Lippenherpes
Wissen am HV
9 min merken gemerkt Artikel drucken

Der unangenehme Begleiter, wenn das Immunsystem schwächelt

Bild: avizzara / Adobe Stock

Ein alter Bekannter

Viele Kunden kennen die Vorboten einer herannahenden Infektion genau und wissen, welche Produkte, für sie am besten funktionieren. Denn meistens ist es nicht ihr erster Ausbruch des Herpes-Virus. Laut der Deutschen STI-Gesellschaft (Sexually transmitted Infections) tragen über 90 Prozent der Erwachsenen weltweit das Virus in sich. Man spricht dabei von einer hohen Durchseuchung der Bevölkerung. Bei etwa 30 Prozent der Virusträger kommt es regelmäßig zu neuen sichtbaren Erkrankungsausbrüchen, bei einem Prozent sogar zu schweren Verläufen.

Nicht nur Lippen betroffen

Lippenherpes (Herpes labialis) wird im Großteil der Fälle von Herpes-simplex-Viren des Typ 1 (HSV-1) ausgelöst. Er tritt – wie der Name verlauten lässt – häufig im Mundbereich auf, kann aber auch an anderen Stellen im Gesicht Läsionen verursachen. So ist ein Befall der Nase und/oder der Augen für Betroffene besonders lästig und im letzteren Fall sogar gefährlich, wenn die Bindehaut infiziert ist. Auch HS-Viren vom Typ 2 (HSV-2), die eigentlich dafür bekannt sind, eine Herpesinfektion der Geschlechtsorgane hervorzurufen, können für einen Ausbruch im Gesicht sorgen und umgekehrt – HSV-1 kann auch Genitalherpes (Herpes genitalis) auslösen (25% von genitalen Herpesinfektionen kommen durch HSV-1). Von der strikten Unterteilung Typ 1 – Gesicht und Typ 2 – Genitalien wird mittlerweile Abstand genommen.

Erstinfektion meist im Kindesalter

Die Erstinfektion mit dem Virus findet häufig schon im Kleinkindalter statt. Eine Reihenuntersuchung ergab, dass 80 Prozent der Kinder bis zu ihrem zweiten Geburtstag Bekanntschaft mit den Herpes-Viren gemacht haben. Übertragen wird das Virus durch Kontakt- bzw. Schmierinfektionen und im Fall von Lippenherpes auch per Tröpfcheninfektion.

Die erste Infektion erfolgt meist symptomlos. Seltener kommt es bei Kindern zur sogenannten „Mundfäule“ (Stomatitis aphthosa), die sich durch schmerzhafte Läsionen der Mundschleimhaut äußert.

Rückzug in die Ganglien

Nach der Erstansteckung bleiben die Viren im Körper und persistieren, also ruhen in den Nervenknoten (Ganglien). Dort verbleiben sie, ohne dass ihre Anwesenheit den Virusträger einschränkt, denn das Immunsystem hält sie in Schach. Bei ca. einem Drittel der Träger kommt es allerdings zu einem akuten Herpes-Ausbruch, wenn das Immunsystem beansprucht wird.

Ausbruch von Triggern und Genetik abhängig

Die sogenannten „Trigger“ (Auslösefaktoren) für einen akuten Lippenherpes sind Stresssituationen, Erschöpfungszustände und Schlafmangel, eine ungesunde Lebensweise, Klimaveränderung (besonders UV-Strahlung im Sommer und Kälte im Winter), Fieber, Infektionskrankheiten, Traumata, Ekelgefühle und Hormonumstellungen bei Frauen (Schwangerschaft, Menstruation).

Zudem ist ein Ausbruch von der Genetik abhängig: Manche Menschen sind zwar Virusträger, es kommt bei ihnen aber, auch wenn das Immunsystem einmal schwächelt, nicht zu einem Herpesausbruch. Andere sind dagegen für eine Reaktivierung der Viren genetisch anfälliger. Ihre körpereigene Abwehr schafft es in manchen Fällt nicht mehr, die HS-Viren einzudämmen. Diese gelangen aus den Ganglien dann zurück in die Peripherie, befallen Zellen der äußeren Hautschicht und verursachen dort die Entstehung der typisch juckenden bis schmerzenden, geröteten und hoch infektiösen Bläschen.

Die Stadien einer Herpes-simplex-Infektion

Die verschiedenen Stadien können sich in Dauer und Schweregrad individuell sehr unterscheiden. Bei unkomplizierten Verläufen klingen die Läsionen, ohne dass sichtbare Narben zurückbleiben, nach sieben bis zehn Tagen ab.

PhaseSymptome
ProdromalphaseSchmerzen, Kribbeln, Brennen, Spannungsgefühl bei noch intakter Haut
ErythemphaseRötung der Haut
Papelphaseschmerzhafte Papeln entstehen
VesikelphasePapeln füllen sich mit HSV-haltigem hochinfektösem Sekret und bilden Vesikel
Ulzerations­phaseAufbrechen der Vesikel unter Bildung schmerzhafter, nässender Wunden
VerkrustungsphaseBildung von stark juckenden Verkrustungen und Schorf
Abheilungs­phaseAbheilen der Rötungen und Schwellungen i. d. R. ohne Narbenbildung

Tab. 1: Die sieben Phasen einer HSV-Infektion mit ihren typischen Symptomen.

Virustatika gegen Lippenherpes

In den allermeisten Fällen ist ein Herpes-Ausbruch für den Betroffenen zwar unangenehm, stellt aber keine akute Gesundheitsgefahr dar. Das Immunsystem arbeitet aktiv gegen die befallenen Zellen an und mit etwas Geduld reguliert sich der Ausbruch von selbst.

Topisch anzuwendende Präparate aus der Apotheke können zusätzlich Linderung verschaffen und den Krankheitsverlauf signifikant verkürzen. Vor allem in den frühen Stadien begonnen, helfen Aciclovir- (Zovirax® und Generika) oder Penciclovir-haltige Cremes (Pencivir®) den Lippenherpes effektiv einzudämmen.Im Zovirax duo ist neben Aciclovir der Wirkstoff Hydrocortison enthalten, der die Entzündungserscheinungen, wie Juckreiz und Schwellung, lindert.

Die virustatisch wirkenden Cremes helfen, vor allem bei frühzeitiger Anwendung, die Virusvermehrung zu hemmen. Bei schwererem Krankheitsverlauf reichen sie in der topischen Variante allerdings nicht mehr aus. Aciclovir wird dann per oral (p. o.) verabreicht, bei immunsupprimierten Patienten sogar intravenös (i. v.).

Förderung der Wundheilung und verringerte Ansteckungsgefahr

Obwohl Aciclovir und Penciclovir zu den effektivsten Wirkstoffen gegen Lippenherpes zählen, stehen in der Apotheke ergänzend bzw. alternativ noch weitere Wirkstoffe zur Verfügung. Um bei den topischen Präparaten anzuknüpfen, seien hier Docosanol (Muxan®) – ein gesättigter aliphatischer Alkohol –, sowie Melissenextrakt (Lomaherpan®) erwähnt. Beide sollen das Eindringen des Virus in die Wirtszelle verhindern, sofern sie rechtzeitig nach Auftreten der ersten Anzeichen angewendet werden.

Einem ähnlichen Wirkprinzip liegt die Behandlung mit Zinksulfat (z. B. Virudermin® Gel) zugrunde. Zink wirkt adstringierend, dadurch juckreizlindernd und fördert zusätzlich die Wundheilung. Dieser Heilungsprozess kann durch das Abdecken der Herpesbläschen mit Hydrokolloidpflastern (z. B. Compeed®) weiter beschleunigt werden. Desweiteren wird durch Anwendung der Hydrokolloidpflasterdas Ansteckungsrisiko minimiert und die Möglichkeit geboten, den Herpes durch Lippenstift oder MakeUp optisch zu verdecken. Sie sind also eine gute Zusatzempfehlung für Patienten mit Lippenherpes.

Von Hausmitteln sollte dagegen abgeraten werden: Zahnpasta, Essig, Teebaumöl und Co. wirken reizend und trocknen die Haut aus. Die Beschwerden können dadurch verschlimmert werden.

Wann wird Lippenherpes gefährlich?

Nicht selten klagen Betroffene über mehrere Ausbrüche im Jahr, wobei es oft bessere und schlechtere Phasen gibt. Schwächelt das Immunsystem, werden die im Körper schlummernden Herpes-simplex-Viren reaktiviert und sorgen für juckende, schmerzende, rote Papeln, die auch andere anstecken können. Zwar sind die akuten Infektionenkosmetisch oft recht unansehnlich und deshalb für Betroffene lästig, dennoch stellen sie für ansonsten Gesunde keine weitere Gefahr dar.

Doch nicht immer läuft eine Herpes-simplex-Infektion so glimpflich ab. Manche Virusträger bekommen keinen „klassischen“ Lippenherpes, sondern die Läsionen zeigen sich anderswo im Gesicht. So können von den gleichen Viren beispielsweise die Augen betroffen sein. Greift das Virus die Zellen der Bindehaut an, können irreversible Sehstörungen drohen. Ein Herpes-Ausbruch am oder im Auge sollte daher auf jeden Fall in ärztliche Hände gegeben werden.

Was aber, wenn das Immunsystem seine Arbeit in der Virusabwehr nicht ausreichend verrichten kann?. Erkrankungen des Immunsystems – allen voran HIV – sowie die Therapie mit Immunsuppressiva (bei z. B. Autoimmunerkrankungen) sorgen dafür, dass Herpes-Viren nicht ausreichend bekämpft werden und sich so beinahe ungehindert im Körper ausbreiten können. Auch für Patienten während einer Chemotherapie besteht eine akute Gefahr durch eine Herpes-simplex-Infektion. Der Körper kämpft gegen den Krebs – und zwar unterstützt von wirklichen „Arzneikeulen“, die jedoch zum Nachteil haben, das körpereigene Immunsystem zurückzudrängen. Der Organismus ist unter den Chemotherapeutika einem solchen Stress ausgesetzt, dass das Herpes-Virus ernsthafte Schäden anrichten kann. Denn wenn das Immunsystem nicht vollständig arbeiten kann, können die Viren größere extrem schmerzhafte Läsionen auf Haut und Schleimhaut hinterlassen oder Blut und Organe des Infizierten „überwuchern“.

Nicht nur für erkrankte Personen, sondern auch ältere Menschen und Säuglinge können Herpes-Viren eine ersthafte Bedrohung darstellen: Trägt eine werdende oder frischgebackene Mutter Herpes-Viren in sich, ist es möglich, dass sie diese vor, während oder nach der Geburt auf das Kind überträgt. Vor und während der Entbindung besteht die Gefahr vor allem, wenn die Mutter einen aktiven Genitalherpes hat, weswegen die Kinder – wenn die Herpes-Erkrankung bekannt ist – möglichst per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht werden sollen. Nach der Geburt kann der Säugling z. B. über Küsse von Angehörigen infiziert werden. Für Neugeborene – besonders innerhalb der ersten zwei Lebenswochen – ist eine Infektion besonders schlimm und wird in der Regel unter strenger Beobachtung auf der Intensivstation therapiert.

Dass die Herpes-Viren so gefährlich für Babys sind, liegt daran, dass deren Immunsystem noch nicht ausreichend entwickelt ist und sich die Viren so ungehindert in die Organe ausbreiten und diese schädigen können. Denn gegen HSV besteht kein Nestschutz, der von der Mutter auf das Kind übertragen werden kann. So kann eine Infektion eines Säuglings drei schwere Verlaufsformen annehmen, die etwa gleich häufig auftreten können.

Die erste davon betrifft vor allem Haut, Schleimhaut und Augen. Die Sehfähigkeit kann dadurch dauerhaft zu Schaden kommen, bis zur Hornhauttrübung oder sogar Erblindung. Dazu kommt, dass der Säugling Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme möglicherweise verweigert, wenn die Mundschleimhaut durch das Virus schmerzt und geschwollen ist.

In der zweiten Verlaufsform befallen die Viren das zentrale Nervensystem, was im schlimmsten Fall zur Gehirnentzündung (Herpes-Enzephalitis) führt. Der Säugling zeigt ca. eine Woche nach der Infektion grippeähnliche Symptome (Teilnahmslosigkeit, Trinkschwäche, Krampfanfälle, Fieber) und in manchen Fällen auch die typischen Herpesbläschen auf der Haut. Je nach Zeitpunkt des Therapiebeginns, überleben 50 bis 80 Prozent der Säuglinge diesen Krankheitsverlauf nicht.

Genau so dramatisch kann die dritte Form der Herpes-Infektion bei einem Neugeborenen verlaufen. Dabei wird die Infektion mit HSV systemisch und infiziert Blut sowie Organe, sodass es zum Multiorganversagen mit Todesfolge kommen kann. Zeigt ein Säugling oder eine immungeschwächte Person, Anzeichen eines Herpes-Ausbruch beschriebener Art, muss sofort eine medizinische oder sogar intensivmedizinische Betreuung stattfinden. Die antivirale Therapie wird schnellstens begonnen, um die Ausbreitung und Folgeschäden einzudämmen. Quellen: Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen, 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (2008), www.dstig.de/was-sind-stdsti/herpes-genitalis.html, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-6-2018/buetzchen-heute-nicht, www.amboss.com/de/wissen/Herpesvirus-Infektionen, www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/herpes-simplex/was-ist-herpes/ 

Zurück