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Rahmenvertrag tritt am 1. Juli 2019 in Kraft: Neue Regeln für die Rezeptbelieferung

Heike Warmers beim DAP-Seminar „Das Retax-ABC“ auf der 30. Interpharm im Stuttgart. | Bild: PTAheute / Alex Schelbert

Am 1. Juli 2019 tritt der neue Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung – geschlossen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) – in Kraft. Um Apothekenmitarbeiter auf die damit einhergehenden Änderungen im Abgabeverhalten vorzubereiten, gab Apothekerin Heike Warmers im Rahmen eines DAP-Seminars auf der 30. Interpharm in Stuttgart erste, exklusive Einblicke.

Definitionen in § 2 des Rahmenvertrags

Der aktualisierte Rahmenvertrag bringt in § 2 eine Reihe neuer Definitionen verschiedener Begrifflichkeiten mit sich. Neben der neuen Definition eines preisgünstigen Importes, sind vor allem die Definitionen der Begriffe „vorrätig“, „lieferfähig“ und „nicht verfügbar“ wichtig:

Vorrätig ist ein Arzneimittel, wenn es in der Apotheke vorhanden ist. Das ist vor allem für den Notdienst und den Akutfall interessant, da es dem Apotheker in diesen Fällen oft erlaubt von den anderen Abgaberegeln abweichend ein vorrätiges Arzneimittel abzugeben. 

Lieferfähig ist ein Arzneimittel hingegen, wenn es beim Großhandel vorrätig und von der Apotheke beziehbar ist. 

Ist ein Arzneimittel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beschaffbar, bedeutet das, es ist nicht verfügbar. Als Nachweis der Nichtverfügbarkeit muss die Apotheke zwei Verfügbarkeitsanfragen beim pharmazeutischen Großhandel nachweisen. Der Großhandel stellt der Apotheke entsprechende Belege zur Verfügung, aus denen der angefragte Großhandel, die IK-Nummer der Apotheke, die PZN des angefragten Arzneimittels, sowie das Datum und die Uhrzeit der Anfrage hervorgeht. Eine Anfrage beim Hersteller oder Importeur direkt ist also nicht mehr notwendig.

Neue Definition für preisgünstige Importe

In welchen Fällen ein Import zukünftig als preisgünstig gilt, wird nun gestaffelt – anhand der Höhe der Abgabepreise – definiert. Um als preisgünstig im Sinne des neuen Rahmenvertrags zu gelten, muss ein Import folgende Vorgaben bezüglich des um den Anbieterpflichtrabatt bereinigten VK (VK-A-Rabatt) erfüllen: 

  • Bei einem Abgabepreis bis einschließlich 100 Euro muss der Preis verglichen mit dem Bezugsoriginal mindestens 15 Prozent günstiger sein. 
  • Bei einem Abgabepreis von über 100 Euro bis einschließlich 300 Euro muss der Preis verglichen mit dem Bezugsoriginal mindestens 15 Euro günstiger sein. 
  • Bei einem Abgabepreis von über 300 Euro muss der Preis verglichen mit dem Bezugsoriginal mindestens 5 Prozent günstiger sein. 

Importquote wird durch Einsparziel ersetzt

 Die Abgabe preisgünstiger Importe ist in § 14 des neuen Vertrags geregelt. Nach wie vor hat die Abgabe von Rabattarzneimitteln Vorrang. Es muss jedoch, falls innerhalb des importrelevanten Marktes kein Rabattvertrag zu beachten ist, ein Einsparziel in Höhe von 2 % erreicht werden.

Zur Berechnung des Einsparziels wird zunächst der theoretische Umsatz aller Referenzarzneimittel (Original) innerhalb eines Monats zusammengerechnet, bei denen die Abgabe eines preisgünstigen Importes möglich wäre. Dem gegenüber wird nun der tatsächliche Umsatz mit abgegebenen preisgünstigen Importen gestellt. Die Differenz beider Summen ergibt die Höhe der Einsparung durch Abgabe preisgünstiger Importe.

Anstelle der bisherigen Importquote gekoppelt mit der Wirtschaftlichkeitsreserve müssen Apotheken nach dem neuen Rahmenvertrag innerhalb von sechs Monaten ein Einsparziel in Höhe von 2 Prozent erreichen. Das Einsparziel ist definiert durch die Summe der Einsparungen geteilt durch den theoretischen Umsatz.

Im Seminar des Deutschen Apothekenportals auf der Interpharm in Stuttgart zeigte Heike Warmers anhand von Beispielen anschaulich, wie sich die neue Regelung im Vergleich zur aktuellen 15/15-Regelung auf die Preisgestaltung der Importeure auswirken könnte, damit die Importe weiterhin als preisgünstig gelten. Ebenso erläutert wurde das neue Einsparziel anhand einer praktischen Beispielrechnung.

Neue Abgaberangfolge bei der Rezeptbelieferung

Neu in Hinblick auf die Rezeptbelieferung ist vor allem die im Vertrag definierte Abgaberangfolge, die bei der Aut-idem-Ersetzung einer Arzneimittelverordnung zu beachten sein wird. 

Zunächst muss natürlich wie gehabt vorrangig ein Rabattarzneimittel abgegeben werden. Es besteht weiterhin freie Auswahl unter den verfügbaren Rabattarzneimitteln. Nur falls kein Rabattarzneimittel vorhanden bzw. verfügbar ist oder gegen die Abgabe pharmazeutische Bedenken bestehen, kommt es zur Abgabe der vier preisgünstigsten aut-idem-konformen Arzneimittel. Das namentlich verordnete Arzneimittel kann in diesem Fall nur noch abgegeben werden, wenn es eines der preisgünstigsten Arzneimittel ist. Zu beachten ist außerdem, dass das abzugebende Arzneimittel nicht teurer als das verordnete Arzneimittel sein darf.

Wichtig: Die Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels ist auf der Verordnung durch den Druck der Sonder-PZN zu kennzeichnen und auch die Defektbelege zweier Großhandlungen (oder ggf. zwei Anfrage bei einem Großhandel, vgl. §2 (11)) sind aufzubewahren.

Ausnahmen der Abgaberangfolge

Ist auch die Abgabe eines der vier preisgünstigsten nicht möglich, darf das nächstpreisgünstigere Arzneimittel abgegeben werden. Auch dies ist mit der Sonder-PZN und Großhandelsbelegen zu dokumentieren. Bei jeder Abgabe ist immer noch der Preisanker zu beachten, der beim namentlich verordneten Produkt liegt. Für den Fall, dass nur teurere Alternativen verfügbar sind als der gesetzte Preisanker, muss die Verordnung durch den Arzt geändert werden.

Im Notdienst oder im Akutfall kann, sofern kein preisgünstiges Arzneimittel in der Apotheke vorrätig ist, von der Abgaberangfolge abgewichen werden. Dies ist auf dem Verordnungsblatt zu vermerken, separat abzuzeichnen und das vereinbarte Sonderkennzeichen aufzutragen.

Im Rahmen des DAP-Seminars auf der Interpharm lernten die Besucher Schritt für Schritt, was diese neue Abgaberangfolge bedeutet und wie in der Praxis damit umzugehen ist. | Abb: DAP DeutschesApothekenPortal

Eindeutig und nicht eindeutig bestimmte Arzneimittel

Festgelegt ist nun auch, wann es sich um ein eindeutig bestimmtes Arzneimittel handelt und wann ein Arzneimittel nicht eindeutig bestimmt ist. Für nicht eindeutig bestimmte Arzneimittelverordnungen sind Rücksprachen mit dem Arzt zu halten und die Ergänzungen auf dem Verordnungsblatt zu vermerken sowie abzuzeichnen. Nicht eindeutig bestimmt sind Arzneimittel in den folgenden Fällen: 

  • Die Menge, nach Stückzahl oder unter N-Kennzeichnung verordnet, entspricht keiner im Preis- und Produktverzeichnis befindlichen Packung. 
  • AV gekennzeichnete Arzneimittel, die nicht mehr lieferfähig sind und für die keine andere Auswahl möglich ist. 
  • Stückzahl und Normkennzeichen widersprechen sich (im dringenden Fall – Akutversorgung, Notdienst – gilt die Stückzahl! (§ 17 2. RV 2019)). 

Im DAP-Seminar informierte Heike Warmers ihre Zuhörer neben diesen neuen Korrekturmöglichkeiten auch über die bereits bestehenden Heilungsmöglichkeiten auf Muster-16- und T-Rezepten und erklärte, was Apotheken hierbei beachten müssen, um Retaxationen zu vermeiden.

Sonderfälle aufgrund besonderer Abgabekonstellationen

Ebenfalls neu in den Rahmenvertrag aufgenommen wurden bestimmte Sonderfälle bei der Arzneimittelabgabe. Diese wurden anhand von Beispielen im DAP-Seminar erläutert. Hier ein Auszug:  

  • Kein Austausch bei unterschiedlicher Zuordnung in der Packungsgrößenverordnung 
  • Kein Austausch bei unterschiedlicher Verschreibungspflicht (verschreibungspflichtig vs. apothekenpflichtig) 
  • Kein Austausch bei unterschiedlicher Produktkategorie (Arzneimittel vs. Medizinprodukt) 
  • Falls Nmax-Packung nicht in Vertrieb, gilt nur für den Akutfall/Notdienst: Abgabe kleinerer N-Packungen bis zur verordneten Menge ist möglich. 

Die Inhalte des DAP-Seminars und des neuen Rahmenvertrags können interessierte Apothekenmitarbeiter in den folgenden Wochen den DAP-Newslettern und den aktualisierten DAP-Arbeitshilfen entnehmen.

Quelle: DAP