Arzneitee
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Pflanzenkraft aus der Tasse – Arzneitees in der Apotheke

PTA übergibt Kundin selbst hergestellten Arzneitee
Je nach Art des Drogenmaterials und dessen Wirkstoffen kann die Zubereitungsart eines Arzneitees aus der Apotheke erheblich variieren. | Bild: contrastwerkstatt / AdobeStock

„Ruhe, Stille, Sofa und eine Tasse Tee geht über alles.“ – Diesem Zitat des Dichters Theodor Fontane (1819–1889) können auch heutzutage viele Menschen beipflichten, Teeliebhaber ganz besonders. Die hübsche Lebensweisheit bringt auch gleich einen wichtigen psychologischen Wert zum Ausdruck: Ein Tee kann die Krönung eines Rituals der Gemütlichkeit und Entspannung sein. Dass so ein Getränk aber noch mehr vermag als bloß die Seele zu streicheln, wusste auch Fontane. Schließlich war der berühmte Literat zunächst im Apothekerberuf tätig.

Auf die Zubereitung kommt es an

Ob Fontane mit der zitierten Tasse Tee nun einen Schwarztee, einen Früchte- oder einen Kräutertee im Sinn hatte, bleibt offen. Eines ist aber gewiss: Es kommt auf die richtige Zubereitung an. 

Ausschlaggebend ist die Zubereitungsart vor allem dann, wenn es sich um einen Arzneitee handelt. Schließlich sollen pharmakologisch relevante Pflanzeninhaltsstoffe in die wässrige Phase überführt werden. 

Je nach Art des Drogenmaterials und dessen Wirkstoffen kann die Zubereitungsart erheblich variieren. Da der Patient selbst der Hersteller dieser Darreichungsform ist, sollten in der Apotheke beim Kauf entsprechende Abgabehinweise mit auf den Weg gegeben werden.

Heißaufguss für weiche Pflanzenteile

Die gebräuchlichste Form der Teezubereitung ist ein Infus, also ein Heißaufguss. Meist kann man sich dabei an der allgemeinen Regel orientieren: Erforderliche Drogenmenge (häufig 1 gestrichener Teelöffel) mit 150 bis 200 Milliliter siedendem Wasser übergießen, abgedeckt ziehen lassen, dabei gelegentlich umrühren und nach 5 bis 15 Minuten abseihen. Ein Infus eignet sich für weiche Pflanzenteile wie Blatt-, Blüten- und Krautdrogen sowie für fein zerkleinerte Rinde oder Wurzeln. 

Enthält die Droge thermolabile Wirkstoffe wie etwa Bitterstoffe oder leicht flüchtige wie ätherische Öle, empfiehlt sich eine kürzere Ziehzeit (circa 3 Minuten) oder etwas abgekühltes Wasser. 

Bei der Zubereitung aquaretischer Tees kann hingegen durch ein längeres Ziehenlassen (15 bis 30 Minuten) ein höherer Anteil an wirksamkeitsrelevanten Flavonoiden gelöst werden (z. B. Birkenblätter, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel).

Sonderfall: Früchte mit ätherischem Öl

Die Teetasse abzudecken ist vor allem dann ratsam, wenn flüchtige ätherische Öle im Spiel sind. Ein wichtiger Hinweis darf bei der Abgabe von ätherisch-Öl-haltigen Früchten – insbesondere Apiaceenfrüchten wie Anis, Fenchel und Kümmel, aber auch Wacholderbeeren – nicht fehlen: Vor dem Heißaufguss anstoßen! Ist kein Mörser zur Hand, können die Früchte mit Hilfe von zwei Löffeln leicht gequetscht werden. Auf Wunsch des Kunden kann man die Droge bereits in der Apotheke anstoßen. Sie sollte dann innerhalb von zwei Wochen aufgebraucht werden. 

Übrigens lassen sich diese Drogen statt mit Wasser auch mit heißer Milch extrahieren. Die lipophilen Ätherisch-Öl-Komponenten können sich in der Lipidphase der Milch besser lösen. Untersuchungen zeigten, dass ein mit Vollmilch zubereiteter Anistee fast doppelt so viel des Hauptinhaltsstoffs trans-Anethol enthält wie eine wässrige Zubereitung.

Abkochung für harte Drogenteile

Die typische Zubereitungsform für harte Drogenteile wie Wurzeln, Hölzer und Rinden ist der Dekokt, also eine Abkochung (z. B. für Eichenrinde und Blutwurz). Die zerkleinerte Droge wird hierbei zunächst mit kaltem Wasser angesetzt, zum Sieden gebracht und dann einige Zeit (meist 5 bis 15 Minuten) weiter erhitzt. Nach kurzem Stehenlassen wird abgeseiht. 

Alternativ kann man ausschließlich mit siedendem Wasser extrahieren, also bereits mit siedendem Wasser übergießen und weitere 10 bis 15 Minuten bei Siedetemperatur halten. Das Verfahren eignet sich besonders, wenn schwer lösliche Substanzen wie Gerbstoffe extrahiert werden sollen (z. B. Heidelbeerfrüchten) sowie für einige Saponin-haltige Drogen (z. B. Primelwurzel und Süßholzwurzel).

Kaltauszug schützt Schleimstoffe

In manchen Fällen ist ein Mazerat, also ein Kaltauszug, angebracht. Dazu wird die Droge mit kaltem Wasser übergossen und mehrere Stunden in einem zugedeckten Gefäß bei Raumtemperatur stehen gelassen. 

Der Kaltauszug empfiehlt sich besonders für schleimstoffhaltige Drogen (z. B. Eibischwurzel, Leinsamen, Isländisch Moos, Malvenblätter und -blüten), damit der Schleim nicht verklumpt und an Wirksamkeit verliert. Außerdem verhindert ein Kaltauszug bei bestimmten Drogen, dass toxische oder unerwünschte Inhaltsstoffe mitextrahiert werden (z. B. Viscotoxine aus dem Mistelkraut, magenschleimhautreizende Gerbstoffe aus Bärentraubenblättern).

Vorsicht vor Keimen

Als nachteilig gelten Kaltauszüge in mikrobieller Hinsicht: Eventuell vorhandene Keime können sich während eines mehrstündigen Auszugs stark vermehren. Daher sollten Kaltauszüge für jede Verabreichung frisch zubereitet und nicht auf Vorrat für den ganzen Tag hergestellt werden. Manche Experten empfehlen, ein Mazerat zur Keimreduzierung vor der Einnahme generell kurz aufzukochen. 

Mikrobiell unbedenklich ist eine Sonderform des Kaltauszugs – das Mazerationsdekokt. Hierbei wird eine Droge nach mehrstündigem Kaltauszug noch einige Zeit gekocht. Auf diese Weise löst sich zum Beispiel Kieselsäure gut (z. B. aus Schachtelhalmkraut). 

Kommen statt Monodrogen Teemischungen zum Einsatz, erfordert die Zubereitung oft einen Kompromiss: Am besten mit heißem Wasser überbrühen und zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen.

Unsicherheitsfaktoren bedenken

Tees sind bei vielen Kunden sehr beliebt. Allerdings gibt es bei dieser Arzneiform – anders als bei Extraktpräparaten – einige Unsicherheitsfaktoren. 

So können in Abhängigkeit von der Ziehdauer unterschiedliche Inhaltsstoffe im Tee dominieren, etwa ätherische Öle nach den ersten Minuten, Gerbstoffe nach längerem Ziehen. Das zeigt sich zum Beispiel deutlich bei Salbeiblättern und ist schon geschmacklich zu erkennen. 

Unsicherheiten gibt es auch bezüglich der Dosierung. So kann die verwendete Wassermenge bei der Angabe „Tasse“ stark schwanken, ebenso wie die Drogendosierung bei der Angabe in Teelöffeln.

Lose oder im Filterbeutel

Die Dosiergenauigkeit lässt sich mit Tees in Filterbeuteln verbessern. Ein weiterer Vorteil: Da die Drogen im Portionsbeutel stark zerkleinert und damit oberflächenvergrößert sind, werden die Inhaltsstoffe meist gut extrahiert. Um die Extraktion zu unterstützen, sollte der Teebeutel mehrmals im Aufguss hin- und hergeschwenkt werden. 

Flüchtige Inhaltsstoffe wie ätherische Öle gehen hingegen infolge des Feinschnitts leichter verloren. Durch Aromaschutzhüllen lässt sich der Wirkstoffverlust begrenzen.

Was Arzneiteequalität ausmacht

Kunden kann man immer mal wieder auf die Unterschiede zwischen einem Apotheken-Tee und einem gleichartig erscheinenden, preisgünstigeren Präparat aus dem Supermarktregal aufmerksam machen. 

Während der Inhalt von Apotheken-Arzneitees Arzneibuchqualität aufweisen muss, ist bei Lebensmitteltees kein Wirkstoffmindestgehalt gefordert. Neben der Teedroge dürfen diese Produkte auch weitere Pflanzenteile enthalten (z. B. statt nur Kamillenblüten auch -kraut oder statt nur Pfefferminzblättern auch Stängelanteile).

Weitere Qualitätsaspekte

Für Arzneitees gelten gemäß dem Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) Grenzwerte für bestimmte Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber, ebenso für Pestizidrückstände und Schimmelpilzgifte. Pharmazeutische Hersteller sind zudem verpflichtet, den Gehalt an krebsverdächtigen Pyrrolizidinalkaloiden zu begrenzen. 

Auch Biotees, die das staatliche Biosiegel tragen, müssen zahlreiche gesetzliche Vorgaben erfüllen. Durch kontrolliert-ökologischen Anbau sind sie in puncto Pestizid- und Düngemittelrückständen meist risikoarm. Manche Hersteller bieten ihre Produktqualität noch über dem gesetzlichen Bio-Standard an – dank hoher Qualitätsanforderungen bei Rohstoffauswahl, Verarbeitung, Rückstandskontrolle etc.

Worauf bei Tee noch hingewiesen werden kann

Anwendende sollten wissen, dass viele Heilpflanzentees erst nach einigen Tagen die erwünschte Wirkung zeigen. In der Regel wird ein Tee kurmäßig über 3 bis 6 Wochen angewendet, üblicherweise in einer Tagesmenge von 2 bis 3 Tassen. Bei manchen Teedrogen ist als Vorsichtsmaßnahme eine begrenzte Anwendungsdauer zu beachten, so etwa bei Salbeiblättern (wegen des Thujon-Gehalts nicht länger als 4 Wochen). 

Einige Tees haben sensorisch unangenehme Eigenschaften, worauf man Kunden aufmerksam machen sollte. Neben den Bitterstoffdrogen sind das zum Beispiel die fischartig schmeckenden Weißdornblätter mit -blüten oder das Hirtentäschelkraut mit seinem kohlartigen Geschmack. 

Im Allgemeinen trinkt man einen Tee langsam und in kleinen Schlucken. Dann kommt ihm gemäß dem eingangs erwähnten Fontane-Zitat auch noch der Wert eines entspannenden Rituals zu.

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