COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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EMA empfiehlt Biontech/Pfizer-Impfstoff zur Zulassung

Grün behandschuhte Hand hält Muster-Vial des Biontech-Impfstoffs
Auch die EMA empfiehlt die Zulassung für die Corona-Vakziene von Biontech/Pfizer. | Bild: imago images / Sven Simon 

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt die bedingte Zulassung des Corona-Impfstoffs der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharmariesen Pfizer in der EU. Das teilte die Behörde am heutigen Montag (21.12.2020) in Amsterdam mit. Im nächsten Schritt muss die EU-Kommission über die Verwendung des Präparats für alle Mitgliedsländer entscheiden – das gilt als Formsache und könnte noch heute geschehen. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter schreibt, erwarte sie eine Entscheidung bis zum Montagabend.

Nach der Zulassung durch die EU-Kommission will Deutschland ab dem 27. Dezember mit Impfungen starten. In den Tagen dazwischen will das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Impfchargen prüfen und freigeben.

Update: EU-Kommission erteilt Zulassung

Am Montagabend erteilte die EU-Kommission dem Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen gegen das Coronavirus jetzt auch in der EU beginnen. Quelle: dpa/sn 

Zulassungsstatus: Eine Frage der Haftung

Erteilt die Europäische Kommission BNT162b2 die bedingte Zulassung, wäre dies die zweite Nicht-Notfallzulassung der Vakzine weltweit. Am Samstag hatte die Schweiz als erstes Land dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine „ordentliche“ Zulassung erteilt.

Eine bedingte Zulassung stellt die gleichen Anforderungen an Sicherheit und Wirksamkeit wie eine reguläre Zulassung. Sie ist jedoch zunächst auf ein Jahr befristet, fehlende Unterlagen (z. B. Daten zur Langzeitwirkung) müssen nachgereicht werden. Sind alle Auflagen erfüllt, geht die bedingte Zulassung in eine reguläre über. Die Haftung liegt hier beim Zulassungsinhaber. Im Gegensatz dazu wird bei einer Notfallzulassung erlaubt, dass ein nicht genehmigtes Arzneimittel angewendet werden darf, die Haftung liegt hier beim Staat.

Wie viele Impfdosen erhält Deutschland?

Anfänglich soll es rund 400.000 Dosen des Mittels BNT162b2 von Biontech/Pfizer geben. Im Januar könnten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums drei bis vier Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Im ersten Quartal rechnet Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit 11 bis 13 Millionen Impfdosen. Da das Präparat zweimal verabreicht werden muss, würde diese Menge in etwa für 5,5 bis 6,5 Millionen Menschen reichen. 

Wie wird der Impfstoff deutschlandweit verteilt?

Der Bund lässt das Präparat je nach Bevölkerungsanteil an insgesamt 27 feste Standorte in den Bundesländern liefern. Ab dann sind die Länder für Lagerung und Verteilung sowie die Beschaffung von Impfzubehör wie Lösungsmittel, Spritzen und Kanülen zuständig.

Wo wird der Impfstoff produziert? Wie lange dauert das?

Biontech will mit seinem US-Partner noch in diesem Jahr weltweit 50 Millionen Dosen liefern. 2021 sollen dann bis zu 1,3 Milliarden hergestellt werden – etwa in Mainz, Idar-Oberstein und Marburg. Aus der Produktionsanlage in Marburg sollen im ersten Halbjahr bis zu 250 Millionen Dosen kommen. Die Herstellung des Impfstoffs dauere eine Woche, heißt es vom Unternehmen. Qualitätskontrolle und Freigabe benötigten dann weitere drei Wochen. Zudem haben Biontech wie auch andere Hersteller schon vor einer Zulassung auf Halde produziert.

Anlaufschwierigkeiten möglich

Jens Spahn stellte die Bürger auf Anlaufschwierigkeiten bei den Impfungen ein. „Es wird am Anfang ruckeln“, sagte er am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“. „Wir sind bestmöglich vorbereitet, aber jetzt wird's konkret.“ Beim Hochfahren der Impfzentren werde es darauf ankommen, miteinander zu lernen. Großbritannien habe in den ersten zwölf Tagen 300.000 Menschen impfen können. „Das werden wir auch in den ersten Tagen erreichen können“, so Spahn.

Wie kommt man zu einer Impfung?

Da in den ersten Wochen noch nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen wird, regelt die am 18. Dezember unterzeichnete Coronavirus-Impfverordnung des Bundes die genaue Priorisierung. Gemäß dieser Verordnung sollen zu Beginn Ältere über 80 Jahre und Pflegeheimbewohner zum Zuge kommen können, zudem Personal etwa in Notaufnahmen oder Corona-Stationen sowie in der Altenpflege. Insgesamt umfasst diese Gruppe der Ständigen Impfkommission (STIKO) zufolge rund 8,6 Millionen Menschen. Zu denen, die am wenigsten dringlich zu impfen sind, gehören im Allgemeinen Menschen unter 60 Jahre, die weder Vorerkrankungen haben noch mit Risikopatienten in Kontakt kommen oder berufsbedingt viele Menschen treffen. Das entspricht etwa 45 Millionen Menschen.

Um als anspruchsberechtigte Person den Impfstoff zu erhalten, muss vorab ein Termin vereinbart werden. Allerdings gibt es diesbezüglich in Deutschland starke Unterschiede, denn die Terminvergabe regeln die Bundesländer. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist geplant, dass neben einer App die telefonische Anmeldung über die bundesweit einheitliche Nummer 116117 oder auch direkt in größeren Impfzentren erfolgen kann. Niedersachsen wiederum hat eine landeseigene Hotline. Manche Länder schreiben ihre Bürger auch direkt an.

Wie effektiv ist die Impfung?

Eine erste Impfung bringt dem PEI-Präsidenten Klaus Cichutek zufolge eine Grundimmunisierung. Nach drei bis vier Wochen erfolgt eine zweite Impfung. Voraussichtlich zwei bis drei Wochen danach sei voller Schutz aufgebaut. Den bisherigen Analysen und Tests zufolge schützt das Biontech-Serum wohl mit 95-prozentiger Wirkung vor einer COVID-19-Erkrankung.

Können Geimpfte andere mit dem Coronavirus anstecken?

Möglich, aber weniger wahrscheinlich. PEI-Präsident Cichutek zufolge kann man sich auch nach einer Impfung noch anstecken – das Risiko sei aber deutlich reduziert. Das gilt auch für die Weitergabe von Viren. Zu einem letzten Urteil ist die Forschung hier noch nicht gekommen. Experten gehen davon aus, dass es noch leichte Corona-Symptome geben könne, aber keine schweren Krankheitsverläufe mehr. Auf jeden Fall wird dazu geraten, auch nach der Impfung weiter Abstand zu halten, Hände zu waschen und Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen.

Mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen?

Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle – auf mögliche, übliche Impf-Nebenwirkungen muss man sich einstellen. Das geht aus einer jüngst im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat hervor. Für die Studie wurden knapp 45.000 Männer und Frauen untersucht. Weitere Symptome: Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen, teilweise auch Fieber. Diese waren im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab. Nicht angenehm, aber auch kein Anlass für größere Bedenken, sagen Impfexperten.

Nebenwirkungen melden

Die Verträglichkeit des Impfstoffs wird auch nach der Zulassung weiter überprüft. Dafür setzt das zuständige Paul-Ehrlich-Institut auf Meldungen von Herstellern, Ärzten, Apotheken, aber auch von Patienten. Der einfachste Weg führt über die Plattform „nebenwirkungen.bund.de“. Über eine Melde-App soll es zudem eine Beobachtungsstudie geben. Wer mitmacht, werde „mehrfach kontaktiert und um Angaben zu möglichen Reaktionen gebeten“, teilte eine PEI-Sprecherin der dpa mit.

Wird es eine Impfpflicht geben?

Eine allgemeine Impfpflicht hat die Bundesregierung klar ausgeschlossen. Auch für Berufsgruppen in Medizin und Pflege steht sie bisher nicht zur Debatte. Der Gießener Jura-Professor Steffen Augsberg, Mitglied im Deutschen Ethikrat, wollte ein solches Vorgehen in einem Interview des SWR aber nicht ausschließen: Wenn sich mit anderen Maßnahmen das Infektionsgeschehen zum Beispiel auf Intensivstationen nicht in den Griff bekommen lasse, „dann kann man darüber nachdenken, ob es insoweit eine bereichsbezogene Impfpflicht geben kann“. Eine solche Option liege aber in weiter Ferne.

Manche befürchten, dass sie ohne eine Corona-Impfung nicht mehr vollständig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, weil etwa Geschäfte oder Restaurants den Zutritt ohne Nachweis einer Immunität verwehren. Mit Blick auf private Besitzer und Veranstalter sagte Andrea Kießling, Expertin für Infektionsschutzrecht an der Ruhr-Uni Bochum, dem SWR: „Wir können die nicht zwingen, dass sie auch mit Ungeimpften Geschäfte machen.“ Umstritten bleibt zunächst, ob und wie etwa Restaurantbetreiber eine Immunität kontrollieren könnten. Jurist Augsberg hält „die bloße Variante, dass ich vorzeige, dass ich zum Beispiel geimpft bin, ohne dass das in weiterer Form überprüft oder mir zugeordnet wird“, für unproblematisch.

Quelle: dpa/sn/cm 

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