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Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung: Levocetirizin wird rezeptfrei

Ab sofort darf Levocetirizin gegen Heuschnupfen ohne Rezept abgegeben werden. | Bild: MW / DAZ.online

Die OTC-Regale in der Apotheke bekommen Nachwuchs: Künftig dürfen Apotheker und PTA an Patienten mit Heuschnupfen und Nesselsucht neben Cetirizin auch Levocetirizin (Xusal® und Generika) ohne Rezept in der Selbstmedikation abgeben. Der Bundesrat stimmte einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsordnung (AMVV) zu, die mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 28. März 2019 nun in Kraft getreten ist. Auch Änderungen bei Diclofenac, topischen Hydrocortison-Natriumbituminosulfonat-Kombinationen und Vitamin-A-Säure-Derivaten bringt die neue AMVV mit sich.

Welche Levocetirizin-Arzneimittel werden rezeptfrei?

Die Ausnahme von der Rezeptpflicht trifft nicht jedes levocetirizinhaltige Arzneimittel. Von der Verschreibungspflicht ausgenommen sind nur Levocetirizin-Präparate, „in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 5 mg je abgeteilter Form, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Beschränkung der Anwendung auf Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr angegeben ist“, schreibt der Gesetzgeber in der AMVV. Das bedeutet: Flüssige Levocetirizin-Zubereitungen – Xusal® Saft und Xusal® Tropfen – müssen auch weiterhin ärztlich verordnet werden. Im Gegensatz zu Levocetirizin-Tabletten (ab sechs Jahren) sind die flüssigen Darreichungsformen bereits für Kinder ab zwei Jahren zugelassen.

Levocetirizin ist als Antihistaminikum (H1-Blocker) indiziert zur Behandlung von allergischen Beschwerden. Eingesetzt werden darf es bei nasalen (die Nase betreffend) und okulären (die Augen betreffend) Symptomen einer allergisch bedingten Rhinitis (Entzündung der Nasenschleimhaut), die entweder saisonal auftritt oder auch über das ganze Jahr (perennial) andauert. Des Weiteren findet Levocetirizin Anwendung bei chronischer idiopathischer Nesselsucht (Urtikaria). „Idiopathisch“ bedeutet „ohne erkennbare Ursache“.

Diclofenac-Pflaster: bis 140 mg Wirkstoff ohne Rezept!

Auch bei Diclofenac ändert und präzisiert die nun gültige AMVV die Regelung zur cutanen Anwendung. Bisher galt bereits, dass Diclofenac zur „cutanen Anwendung in Konzentrationen bis zu 5 Prozent mit Ausnahme der Anwendung bei Thrombophlebitis superficialis“ (Entzündung oberflächlich gelegener Venen) rezeptfrei war. Eine Differenzierung von „cutan“ – ob als Gel, Salbe oder Pflaster – fand bislang nicht statt. Dies hat sich nun geändert. Die neue AMVV regelt Pflaster nun separat: Diclofenac-Pflaster – ohne weiteren arzneilich wirksamen Bestandteil – unterliegen bis 140 mg Diclofenac (als Diclofenac-Natrium) pro abgeteilter Darreichungsform nicht der Rezeptpflicht. Allerdings betrifft die neue Regelung keines der in Deutschland erhältlichen Diclofenac-Pflaster: Voltaren® Schmerzpflaster 140 mg wirkstoffhaltiges Pflaster und Diclofenac-ratiopharm® Schmerzpflaster, 140 mg wirkstoffhaltiges Pflaster, fielen zuvor bereits unter die erlaubte cutane 5-Prozent-Konzentrations-Grenze. Voltaren® Schmerzpflaster 140 mg wirkstoffhaltiges Pflaster enthalten 180 mg Diclofenac Epolamin, was laut Herstellerangaben 140 mg Diclofenac-Natrium und einer Wirkstoffkonzentration von 1 Prozent entspricht.

Nichts geändert hat sich bei den oralen Darreichungsformen, diese sind nach wie vor in einer Dosierung von 25 mg je abgeteilter Form und einer maximalen Dosis von 75 mg Diclofenac pro Tag rezeptfrei.

Hydrocortison-Natriumbituminosulfonat-Creme rezeptfrei

Aus der Verschreibungspflicht entlassen werden mit Inkrafttreten der neuen AMVV auch Wirkstoffkombinationen aus Hydrocortisonacetat, in einer Konzentration von 0,2 Prozent, und Natriumbituminosulfonat (hell) in Packungsgrößen bis zu 20 g. Und zwar zur kurzzeitigen Anwendung und zur Linderung nicht infizierter, leicht ausgeprägter entzündlicher, allergischer oder juckender Hauterkrankungen. Die Hydrocortison-Natriumbituminosulfonat-Kombi darf nur von Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren in der Selbstmedikation angewendet werden. Die Verschreibungspflicht des Kombinationsarzneimittels begründete sich bisher lediglich durch den Zusatz von Hydrocortisonacetat, wie beispielsweise Ichthocortin® Gel zeigt.

Neuer Paragraf für Retinoide für Frauen im gebärfähigen Alter

Für oral anzuwendende Arzneimittel mit den Wirkstoffen Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin bringt die neue Arzneimittelverschreibungsverordnung ebenfalls Änderungen. Hier wurde ein neuer Abschnitt – § 3b – in die AMVV eingefügt. Dieser regelt oben genannte Wirkstoffe für die Anwendung bei Frauen im gebährfähigen Alter: Die Höchstmenge je Verschreibung darf den Bedarf für 30 Tage nicht übersteigen. Außerdem sind Verschreibungen nur bis sechs Tage nach dem Tag ihrer Ausstellung gültig. Für die Rezeptbelieferung bedeutet dies: Ausstellungstag plus sechs weitere Tage. Hintergrund ist hier ein europäisches Risikobewertungsverfahren zu Retinoiden. Bislang gab es in der AMVV nur § 3a, der die Verordnung von Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid regelt (T-Rezept-Substanzen).

OTC-Switch: von der Empfehlung bis zum Gesetz

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SAVV) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte in seiner Sitzung am 3. Juli 2018 verschiedene Empfehlungen für OTC-Switches beschlossen. Daraufhin hatten die Bundesministerien für Gesundheit und für Ernährung und Landwirtschaft im Oktober einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Arznemittelverschreibungsverordnung (AMVV) vorgelegt, dem der Bundesrat nun am 15. März 2019 zugestimmt hat. Die neue AMVV ist mit Veröffentlichung am 28. März 2019 in Kraft getreten.