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Corona-Pandemie
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Erstes Arzneimittel bei schwerer COVID-19-Erkrankung in Europa: EU lässt Remdesivir zu

Aufnahme des Gilead-Standortes
Pharmahersteller Gilead erhielt für Remdesivir nun auch die Zulassung in der EU. Das Virustatikum ist damit das erste zugelassene Medikament gegen COVID-19. | Bild: IMAGO / UPI Photo

Die Vereinigten Staaten und Japan erteilten Remdesivir bereits im Mai dieses Jahres die Zulassung, nun zieht Europa nach: Die Europäische Kommission ließ am Freitag (3. Juli 2020) das erste Arzneimittel bei schweren COVID-19-Erkrankungen in der EU zu. Erst in der Woche zuvor hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) beziehungsweise der dort dafür zuständige Humanarzneimittel-Ausschuss (CHMP) die „bedingte“ Zulassung empfohlen.

Eingesetzt werden darf Remdesivir bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, wenn diese an einer SARS-CoV-2-bedingten Lungenentzündung mit zusätzlichem Sauerstoffbedarf leiden. Handelsname des Virostatikums ist Veklury. Bislang durfte Remdesivir in Deutschland nur im Rahmen von Studien oder Härtefallprogrammen (Compassionate Use) bei Coronapatienten verabreicht werden.

Schwer an COVID-19 Erkrankte mit zusätzlichem Sauerstoff

Basis für die bedingte Zulassungsempfehlung bilden Daten aus der vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) gesponserten Studie NIAID-ACTT-1 (Adaptive COVID-19 Treatment Trial, ACTT-1). Vorläufige Ergebnisse klinischer Untersuchungen an über 1.000 COVID-19 Patienten zeigen, dass Patienten mit Remdesivir um 31 Prozent schneller genesen als mit Placebo. Unter Remdesivir waren die Erkrankten im Median nach elf Tagen gesund, mit Placebo dauerte die Genesung 15 Tage. Allerdings beobachtete man diesen Effekt nur bei Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf, die etwa 90 Prozent der Studienpatienten ausmachten: Schwer Erkrankte genasen in zwölf Tagen, bei Placebo dauerte es 18 Tage.

Zudem kristallisiert sich zunehmend heraus, dass Remdesivir vor allem Patienten in frühen Phasen der Corona-Erkrankung hilft, was durch den Wirkmechanismus erklärbar wäre: Remdesivir hemmt die Vermehrung der Viren, diese ist vor allem zu Beginn einer SARS-CoV-2-Infektion hoch. Bei frühem Einsatz könnte Remdesivir somit eine maximale Angriffsfläche haben und am effektivsten wirken.

Zur Erinnerung: Wie wirkt Remdesivir?

Remdesivir zählt zu den Virostatika. Der Arzneistoff hemmt die Vermehrung bestimmter Viren – unter anderem Ebola- und Coronaviren –, indem Remdesivir das für die Vermehrung erforderliche Enzym, die virale RNA-Polymerase, blockiert. In SARS-CoV-2 liegt die Erbinformation in Form von Ribonukleinsäure (RNA) vor (zum Vergleich: Beim Menschen liegt die genetische Information in der DNA, der Desoxyribonukleinsäure). Bei der RNA handelt es sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – nämlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind (siehe Abb.). Als Zuckerbaustein dient Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure.

Will sich ein Virus vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln, dabei hilft die viruseigene RNA-Polymerase. Sie nutzt die vorhandene RNA als Vorlage und knüpft eine neue Kette, wieder bestehend aus Zucker-Phosphat und daran angehängt Adenin, Cytosin, Guanin oder Uracil.

Was macht nun Remdesivir? Remdesivir ähnelt von seinem chemischen Aufbau einem wichtigen Baustein der Erbinformation, nämlich dem Adenin, und wird als „falscher“ Baustein in die neue RNA des „Virus-Nachkommens“ eingebaut. Die Folge: Die RNA- und folglich die Virus-Vermehrung ist gestört.

Zur Erinnerung: Wie wirkt Remdesivir?

Verknüpfung der Nukleinbasen (C, G, A und U) über ein Zucker- (grau) und Phosphatrückgrat (türkis) zur RNA | Bild: Sponk

Remdesivir zählt zu den Virostatika. Der Arzneistoff hemmt die Vermehrung bestimmter Viren – unter anderem Ebola- und Coronaviren –, indem Remdesivir das für die Vermehrung erforderliche Enzym, die virale RNA-Polymerase, blockiert. In SARS-CoV-2 liegt die Erbinformation in Form von Ribonukleinsäure (RNA) vor (zum Vergleich: Beim Menschen liegt die genetische Information in der DNA, der Desoxyribonukleinsäure). Bei der RNA handelt es sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – nämlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind (siehe Abb.). Als Zuckerbaustein dient Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure.

Will sich ein Virus vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln, dabei hilft die viruseigene RNA-Polymerase. Sie nutzt die vorhandene RNA als Vorlage und knüpft eine neue Kette, wieder bestehend aus Zucker-Phosphat und daran angehängt Adenin, Cytosin, Guanin oder Uracil.

Was macht nun Remdesivir? Remdesivir ähnelt von seinem chemischen Aufbau einem wichtigen Baustein der Erbinformation, nämlich dem Adenin, und wird als „falscher“ Baustein in die neue RNA des „Virus-Nachkommens“ eingebaut. Die Folge: Die RNA- und folglich die Virus-Vermehrung ist gestört.

Etwa 2.100 Euro für eine fünftägige Behandlung

Erst jüngst hatte Gilead, der Hersteller von Remdesivir, den Preis für Veklury bekannt gegeben. So soll eine fünftägige Behandlung (Standard bei COVID-19-Patienten ohne mechanische Beatmung; bei mechanischer Beatmung und ECMO liegt die standardmäßige Therapiedauer bei zehn Tagen) 2.340 US-Dollar kosten, was derzeit knapp 2.100 Euro entspricht. Für bedürftigere Länder plant der Konzern eine generische Variante, die günstiger verfügbar sein soll.

Bedingte Zulassung erfolgt schnell

Der Weg von Remdesivir zur Zulassung war ein kurzer und schneller. Die EMA startete Ende April einen sogenannten „Rolling Review“, was einer „gleitenden“ oder fortlaufenden Überprüfung des Arzneimittels entspricht. Das bedeutet, der Humanarzneimittelauschuss (Committee of Medicinal Products for Human Use) begutachtete die jeweils aktuellen Studiendaten von Remdesivir, sobald sie verfügbar waren und nicht erst, als Gilead die Zulassung in der zweiten Juniwoche beantragte. Doch die schnelle Überprüfung hat Konsequenzen: Remdesivir erhält nur eine „bedingte“ Zulassung, da sie sich auf weniger Daten stützt als üblicherweise erforderlich. In der Folge muss Gilead weitere Daten nachliefern, unter anderem zur Sicherheit, Wirksamkeit und ob Remdesivir die Sterblichkeit von Coronapatienten verringern kann.

Auch in den USA erteilte die FDA, die oberste Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten, Remdesivir lediglich eine Notfallgenehmigung (Emergeny Use Authorization, EUA) zur Behandlung schwer an Corona Erkrankter. Die EUA ist befristet und kann jederzeit widerrufen werden.

USA horten Remdesivir

Vorige Woche sorgte zudem die US-Regierung für Aufregung. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge hat sich die US-Regierung einen Großteil der bis September geplanten Produktionsmenge von Remdesivir gesichert. Eine Vereinbarung mit Gilead sehe den Erwerb von Remdesivir-Dosen für mehr als 500.000 Patienten vor, was der kompletten (bislang geplanten) Produktionsmenge für Juli sowie jeweils 90 Prozent der geplanten für August und September entspreche.

Die deutsche Bundesregierung gab sich anlässlich dessen nicht offen besorgt, man habe sich das Medikament frühzeitig für die Therapie von Corona-Patienten gesichert. Es gebe ausreichend Reserven und man erwarte, dass Gilead sich an die Vereinbarung halte. Zur Erklärung: Mit der EU-Zulassung war laut einem Sprecher des Gesundheitsministeriums die Verpflichtung für den Hersteller verbunden, „in angemessenem Umfang zu liefern“.

EU im Gespräch mit Gilead

Nur einen Tag später fanden sodann auch Gespräche zwischen der EU und Gilead statt. Es ging um eine Reservierung von Remdesivir. Das verlautbarte ein Sprecher der EU-Kommission. Allerdings: Näheres zu Menge und Preis erfuhr man nicht, die Verhandlungen seien in einem frühen Stadium.

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