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Benedikt Bühler will Apotheker zum RXVV motivieren: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Wie gehts mit dem Rx-Versandverbot weiter? | Bild: Hugger / PTAheute.de

Während des Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie wurde den Apotheken vor Ort sehr viel Wertschätzung entgegengebracht. Denn: Sie waren da, haben aus den möglichsten und unmöglichsten Quellen Mundschutze und FFP-Masken besorgt, Desinfektionsmittel aus unvergälltem Alkohol nach WHO-Rezeptur in Kooperationen mit Schnapsbrennereien hergestellt. Sie waren Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger. Schnell wurden aus den Apothekern, die, gefährdet durch den Onlinehandel, auf dem absteigenden Ast saßen, Profiteure der Pandemie. 3,5 Monate nach dem Lockdown, wo das Essen im Restaurant wieder schmeckt, das Feiern in Bars, das Tanzen in der Tanzschule und das Reisen nach Mallorca wieder möglich sind, sieht das jedoch schon wieder anders aus. Die Apotheken vor Ort verzeichneten Umsatzrückgänge bei den GKV-Rezepten von 15 % im April im Vergleich zum Vorjahr und nochmal 5 % im Mai. Die Stimmen nach einem Rx-Versandverbot werden wieder lauter. Die ABDA, die Standesvertretung der Apotheker, gerät zunehmend in Kritik. 

„Apotheker vertun Chancen, die sich durch Pandemie ergeben haben“

Auch der Pharmaziestudent Benedikt Bühler macht keinen Hehl daraus, dass er enttäuscht ist, dass die ABDA den diesjährigen, seiner Meinung nach wichtigsten Deutschen Apothekertag aller Zeiten, nicht ersatzweise digital stattfinden lässt. Zu besprechen, so Bühler, gebe es jedenfalls genug. Vor allem ein Thema: das Versandverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, zu dem er die erfolgreichste Online-Petition aller Zeiten organisiert hatte.

Was passiert beim Deutschen Apothekertag?

Jedes Jahr findet für Apothekerinnen und Apotheker parallel zur Messe Expopharm der Deutsche Apothekertag (DAT) statt. Dort geht es kurz gesagt um die Berufspolitik für die Deutsche Apothekerschaft. Prinzipiell kann jeder deutsche Apotheker den Apothekertag besuchen. Der Eintritt ist frei. Man braucht aber eine spezielle Eintrittskarte. Zu jedem der sogenannten Beratungsgegenstände, das ist zum Beispiel der Geschäftsbericht des Hauptgeschäftsführers oder die Anträge, die die Delegierten eingebracht haben, findet eine Aussprache statt. Dabei dürfen die Delegierten sprechen und natürlich die Mitglieder von Vorständen und die Geschäftsführung der ABDA, der Bundesverband des Deutschen Apotheker Verbands, der Berichterstatter, Präsidenten und Vorsitzende sowie Geschäftsführer der ABDA-Mitgliedsorganisationen, die Referenten und geladenen Gäste sowie einzelne Mitglieder, also Apothekerinnen und Apotheker. Soweit die Versammlung nichts anderes beschließt. Es darf sich also jeder anwesende Apotheker an den Diskussionen beteiligen. Abstimmen dürfen aber natürlich nur die gewählten Delegierten der Mitgliedsorganisationen.

 „Was haben wir aus der Pandemie gelernt? Wie wichtig ist das flächendeckende Netz? Wie wichtig ist vor allem die Gleichpreisigkeit für alle Patienten?“, fragt Bühler gegenüber PTAheute.de. Die stünde bis heute nicht im Entwurf zum VOASG, erinnert der Student. Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, um das Versandverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durchzusetzen. Die Bevölkerung, noch sensibilisiert vom Lockdown, sowie die Politik wissen, dass man nicht einerseits die Arzneimittelproduktion zurück nach Europa holen und gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten EU-Versendern überlassen sollte. „Das passt nicht zusammen, findet zum Beispiel auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner, wie sie in einem Interview gegenüber DAZ.online klarstellte. Vertun sich die Apotheker also Chancen, die sich durch die Corona-Pandemie für sie ergeben haben? Immerhin wird jetzt schon eine pharmazeutische Dienstleistung vergütet: der Botendienst. Allerdings vorerst nur bis Ende September 2020.

ABDA geht den Weg des VOASG mit – Bühler findet das gefährlich

Das VOASG, auf das die Apotheker schon seit mehr als einem Jahr warten, soll laut einer derzeit kursierenden Tagesordnung des Bundestags am 11. September im Parlament beraten werden. Die ABDA steht noch immer hinter dem Entwurf aus dem Hause Spahn. Doch Pharmaziestudent Bühler warnt davor, zu viel auf die geplante Apothekenreform zu geben. Denn: „Gleichpreisigkeit ist nicht Bestandteil des VOASG.“ Zudem stünden die Versandapotheken in Sachen E-Rezept bereits in den Startlöchern.

Es gebe bis auf ein paar kleinere Versender im unteren Drittel nur noch Großkonzerne. „Und da muss man sich schon fragen, was das für Folgen haben wird. Dann haben wir quasi zwei Global Player, einmal die Shop Apotheke und Zur Rose. Die und ihre Investoren freuen sich auf das E-Rezept. Ich weiß schon ganz genau, wie die Werbung aussehen wird an allen Bahnhöfen, bundesweit, in jeglichen Innenstädten. Da können die Apotheken vor Ort nicht mithalten. Und das muss der Politik während dieser Corona-Pandemie endlich klar werden!“

Bühler forderte vergangene Woche in diesem Zusammenhang auch die Ausrichtung eines digitalen Deutschen Apothekertags, der in diesem Jahr nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden wird. Denn diese Fragen müssten vom höchsten Apothekengremium geklärt und die Aufnahme der Gleichpreisigkeit ins VOASG gefordert werden. Der Student ist überzeugt: Nachdem Spahns Pläne seit fast einem Jahr stehen, während Bundesratsbeschluss und eine große Petition pro Rx-Versandverbot vorliegen, sei es jetzt höchste Zeit für das Verbot.
Man müsse bedenken, so Bühler, dass die erfolgreichste Petition in der Geschichte der Bundesrepublik mit 420.000 Zeichnungen vor der Corona-Pandemie zustande kam. Hätte man diese während des Lockdowns gemacht, wären nach Bühlers Vermutung noch viel mehr Stimmen zusammen gekommen.

Mehr Informationen zur Gesundheitspolitik für PTA 

Vor über einem Jahr stellte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Entwurf des sogenannten Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG = Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz) vor. Seitdem ist die Apothekerschaft in heller Aufregung. Begriffe wie Boni-Verbot und RX-Versandverbot sind nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie wieder in aller Munde. Aber was bedeutet das eigentlich und worum geht es eigentlich bei diesem RX-Versandverbot und welche Auswirkungen hätte eine Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG), von dem gerade überall die Rede ist, auch auf die Tätigkeit von PTA in der öffentlichen Apotheke?

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Bühlers Petition „hängt“ in den Fraktionen

Aber was ist eigentlich aus Bühlers Petition geworden? Die hängt ihrerseits im parlamentarischen Verfahren fest. Nach der öffentlichen Sitzung am 27. Januar 2020 werde die Petition derzeit von den Berichterstattern der Fraktionen bearbeitet, erklärte eine Sprecherin des Bundestags auf Nachfrage. Nachdem jeder Berichterstatter eine Beschlussempfehlung erarbeitet hat, werden diese im Petitionsausschuss abgestimmt. Die entsprechende Empfehlung wird dann dem Parlament vorgelegt. „Dieses Verfahren kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Festgelegte Fristen gibt es nicht, daher kann nicht eingeschätzt werden, wann das Verfahren abgeschlossen sein wird“, so die Sprecherin.