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Neue Arzneimittel-Festbeträge ab 1. Juli 2020: Achtung: Höhere Zuzahlungen und Lagerwertverlust

Ab 1. Juli ändern sich die Festbeträge. Dadurch müssen Kassenpatienten voraussichtlich höhere Zuzahlungen leisten. | Bild: imago images / Westend61

„Schuld“ sind abgesenkte Festbeträge

Fünf bis zehn Euro pro verordnetem Arzneimittel müssen Apotheken ab dem 1. Juli 2020 für die gesetzlichen Krankenkassen einziehen, für die bisher keine Zuzahlungen angefallen waren. Der Grund für die Zuzahlungen ist das Absenken sogenannter Festbeträge, auch Erstattungshöchstbeträge genannt, für verschiedene Wirkstoffe. Von der Absenkung versprechen sich die gesetzlichen Krankenkassen jährliche Einsparungen in Millionenhöhe. Senken die pharmazeutischen Hersteller ihre Preise für die betroffenen Wirkstoffe nicht parallel ab, kann plötzlich eine Zuzahlungspflicht für die Patienten entstehen.

Zur Erinnerung: Was ist ein Festbetrag?

Der Festbetrag eines Arzneimittels ist der maximale Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für dieses Arzneimittel bezahlen. Ist sein Verkaufspreis höher als dieser Festbetrag, tragen Patienten in der Regel die Differenz zum Festbetrag entweder selbst oder sie erhalten ein anderes – therapeutisch gleichwertiges – Arzneimittel ohne Aufzahlung.

Zunächst bestimmt der G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss; höchstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen; bestimmt welche medizinischen Leistungen die gesetzlich Versicherten beanspruchen können) Wirkstoffgruppen, für die Festbeträge festgelegt werden können. Sogenannte Festbetragsgruppen enthalten nur Wirkstoffe und keine Namen von Fertigarzneimitteln. Bei den Festbetragsgruppen gibt es verschiedene Stufen:

  • Stufe 1: Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen,
  • Stufe 2: Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen und
  • Stufe 3: Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen.

Der G-BA ermittelt daraufhin die notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen, die in die spätere konkrete Errechnung der Festbeträge mit einfließen.

Diese Wirkstoffe sind ab 1. Juli 2020 betroffen

Der GKV-Spitzenverband hat die Festbeträge in einigen Festbetragsgruppen der Stufe 1 mit Wirkung zum 1. Juli 2020 angepasst. Zu den betroffenen Arzneimitteln zählen unter anderem Statine, die zur Cholesterinsenkung eingesetzt werden mit den Wirkstoffen Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pitavastatin, Rosuvastatin und Simvastatin. Auch häufig von Ärzten verordnete Kombinationen von ACE-Hemmern (Delapril, Enalapril, Perindopril, Ramipril, Trandolapril) mit Calciumkanalblockern (Manidipin, Lercanidipin, Nitrendipin, Amlodipin, Felodipin, Verapamil) gehören dazu. Daneben noch Protonenpumpenhemmer in abgeteilten oralen Darreichungsformen mit den Wirkstoffen Dexlansoprazol, Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol und Rabeprazol sowie „andere Antianämika“ in parenteralen Darreichungsformen mit den Wirkstoffen Darbepoetin, Erythropoetin und PEG-Erythropoetin. Daneben werden auch die Festbeträge der Prostaglandin-Analoga in Augentropfen mit den Wirkstoffen Bimatoprost, Latanoprost, Tafluprost und Travoprost angepasst.

Wann entfällt die Zuzahlung?

Jeder gesetzlich Versicherte in Deutschland muss einen Teil des Arzneimittelpreises eines auf GKV-Rezept verordneten Medikamentes selbst als sogenannte Zuzahlung tragen. So sieht es § 61 SGB V vor. Diese Zuzahlung beläuft sich auf zehn Prozent des Arzneimittelpreises, mindestens aber fünf und höchstens zehn Euro pro Medikament. Kostet das Medikament weniger als fünf Euro, trägt der Patient die Kosten selbst.

Beispiele:

  • Kostet ein Medikament 10 Euro, zahlt der Patient 5 Euro.
  • Kostet ein Medikament 75 Euro, zahlt der Patient 7,50 Euro.
  • Kostet es 400 Euro, zahlt er 10 Euro.
  • Kostet es 4,75 Euro, zahlt er 4,75 Euro.

Manchmal kommt es vor, dass Patienten für bestimmte Präparate keine Zuzahlung leisten müssen, obwohl sie „gebührenpflichtig“ sind. Nämlich dann, wenn der Abgabepreis des Herstellers 30 Prozent unter dem Festbetrag, sprich dem Erstattungshöchstbetrag der Krankenkassen, liegt. Dann entfällt die gesetzliche Zuzahlung des Patienten zu diesem Arzneimittel. Korrigiert nun der GKV-Spitzenverband diese Erstattungsbeträge nach unten, entfällt die 30-Prozent-Klausel. Der Patient zahlt wieder ganz normal zu.

Wann entstehen Mehrkosten?

Sogenannte Mehrkosten, die der Patient tragen muss entstehen dann, wenn der pharmazeutische Unternehmer die Festbetragsanpassung „seines“ Präparates seitens der GKV nicht zum Anlass nimmt, den Preis des Arzneimittels nach unten zu korrigieren. Die entstehende Differenz zwischen dem Erstattungsbetrag der GKV und dem Arzneimittelpreis trägt der Patient.

Verbände warnen auch vor Lagerwertverlusten

Einige Apothekerverbände wie beispielsweise die von Schleswig-Holstein und Hamburg haben ihre Mitglieder kürzlich in einem Rundschreiben auf die anstehenden Festbetragsänderungen hingewiesen. Demnach könnten sich aus den Änderungen gravierende Lagerwertverluste ergeben zu deren Ausgleich die Hersteller nicht verpflichtet seien. Deshalb sollte in den Apotheken darauf geachtet werden, das Lager bis zum 1. Juli 2020 entsprechend zu optimieren und die Herstellerpreisänderungen im Auge zu behalten, raten die Verbände.