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Bakteriophagen: Hoffnungsträger gegen multiresistente Keime

Bakteriophagen könnten bald als Alternative zu Antibiotika Verwendung finden. | Bild: peterschreiber.medi

Sogar die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt: Die weltweit grassierenden Antibiotikaresistenzen könnten hundert Jahre medizinischen Fortschritts zunichtemachen. Längst besiegt geglaubte Infektionen könnten auch in den Industrieländern wieder zur Bedrohung werden. Die WHO drängt zur Suche nach neuen therapeutischen Strategien. Genau hier setzt ein Wissenschaftsprojekt mit dem Namen „Phage4Cure“ an. Es will lebensgefährliche Bakterien auf eine ganz andere Weise als mit Antibiotika bekämpfen. Die antibakteriellen Akteure sind Bakteriophagen – kurz „Phagen“ genannt.

Viren, die Bakterien befallen

Phagen sind Viren – allerdings keine, die Menschen oder Tiere infizieren, sondern Bakterien. Auf diese sind sie angewiesen, um sich zu vermehren. Dazu heften sich die Phagen an ein Bakterium an und injizieren in dieses ihr Erbgut. Das veranlasst die Bakterienzelle dazu, ihren Stoffwechsel umzustellen und nun Phagenmaterial zu produzieren. Die reifen Phagen können das Bakterium verlassen, indem sie es zerstören. Die freigewordenen Bakteriophagen suchen sich daraufhin neue Bakterien als Wirtszellen.

Vorteil Wirtsspezifität

Es gibt Tausende verschiedener Bakteriophagen. Ein bestimmter Bakteriophage befällt immer eine spezifische Bakterienart. So gibt es etwa Coliphagen, die Escherichia coli infizieren, oder Salmonella-Phagen. Wegen dieser Wirtsspezifität sind Phagen für die sogenannte Phagentherapie interessant. 

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion werden Phagen schon seit Jahrzehnten gegen bakterielle Infektionen eingesetzt. Hierzulande wird dieses Prinzip nun mit „Phage4Cure“ im Rahmen der bei uns geltenden regulatorischen Vorgaben verfolgt. An dem mehrjährigen Projekt sind unter anderem Fraunhofer-Wissenschaftler sowie Forscher der Charité beteiligt. Das erste Projektziel ist es, ein Phagen-Arzneimittel gegen den gefürchteten multiresistenten Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa – Erreger von Lungenentzündungen – zu entwickeln.   

Phagen-Cocktail gegen Problemkeim

Die ersten Schritte des Projekts waren bereits erfolgreich: In einem Screening konnten drei Phagen identifiziert werden, die besonders wirksam gegen Pseudomonas aeruginosa sind. Die Phagen wurden in Bioreaktoren vermehrt. Aus dem Phagen-Cocktail wird ein inhalierbarer Wirkstoff hergestellt. Im Frühjahr dieses Jahres soll die präklinische Forschung starten. Anschließend ist eine Ersttestung an gesunden Menschen vorgesehen. Danach folgen klinische Studien an Patienten mit chronischer Besiedlung durch Pseudomonas aeruginosa.

Mukoviszidose-Patienten im Blick

Das Phagen-Arzneimittel soll zunächst Mukoviszidose-Patienten zugutekommen. Bei ihnen verursacht Pseudomonas aeruginosa besonders häufig Lungenentzündungen. Inzwischen sind noch weitere Phagentherapie-Forschungsprojekte angelaufen. Sie haben die Behandlung von Wundsepsis sowie die Bekämpfung des Krankenhauskeims MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) zum Ziel. Quelle: Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM