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Unterstützen E-Zigaretten die Tabakentwöhnung?

Junger Mann greift zur E-Zigarette statt zu Zigaretten
Wissenschaftler stellen fest: Von 100 Rauchern gelang es im Mittel zehn Personen, mit Hilfe von nikotinhaltigen E-Zigaretten das Rauchen (Tabak) aufzuhören. | Bild: snowing12 / AdobeStock

Helfen E-Zigaretten bei der Entwöhnung von Tabakzigaretten? Diese Frage versuchen Wissenschaftler bereits seit Jahren zu beantworten. So auch Forschende in der Schweiz, die ihre Erkenntnisse jüngst in „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht haben.

Studie: Abstinenz in 6 Monaten mit E-Zigaretten?

Das Team um Dr. Reto Auer vom University Hospital in Bern hat für eine offene, kontrollierte Studie 1.246 Personen, die über mindestens ein Jahr mindestens fünf Tabakzigaretten pro Tag rauchten und damit aufhören wollten, per Zufall auf zwei Gruppen aufgeteilt. 

Die Kontrollgruppe erhielt eine Entwöhnungsberatung und einen Gutschein, den sie für eine Nikotinersatztherapie anwenden konnte. Die zweite Gruppe erhielt ebenfalls eine Beratung sowie kostenlose E-Zigaretten und E-Liquids, optional konnten sie auch noch eine (nicht kostenlose) Nikotinersatztherapie machen.

Primärer Endpunkt der Studie war eine biochemisch validierte, kontinuierliche Abstinenz vom Rauchen nach sechs Monaten. Gesichert wurde diese per Urintest. Sekundäre Endpunkte waren Angaben der Teilnehmenden zu Tabak- und Nikotin-Abstinenz nach sechs Monaten sowie Atemwegsbeschwerden oder schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (z. B. Krankenhausaufenthalt).

E-Zigaretten helfen bei Tabakentwöhnung

Es zeigte sich, dass deutlich mehr Teilnehmende der Interventionsgruppe (28,9 %) im Vergleich zur Kontrollgruppe (16,3 %) kontinuierlich Tabak-abstinent waren. Bei der Untersuchung nach sechs Monaten wurden alle Teilnehmenden auch zu ihrem Konsum von Tabakzigaretten und E-Zigaretten in den sieben Tagen vor der Untersuchung und zu der Nutzung einer Nikotinersatztherapie in den 24 Stunden vor der Untersuchung befragt. 

Hierbei gaben 59,6 % der Teilnehmenden aus der Interventionsgruppe und 38,5 % aus der Kontrollgruppe an, Tabak-abstinent zu sein. Dagegen berichteten jedoch nur 20,1 % aus der Interventionsgruppe gegenüber 33,7 % aus der Kontrollgruppe, auch kein Nikotin mehr zu rauchen.

Die Studienautoren schlussfolgerten: E-Zigaretten als zusätzliche Maßnahme zu einer Entwöhnungsberatung führten bei mehr Rauchern zu einer Tabak-Abstinenz als eine Beratung allein.

Cochrane untersuchte Wirkung von E-Zigaretten

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam bereits 2020 ein Cochrane-Review. Auch Cochrane wollte herausfinden, ob E-Zigaretten die Raucher bei der Entwöhnung unterstützen könnten. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse unter „Electronic cigarettes for smoking cessation” am 14. Oktober 2020 in der Cochrane-Database.

Zur Erinnerung: Cochrane – was ist das?

Cochrane ist ein internationales Forschungsnetzwerk, das systematische Übersichtsarbeiten (Reviews) zu konkreten medizinischen Fragen oder zu Fragen aus anderen Gesundheitswissenschaften erstellt. 

Mit nikotinhaltigen E-Zigaretten rauchfrei über sechs Monate

Ihr Ergebnis: Nikotinhaltige E-Zigaretten könnten mehr Menschen helfen, für mindestens ein halbes Jahr das Rauchen von Tabakzigaretten aufzuhören als andere Nikotinersatzprodukte oder nikotinfreie E-Zigaretten. 

Auch waren nikotinhaltige E-Zigaretten bei der Entwöhnung erfolgreicher als eine Verhaltenstherapie oder wenn Raucher gar keine Unterstützung nutzten. Von 100 Rauchern gelang es im Mittel zehn Personen, mithilfe von nikotinhaltigen E-Zigaretten das Rauchen (Tabak) aufzuhören. 

Nutzten die Raucher stattdessen eine Nikotinersatztherapie oder nikotinfreie E-Zigaretten, schafften es sechs Personen. Verzichteten die Raucher auf jegliche Unterstützung oder nutzten eine Verhaltenstherapie, waren vier von 100 Personen erfolgreich beim Rauchstopp über sechs Monate.

Nur kleine Anzahl von Studien

Die Wissenschaftler schränkten die Aussagekraft dieser Cochrane-Analyse jedoch ein: Ihre Ergebnisse basierten auf einer kleinen Anzahl von Studien, bei denen die Daten zum Teil stark variierten. Sie berücksichtigten in ihrer Auswertung 50 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 12.430 Rauchern. Die Untersuchungen verglichen E-Zigaretten mit 

  • einer Nikotinersatztherapie, wie Pflaster oder Kaugummis,
  • mit Vareniclin (Champix®),
  • nikotinfreien E-Zigaretten,
  • Verhaltenstherapie,
  • keiner Unterstützung beim Entzug.

In manchen Studien nutzten die Raucher E-Zigaretten zusätzlich zu einer Nikotinersatztherapie. Die Studien fanden vor allem in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Italien statt, keine wurde in Deutschland durchgeführt.

Andere Daten – wie eine 2016 im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichte Übersichtsarbeit – zeigten jedoch das Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen aufzuhören, war bei denjenigen, die E-Zigaretten verwendeten, um 28 Prozent geringer als bei denjenigen, die keine E-Zigaretten nutzten. 

E-Zigaretten seien bei Rauchern nicht unbedingt mit einer Rauchentwöhnung assoziiert gewesen, so die Wissenschaftler in „The Lancet“. 

Aus diesem Grund lehnt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin „E-Zigaretten als Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung bzw. im Sinne einer harm reduction entschieden ab“. Entwöhnungswilligen Rauchern sollte immer eine verhaltenstherapeutisch basierte Entwöhnungstherapie angeboten werden. Quellen:
www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD010216.pub4/full/de
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2308815
www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(15)00521-4/fulltext