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Babys niemals schütteln!

Bild: AntonioGuillem - iStockphoto.com

Wenn Eltern die Nerven verlieren

Anhaltendes Schreien ist der Hauptgrund dafür, dass Eltern ihr Baby schütteln. Bei manchen passiert es, weil sie sich einfach nicht mehr zu helfen wissen und für einen Moment die Nerven verlieren. Einige schütteln ihr Kind gezielt als Form der Bestrafung, weil sie es nicht schlagen wollen. Viel zu vielen ist jedoch nicht klar, was sie damit anrichten. Ein Schütteltrauma kann schwerste Hirnschäden mit bleibenden Behinderungen nach sich ziehen oder sogar den Tod bedeuten.

Das passiert beim Schütteln

Beim Schütteln schleudert der Kopf des Babys unkontrolliert hin und her. Säuglinge haben noch eine ganz schwache Nackenmuskulatur und können den Kopf nicht alleine halten. Durch das gewaltsame Schütteln wird das Gehirn im Schädel hin- und hergeworfen. Blutgefäße und Nervenbahnen können reißen.

Äußerlich meist unauffällig

Äußerlich sieht man dem betroffenen Baby das Schütteltrauma meist gar nicht an. Allerdings können sich nach heftigem Schütteln Blässe, Reizbarkeit oder Apathie einstellen. Es kann zu Erbrechen, Krampfanfällen und Atemstillstand kommen. Besteht der Verdacht auf ein Schütteltrauma, werden von ärztlicher Seite unter anderem eine Augenhintergrundspiegelung und bildgebende Verfahren wie MRT oder CT durchgeführt. Mit diesen Untersuchungen lassen sich Blutungen in der Netzhaut bzw. unter der Hirnhaut feststellen.

Meistens bleibende Schäden

Jährlich wird in Deutschland bei etwa 14 von 100.000 Kindern ein Schütteltrauma diagnostiziert. Die Dunkelziffer ist vermutlich weit höher. Nur zehn bis 20 Prozent der Säuglinge überstehen ein Schütteltrauma ohne bleibende Schäden. Häufig kommt es zu Entwicklungsstörungen, Krampfanfällen sowie körperlichen und geistigen Behinderungen.

Großer Aufklärungsbedarf

Eine aktuelle Repräsentativbefragung hat ergeben, dass in der Bevölkerung erheblicher Aufklärungsbedarf zum Thema Babyschreien und Schütteltrauma besteht. Nur 79 Prozent der Befragten stimmen der Aussage voll und ganz zu, dass man Babys niemals schütteln darf. Den Begriff Schütteltrauma haben 42 Prozent noch nie gehört. Zwei Drittel wissen nicht, dass anhaltendes, scheinbar grundloses Schreien in den ersten Lebensmonaten zur normalen Entwicklung gehören kann.

Dreimonatskoliken eher selten

Immer noch ist die Ansicht weit verbreitet, das Schreien in den ersten Lebensmonaten liege an Darmproblemen („Dreimonatskoliken“). Das gilt heute als wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Vielmehr geht man davon aus, dass das Schreien mit verschiedenen Reifungsprozessen zusammenhängt. So lernt der Säugling in den ersten Lebensmonaten zum Beispiel Schlaf- und Wachzustände, Hunger und Sättigung zu regulieren. Nur bei fünf Prozent der Säuglinge, die besonders viel schreien, lassen sich dafür organische Gründe wie etwa Magen-Darm-Störungen ausmachen.

Wo es Hilfe gibt

Wenn ein Baby anhaltend schreit und die Betreuungsperson spürt, wie ihre Anspannung zunimmt und eventuell Wut aufsteigt, empfehlen Experten folgende Strategie: Das Baby sicher ablegen, den Raum kurz verlassen, sich beruhigen und dann erst wieder das Zimmer betreten. Eltern, die vom Schreien ihres Kindes stark verunsichert sind, sich erschöpft und hilflos fühlen und ihrem Kind gegenüber negative Gefühle empfinden, sollten sich frühzeitig professionelle Hilfe holen. Die gibt es zum Beispiel in einer sogenannten Schreiambulanz, aber auch in Kinderarztpraxen oder in einer Familien- und Erziehungsberatungsstelle. Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen klärt zusammen mit dem „Bündnis gegen Schütteltrauma“ über Babyschreien und die Folgen des Schüttelns auch im Internet auf (https://www.fruehehilfen.de/das-nzfh/buendnis-gegen-schuetteltrauma/). Neue Informationsangebote, unter anderem einen Aufklärungsfilm, gibt es unter www.elternsein.infoQuellen: Nationales Zentrum Frühe Hilfen; Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung