Aktuelles
4 min merken gemerkt Artikel drucken

US-Präsident nimmt „vorsorglich“ Hydroxychloroquin

Mit seinem Vorschlag, als Maßnahme gegen das neuartige Coronavirus Desinfektionsmittel zu injizieren, sorgte Donald Trump für breites Entsetzen. Nun verkündet der US-Präsident, dass er zur Corona-Prophylaxe seit einiger Zeit Hydroxychloroquin einnehme. | Bild: imago images / PA Images

US-Präsident Donald Trump nimmt nach eigenen Angaben seit etwa eineinhalb Wochen Hydroxychloroquin zur Corona-Prophylaxe ein. Er habe „sehr gute Dinge“ über das seit Langem zugelassene Malaria-Präparat gehört, sagte Trump. Das Weiße Haus veröffentlichte am Montagabend ein Schreiben von Trumps Leibarzt Sean Conley, wonach Trump und er nach zahlreichen Diskussionen zu dem Schluss gekommen seien, dass mögliche Vorteile einer Behandlung mit Hydroxychloroquin die damit verbundenen Risiken überwiegen. Es gibt bislang jedoch keine belastbaren wissenschaftlichen Belege für eine Wirksamkeit des Medikaments im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

Hydroxychloroquin – ein „Geschenk Gottes“?

Trump hatte im März und April immer wieder für Hydroxychloroquin als Therapie für die vom neuartigen Coronavirus verursachte Erkrankung COVID-19 geworben. Das Medikament sei ein „Geschenk Gottes“ und könne einer der größten Durchbrüche der Medizingeschichte werden, schwärmte er. Ende April warnte die US-Lebensmittel- und Arzneibehörde (FDA) allerdings vor dem angeblichen Wundermittel: Es gebe keine belastbaren Beweise einer Wirksamkeit gegen COVID-19, das Mittel erhöhe aber das Risiko lebensgefährlicher Herzrhythmus-Störungen. Zuvor hatte eine Studie bei Einnahme des Medikaments in Kombination mit einem Antibiotikum eine höhere Sterblichkeit bei Patienten festgestellt.

Klinische Studie mit rund 2000 Patienten gestartet

Derzeit untersuchen mehrere Studien einen möglichen Nutzen von Hydroxychloroquin im Zusammenhang mit COVID-19. Das Nationale Gesundheitsinstitut der USA hatte erst am vergangenen Donnerstag erklärt, es gebe nun eine klinische Studie mit rund 2000 Probanden, in der geklärt werden soll, ob die Einnahme von Hydroxychloroquin gemeinsam mit dem Antibiotikum Azithromycin im frühen Stadium einer COVID-19-Erkrankung Krankenhausaufenthalte und Todesfälle reduzieren kann.

Trumps Vorbildfunktion

Aussagen des Präsidenten in medizinischen Belangen haben Gewicht – selbst wenn er einschränkt, dass er kein Arzt sei. Nach seinem anhaltenden Werben für den Wirkstoff Hydroxychloroquin etwa stieg die Zahl der Verschreibungen in den USA trotz Warnungen von Experten um das 46-Fache an, wie eine Analyse der „New York Times“ Ende April zeigte. Suchanfragen bei Google nach Kaufmöglichkeiten gingen einer anderen Studie zufolge durch die Decke.

Rückblick: BfArM reagiert auf zunehmenden Off-Label-Use

Anfang April sprach das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Empfehlung zur Kontingentierung von Hydroxychloroquin an pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittelgroßhandlungen aus. Demnach sollte der Off-Label-Einsatz zum Schutz der Patienten außerhalb von klinischen Prüfungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs bei stationär überwachten Patienten mit COVID-19 erfolgen.

Verschreibungen im ambulanten Bereich sollten nur noch unter Angabe einer zugelassenen Indikation erfolgen und Privatrezepte ohne Indikationsangaben wurden untersagt. Darüber hinaus wurde die Verordnung jeweils auf maximal 100 Tabletten à 200 mg beschränkt. Zur Malariaprophylaxe könnten maximal 12 Tabletten verschrieben werden.

Diese Maßnahmen wurden ergriffen, um Hamsterkäufe von Hydroxychloroquin und damit einhergehende Engpässe für die Therapie in zugelassenen Indikationen zu verhindern. Durch die aktuelle Mitteilung des US-Präsidenten könnte sich diese Situation weiter verschärfen.

Vorsicht Verwechslungsgefahr!

Ende März hatte die FDA auch gewarnt, dass Menschen Hydroxychloroquin mit Chloroquinphosphat verwechselten, das für Aquariumfische eingesetzt werde. Mindestens eine Person sei daher nach der Einnahme des vermeintlichen COVID-Medikaments gestorben, erklärte die FDA.

Riskante Gedankenspiele

Trump hatte auch mit einem weiteren medizinischen Gedankenspiel für einen Aufschrei im ganzen Land gesorgt: Der Präsident spekulierte, ob nicht das direkte Spritzen von Bleich- oder Desinfektionsmittel in den Körper eine gute Coronavirus-Therapie sein könnte. Das zu prüfen, sei Ärzten überlassen, schränkte er ein. „Aber es klingt für mich interessant“, sagte er im Weißen Haus.

Experten waren entsetzt, weil eine Injektion oder das Schlucken von Bleich- und Desinfektionsmitteln lebensgefährlich sein kann. Gesundheitsbehörden im ganzen Land sowie Hersteller der Mittel sahen sich gezwungen, teils drastische Warnungen auszusprechen. Angesichts der Empörung behauptete Trump einen Tag danach, seine Vorschläge seien „Sarkasmus“ gewesen. Quelle:dpa/sn