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Was ist eigentlich das Post-Polio-Syndrom?

Ältere Frau sitzt im Rollstuhl und bekommt Physiotherapie für ihre Beine
Muskelschwäche, -schwund, und -schmerzen sind typische Symptome des Post-Polio-Syndroms. Die Erkrankung wird symptomatisch vor allem mit Physiotherapie behandelt. | Bild: Africa Studio / AdobeStock

Seit Jahren gilt Europa als Polio-frei. Doch bis zum Beginn der Polio-Impfung in den 1960er-Jahren kam es auch in Deutschland immer wieder zu Polio-Epidemien mit Tausenden von Lähmungsfällen. Viele Betroffene haben ihre Krankheit damals überwunden und konnten ein aktives Leben führen. 

Doch Jahrzehnte später holt sie die durchgemachte Kinderlähmung häufig wieder ein: Sie erleiden als Zweiterkrankung das Post-Polio-Syndrom. Man schätzt, dass davon in Deutschland mindestens 100.000 Menschen betroffen sind.

Krankheit lauert jahrelang im Körper

Das Post-Polio-Syndrom äußert sich meist in ungewöhnlicher, rasch auftretender Ermüdbarkeit und Erschöpfung – sowohl was die Muskelkraft betrifft als auch in psychischer Hinsicht und die Konzentrationsfähigkeit betreffend. 

Typisch ist auftretende Muskelschwäche. Diese kann sich in den ursprünglich von der Polio-Erkrankung betroffenen Muskeln zeigen, aber auch in anderen Muskeln. Es kommt außerdem zu Muskelschwund sowie zu Muskelkrämpfen und -schmerzen. Kälteempfindlichkeit, gelegentlich Schluckbeschwerden und Atemprobleme sind weitere mögliche Symptome. 

Diese Beschwerden des Post-Polio-Syndroms zeigen sich im Mittel 20 bis 30 Jahre nach der akuten Polio-Erkrankung, manchmal auch erst nach 40 oder 50 Jahren.

Mehrarbeit überfordert Nervenzellen

Die Ursache dieser eigenständigen Erkrankung erklärt man sich so: Diejenigen motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks, die durch die ursprüngliche Poliomyelitis nicht geschädigt wurden, haben mit der Zeit den Funktionsverlust der betroffenen Nervenzellen kompensiert. Dies geschah vor allem dadurch, dass sie neue Aussprossungen gebildet haben. 

Die Nervenfasern der nicht geschädigten Motoneurone mussten dann fünf- bis zehnmal so viele Muskelzellen versorgen wie bei Gesunden. Dadurch wurden diese intakten Vorderhornzellen chronisch überlastet. Langfristig degenerierten sie deshalb. Die von ihnen versorgten Muskeln erleiden schließlich nach Jahrzehnten Funktionsverluste mit der beschriebenen Symptomatik. 

Zusätzliche Schäden im Zentralnervensystem sind wahrscheinlich für die psychische Symptomatik verantwortlich.

Symptomatische Behandlung des Post-Polio-Syndroms

Das Post-Polio-Syndrom ist nicht heilbar, die Beschwerden können nur symptomatisch behandelt werden. Etwa durch Physiotherapie, Massagen sowie Wärmeanwendungen und Schmerzmittel. Manchen Patienten hilft die Gabe von L-Carnitin oder Kreatin. Um die neuromuskuläre Übertragung zu verbessern, wird der Cholinesterasehemmer Pyridostigmin eingesetzt. 

Vor allem kommt es aber auf das richtige Verhalten der Patienten an. Wichtig ist es, dass die geschwächten Muskeln nicht übermäßig beansprucht werden. Kräfte sollten gut eingeteilt und bei Ermüdung Pausen eingelegt werden. Quellen: Polio Selbsthilfe e.V.; Polio Initiative Europa e.V.; Bundesverband Polio e.V.; Robert Koch-Institut 

Post-Polio-Syndrom in Kürze

  • Ein Jahre oder Jahrzehnte nach einer akuten Poliomyelitis auftretendes Krankheitsbild aufgrund von Polio-Spätschäden.
  • Typische Symptome: Muskelschwäche, -krämpfe und -schmerzen sowie schnelle Ermüdbarkeit und Erschöpfung, außerdem Temperaturregulationsstörungen, Schwierigkeiten beim Schlucken und Atemprobleme. 
  • Ursache: wahrscheinlich Degeneration von chronisch überlasteten motorischen Nervenzellen im Rückenmark, die nach der Polio-Erkrankung die Arbeit der geschädigten Neurone mit übernommen haben. Dadurch gestörte Informationsübertragung von Nervenzellen auf Muskelfasern. 
  • Nicht heilbar, nur symptomatisch zu behandeln, Überanstrengung muss vermieden werden.