nachdem sich in den vergangenen Wochen schon abzeichnete, dass die Apotheker lieber das gesamte Spahn-Paket aufgeben würden, als den Boni-Deckel zu schlucken, ist die ABDA-Mitgliederversammlung heute in eine Gegenoffensive eingetreten. Die aus etwa 140 Vertretern von Kammern und Verbänden bestehende Versammlung formulierte kurzerhand ein eigenes Eckpunktepapier, das nun aktiv der Politik auf Landes- und Bundesebene vorgestellt werden soll.

Das Papier enthält sechs Punkte und ähnelt den Vorschlägen des Ministers in weiten Teilen. Insbesondere die Verdoppelung der Notdienstpauschale und die Honorar-Verbesserungen im BtM-Bereich sowie die Einführung und Vergütung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen wurde fast wortgleich übernommen. Große Unterschiede gibt es aber bei den Vorstellungen zur Regelung der von den EU-Versendern gewährten Rx-Boni. Statt des Spahn‘schen Boni-Deckels will die ABDA Rx-Boni komplett verbieten. Die ABDA will die Arzneimittelpreisverordnung dafür ins SGB V überführen, um das Boni-Verbot juristisch sicherer zu machen. Während Spahn die PKV-Versicherten ausließ, will die ABDA das Boni-Verbot auch für Privatversicherte verankern. Und noch eine Kleinigkeit: Der Minister will, übrigens wie sein Vorgänger, die Apotheken-Botendienste genauer definieren. Die ABDA möchte das aber nicht und lässt eine Äußerung zum Thema Botendienste ganz weg. 

Hier sind die von der ABDA vorgeschlagenen Punkte im Detail:

Das ABDA-Papier im Wortlaut

1. Gewährleistung der Gleichpreisigkeit 

  • Keine Veränderung des Anwendungsbereichs der Arzneimittelpreisverordnung 
  • Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung in § 129 SGB V (uneingeschränkte Geltung im GKV-Bereich) 
  • Verbot der Gewährung von Boni in der GKV mit Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Krankenkassen 
  • Verbot der Gewährung von Boni an Privatversicherte/Selbstzahler 
  • Die Zuwendungsverbote sollen sozialrechtlich und wettbewerbsrechtlich verfolgbar sein. 

2. Förderung pharmazeutischer Dienstleistungen 

  • Einrichtung eines Fonds für die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen (mindestens 240 Mio. Euro netto p.a.) 
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erbringung pharmazeutischer Dienstleistungen 
  • Definition der Dienstleistungen durch die Apothekerschaft 

3. Gesetzliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der freien Apothekenwahl 

  • Verbot von Einzelverträgen mit Krankenkassen mit abweichenden Preisen 
  • Verbot der Begünstigung der Versicherten durch die Krankenkasse bei Bezug im Ausland 
  • Beeinflussungsverbot für gesetzliche Krankenkassen und Bekräftigung der freien Apothekenwahl 
  • Verbot des „Makelns“ von Verschreibungen/Sicherstellung der freien Apothekenwahl auch nach flächendeckender Etablierung der elektronischen Verschreibung 

4. Zwingende Mitgestaltung und Mitbestimmung durch die Apothekerschaft bei der Etablierung digitaler Strukturen im Bereich der Arzneimittelversorgung (z.B. E-Rezept) 

5. Aufstockung der Finanzmittel des Nacht- und Notdienstfonds auf 240 Mio. Euro (netto) 

6. Erhöhung der Gebühr bei der Abgabe dokumentationspflichtiger Arzneimittel, insbesondere Betäubungsmittel, um 15 Mio. Euro p.a.

Schmidt: Preisbindung auch in Deutschland in Gefahr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kündigte nach der Mitgliederversammlung an, dass die Punkte in den kommenden Tagen und Wochen weiter ausformuliert würden. Beispielsweise wolle man erstmals genauere Pläne vorlegen, welche pharmazeutischen Dienstleistungen in Apotheken angeboten werden könnten. Schmidt sagte auch, dass die Mitgliederversammlung in den Bereichen E-Rezept und „Eingang der Versorgung in die digitale Welt“ über das Spahn-Paket hinausgehende Maßnahmen formuliert habe. Welche das sind, blieb aber offen: Das bislang vorgelegte ABDA-Papier enthält dazu keine Angaben.

Schmidt kann sich auch durchaus vorstellen, dass Spahn auf das von der ABDA vorgeschlagene Boni-Verbot eingehen würde, statt auf seinem Boni-Deckel für EU-Versender zu bestehen. Der Minister habe noch im Dezember deutlich gemacht, dass er diese Sonderregelung für EU-Versender nur deshalb einführen wolle, um eine Lösung zu haben, die nicht beklagt wird. Doch mittlerweile habe der Bundesverband Deutscher Versandapotheken deutlich gemacht, dass er in jedem Fall gegen die Bonifizierung für ausländische Versandapotheken vor dem Bundesverfassungsgericht klagen würde. Daher sei Spahns Ziel ohnehin nicht mehr zu erreichen. „Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er unter diesen neuen Bedingungen noch einmal darüber nachdenkt, ob es nicht sinnvoll ist auf die Sonderregelung für EU-Versender zu verzichten“, so Schmidt.

Insgesamt zeigte sich der ABDA-Präsident überzeugt, „ein im Sinne der Patienten zukunftssicheres und innovatives Angebot“ vorgelegt zu haben. Es werde wieder eine Wettbewerbssituation herstellen, wie sie vor dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung bestanden hat. Die Präsenzapotheke werde gestärkt und der Versandhandel könne weiter existieren – aber ohne unzulässigen Wettbewerbsvorteil. „Und vor dieser Auseinandersetzung haben wir auch keine Angst“, erklärte Schmidt.

Schmidt: Spahn-Plan wäre kontraproduktiv gewesen

Zur Kommentierung des Spahn-Pakets sagte Schmidt nicht viel. Er wies lediglich darauf hin, dass es in „wesentlichen Punkten“ mit den Vorstellungen der Apotheker übereinstimme, aber „eine entscheidende Schwäche“ habe. Denn auch Spahn habe wie die Apotheker mehrfach das Ziel formuliert, für einheitliche Apothekenabgabepreise sorgen zu wollen. Insofern verfehle sein Plan das Ziel, so der ABDA-Präsident. Und noch mehr: Es sei sogar „kontraproduktiv“, weil die Gefahr bestehe, dass auch die deutsche Rx-Preisbindung damit aufbreche.

Schmidt erklärte vage, dass er hoffe, dass die Eckpunkte der ABDA bis zum Sommer dieses Jahres umgesetzt werden könnten. Für den Fall, dass Spahn seinen Boni-Deckel durchsetzen will, ist sich die ABDA aber sicher, was passieren soll: 

Für den Fall, dass der Gesetzgeber keine Maßnahmen trifft, mit denen die (...) Ziele erreicht werden können, hält die Mitgliederversammlung an ihrer Forderung, verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versandhandel auszuschließen, fest. 

Beschluss der ABDA-MV