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Rauchstopp mit der Nikotinersatztherapie: Jetzt ist Schluss – für immer!

Bild: FlyMint Agency - iStockphoto.com

Die Bundesrepublik zählt jährlich 106.000 Todesfälle durch die Folgen des Tabakkonsums – weltweit sind es fünf Millionen. Im Mittel leben Raucher zehn Jahre kürzer als Nichtraucher, und von den rund 4800 Substanzen im Tabakrauch sind wenigstens 90 gesichert oder zumindest mutmaßlich krebserregend oder mutagen. Offizielle Gründe, nicht zu rauchen, gibt es ausreichend. Hinzu kommen persönliche Beweggründe der Raucher: Der Wunsch nach einer besseren körperlichen Fitness oder bereits aufgetretene gesundheitliche Beschwerden, soziale und gesellschaftliche Aspekte, wie Rauchverbote sowie sozialer Druck durch das Umfeld, motivieren immer wieder zum Rauchstopp. Und: Rauchen ist teuer. Mittlerweile können werdende Nichtraucher sogar via App ihre durch den Rauchstopp täglich gesparten Kosten berechnen.

Anfangszeit des Rauchstopps am schwierigsten

Allerdings – ganz so einfach scheint eine dauerhafte Tabakabstinenz nicht zu fallen. Immerhin haben etwa zwei Drittel aller Rauchenden bereits einmal versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Viele Raucher starten einen Rauchauslass spontan. Beliebt ist auch nach wie vor der gute Vorsatz an Silvester. Oft versuchen Raucher den Rauchstopp ohne Hilfestellung und ohne Nikotinersatz zu stemmen. Jedoch: Von Erfolg gekrönt sind hier die wenigsten Anläufe. Nur 3 bis 7 Prozent der Raucher gelingt es, über einen Zeitraum von sechs Monaten abstinent zu bleiben. Besonders schwierig sind vor allem die ersten Tage des Rauchstopps – und so greifen in dieser Zeit die meisten Tabakkonsumenten wieder zur gewohnten Zigarette, sei aus Stress, aufgrund eines heftigen Verlangens (Craving), mangelnder Motivation oder schlicht aufgrund von Entzugssymptomen. Je länger es den Rauchern jedoch gelingt, diese Tabakabstinenz durchzuhalten, desto geringer werden auch die Gefahren für einen Rückfall. „Heilung“ gibt es wohl nicht: Die Leitlinie „Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums” äußert sich hier sehr ernüchternd: „Tabakabhängige Raucher bleiben lebenslang rückfallgefährdet“.

Nikotinersatzpräparate helfen erwiesenermaßen beim Entzug

An anderer Stelle machen die Experten der Leitlinie aber auch Mut – denn es gibt Unterstützung aus der Apotheke, die gerade die kritische, besonders rückfallbehaftete Anfangszeit für Raucher leichter macht. „Die medikamentöse Unterstützung des Rauchers mithilfe einer Nikotinersatztherapie ist wirkungsvoll zur Erreichung von Tabakabstinenz“, schreiben die Experten. Zahlreiche Studien belegen mittlerweile die Wirksamkeit einer unterstützenden Nikotinersatztherapie (NET) bei der Tabakentwöhnung. Der Ansatz macht Sinn: Rauchen ist eine Suchterkrankung, die sowohl die körperliche Abhängigkeit nach Nikotin als auch eine psychische Abhängigkeit beinhaltet. Hier ist es sinnvoll und für den Raucher hilfreich, zumindest das rein körperliche Verlangen nach Nikotin zu befriedigen.

Nikotinersatzpräparate: Was ist der Vorteil zum Rauchen?

Eine NET kann die Rauchentwöhnung unterstützen. Dabei wird das Nikotin aus der Zigarette durch therapeutisches Nikotin ersetzt und die Dosis nach und nach reduziert, bis der Körper nach etwa drei Monaten vom Nikotin entwöhnt ist. Die Apotheke bietet Tabakkonsumenten, die mit dem Rauchen aufhören wollen, zahlreiche Möglichkeiten, so dass für jeden das passende Präparat dabei sein sollte. Es finden sich Nikotinersatzpräparate als Pflaster, Kaugummis, Mundsprays, Inhaler oder Lutschtabletten. Sie haben – verglichen mit herkömmlichen Tabakprodukten – den klaren Vorteil, dass sie auf begleitende Schadstoffe, wie sie im Tabakrauch entstehen, verzichten. Die jeweiligen Substitutionsmethoden unterscheiden sich hinsichtlich der Menge, Art beziehungsweise Geschwindigkeit der Nikotinfreisetzung. So sorgen Nikotinpflaster für gleichmäßige Nikotinspiegel beim Patienten, während Kaugummis, Lutschtabletten, ein Spray oder Inhaler das Nikotin ad hoc freisetzen. Neben diesen Aspekten gilt es persönliche Vorlieben der Noch-Raucher zu berücksichtigen – nicht jeder Raucher ist zum Beispiel einem Inhaler, einer Art Plastik-Zigarette, aufgeschlossen. Und nicht jede NET eignet sich in gleichem Maße für jeden Tabakraucher gleich gut: Gelegenheitsraucher kommen mit kurzwirksamen Präparaten wie Kaugummis oder einem Mundspray meist gut und ausreichend zurecht, für starke Raucher ist eine reine Akutversorgung mit rasch wirksamen Präparaten hingegen meist zu wenig.

Nikotinpflaster – für welchen Raucher eignen sie sich?

Mit Pflastern erreichen Raucher konstante Nikotinspiegel im Blut. Die Nikotinpflaster gibt es in unterschiedlichen Stärken. Nicorette® und Nicotinell® bieten je nach Rauchertyp – stark, mittel, schwach – drei transdermale Systeme an. Gemeinsam ist den Präparaten, dass sie alle einmal täglich gewechselt werden. Allerdings: Nicotinell® kleben die Rauchabstinenten für 24 Stunden, der Nicorette®-Hersteller Johnson&Johnson empfiehlt das Tragen nur während der wachen Phase des Tages, sprich an 16 Stunden. Ihr Argument: Nachts rauche man schließlich auch nicht. Als Klebefläche sollte die Apotheke den Oberarm, Oberkörper oder die Hüfte empfehlen. Der Vorteil: Die Pflaster sind unauffällig und sorgen gerade bei starken Rauchern für eine gute Grundversorgung mit Nikotin. Sie eignen sich vor allem für regelmäßige Tabakkonsumenten, weniger für reine Gelegenheitsraucher.

Kaugummis, Mundspray, Inhaler: für Gelegenheitsraucher 

Gelegenheitsraucher benötigen meist keine konstanten Nikotinspiegel, die dem physisch abhängigen Körper – besonders zu Entwöhnungsbeginn – den eigentlichen Suchtstoff Nikotin substituiert. Die Hin-und-wieder-Raucher kommen meist mit schnell freisetzenden nikotinhaltigen Präparaten gut zurecht. Kaugummis gibt es in unterschiedlichen Stärken und Geschmacksrichtungen – der Abstinenzwillige kaut diese, bis ein kräftiger Geschmack entsteht und „parkt“ den Kaugummi anschließend in der Backentasche. Diese Prozedur wiederholt er für 30 Minuten, danach entsorgt er den Kaugummi. Besonders rasch soll die Wirkung des Nikotinsprays von Nicorette® einsetzen. Der Raucher sprüht das Spray ein- bis zweimal in die Wangetasche, wenn er das Verlangen nach einer Zigarette verspürt.

Starke Raucher: Kombination aus Nikotinpflaster und oralem Produkt

Starken Rauchern mit schweren Entzugserscheinungen wird empfohlen, ein langwirksames Präparat mit einem schnell freisetzenden Akutpräparat zu kombinieren. Unter „starker Raucher“ fällt nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO ein Konsum von mehr als 20 Zigaretten pro Tag. Hinsichtlich der Erfolgschancen scheinen gerade stark abhängige Tabakkonsumenten von einer dualen Therapie, bei der Pflaster mit einem oralen Produkt, also einem Inhaler, Kaugummis, Lutschtabletten oder einem Spray, kombiniert werden, zu profitieren. Starke Raucher können beispielsweise eine transdermale Nikotinversorgung mit 25 mg Nikotin wählen, die „Notfallzigarette“ können Kaugummis oder Lutschtabletten à 2 mg sein, alternativ ein Spray oder Inhaler. Insgesamt sollte der Raucher eine maximale Gesamtdosis von 64 mg/Tag nicht überschreiten.

Wie lange sollen Raucher eine NET anwenden?

Zur Tabakentwöhnung sollen Raucher die NET über eine Dauer von acht bis zwölf Wochen anwenden und den Nikotinersatz während dieser Zeit Stück für Stück reduzieren, entweder durch wirkstoffärmere Kaugummis oder den gelegentlichen Ersatz nikotinhaltiger Kaugummis durch wirkstofffreie. Bei einer rein pflasterbasierten Therapie von starken Rauchern beginnen die werdenden Nichtraucher mit der stärksten Variante (Nicorette® 25 mg; Nicotinell® 52,5 mg/24h). Nach einer Dauer von acht Wochen empfiehlt Nicorette® auf die nächstschwächere Variante (Nicorette® 15 mg) zu wechseln, die Raucher für weitere zwei Wochen anwenden und anschließend für weitere zwei Wochen nochmals reduzieren (Nicorette® 10 mg). Nicotinell® empfiehlt starken Rauchern ein anderes Schema und wechselt im drei-bis-vier-Wochen-Rhythmus zu jeweils schwächeren Pflastern (Nicotinell® 35 mg/24h, Nicotinell® 17,5 mg/24h). Die Dauer einer NET kann in bestimmten Fällen von den ursprünglich empfohlenen acht bis zwölf Wochen abweichen, und zwar wenn ein guter Behandlungserfolg vorliegt, aber eine fortgesetzte Rückfallgefahr besteht. Hier kann die Nikotinersatztherapie auch über zwölf Wochen hinaus, also insgesamt bis zu sechs Monate, fortgeführt werden.

Helfen E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung?

E-Zigaretten kommen einem „normalen“ Zigarettenkonsum vom Handling fraglos am nächsten. Sie werden mittlerweile als Mittel zur Suchtentwöhnung ähnlich häufig eingesetzt wie Nikotinersatzpräparate aus der Apotheke. Eine kontrolliert randomisierte Studie fand vergleichbare Erfolgsquoten einer Entwöhnungstherapie mit Nikotinersatzpflastern und nikotinhaltigen E-Zigaretten. Keinen Unterschied gab es allerdings im Vergleich nikotinhaltige E-Zigarette vs. Placebo-E-Zigarette. Die Leitlinie steht der relativ neuen Methode der Rauchentwöhnung mittels E-Zigaretten nicht völlig ablehnend gegenüber. E-Zigaretten könnten als Möglichkeit zur Suchtentwöhnung oder „Harm-Reduction“ (Schadensbegrenzung) durchaus diskutiert werden. Bislang fehlten jedoch Langzeituntersuchungen bei der Anwendung von E-Zigaretten, die eine sorgfältige Abschätzung hinsichtlich der langfristigen gesundheitlichen Risiken erlaubten. Welche Gefahren sehen die Experten der Leitlinie? Ein Stoff, der im Zusammenhang mit E-Zigaretten immer wieder in der Kritik steht, ist Propylenglykol, das als Verneblungsmittel dient. Die Leitlinie bewertet Propylenglykol vor allem für E-Zigaretten-Nutzer mit bereits bestehenden Atemwegsbeschwerden als bedenklich. Auch wurden in manchen Liquids der E-Zigaretten Schwermetalle gefunden.

Psychotherapie hilft!

Rauchen ist kein rein körperliches Suchtproblem. Es macht auch psychisch abhängig. Viele Raucher verknüpfen bestimmte Alltagssituationen, z.B. die Pause mit den Kollegen, mit dem Rauchen. Diese Schlüsselreize lösen, unabhängig vom Nikotinspiegel, immer wieder das Verlangen nach einer Zigarette aus. Der psychischen Abhängigkeit beizukommen, ist meist ein langwieriges Projekt. Zusätzlich scheint die Hürde, das Suchtverhalten auf psychischer Ebene anzugehen, für Raucher meist höher, als sich in der Apotheke über Möglichkeiten zum Nikotinersatz beraten zu lassen. Allerdings: Psychotherapien unterstützen eine dauerhafte Tabakabstinenz. Zu diesem Schluss kommen die Experten der aktuellen Leitlinie. Sie empfehlen Rauchern – mit dem höchsten Empfehlungsgrad – verhaltenstherapeutische Maßnahmen wahrzunehmen.

Tipps für Raucher: Aufschieben und durchatmen, ausweichen, ablenken

Wie können sich Raucher selbst austricksen? Ganz einfach umzusetzen, obendrein noch völlig kostenlos, sind die drei A-Tipps, die Raucher beim Wunsch nach einer Zigarette anwenden können. Diese Ratschläge können PTA den künftigen Nichtrauchern zu jedem Nikotinersatzpräparat, seien es Pflaster, Kaugummis, Inhaler, Spray oder Lutschtabletten, mit auf den Weg geben.

  • Aufschieben: Wer den Wunsch nach einer Zigarette verspürt, sollte erst einmal zehnmal durchatmen.
  • Ausweichen: Raucher sollten Bereiche meiden, die eine besondere Versuchung darstellen, Rauchzonen am Bahnhof oder Bars/Kneipen mit Raucherlaubnis.
  • Ablenken: Ein einfaches Telefonat kann Rauchern helfen, den Fokus der Gedanken auf und den Wunsch nach einer Zigarette umzulenken. 

Besser sofort aufhören oder langsam reduzieren?

Wie kommt man nun am besten zum Erfolg? Viele Raucher hören von einem auf den anderen Tag mit dem Rauchen auf. Sie legen entweder im Voraus einen Tag fest, an dem sie ihren Nikotinkonsum beenden, oder entscheiden spontan, ab sofort auf Zigaretten zu verzichten. Man spricht in diesen Fällen von der sogenannten Schlusspunktmethode. Wem dieser Schnitt zu hart ist, der kann sich für die Reduktionsmethode entscheiden. Dabei wird der Zigarettenkonsum allmählich reduziert und mit dem Rauchen aufgehört, sobald man sich dazu bereit fühlt –  dies sollte innerhalb von sechs Monaten der Fall sein. Welche Methode für wen geeignet ist, hängt vom Charakter des Rauchers ab. Beide Wege können zum Erfolg führen.