Rezeptur
Praxiswissen
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Nicht plausibel: Muss jede Rezeptur beliefert werden?

PTA überprüft Plausibilität einer Rezeptur
 Was ist zu tun, wenn eine Rezeptur nicht plausibel ist? | Bild: Gerhard Seybert / AdobeStock

Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:

Wir sollen aufgrund einer ärztlichen Verordnung die beiden Wirkstoffe Erythromycin und Harnstoff zusammen in einer hydrophilen Grundlage verarbeiten. Nachdem wir die Plausibilität der Zubereitung überprüft haben, sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rezeptur nicht plausibel ist. Doch der Arzt besteht auf einer Herstellung der Zubereitung ohne Änderung. Müssen wir die Rezeptur herstellen?

Anfrage einer Apotheke an die PTAheute-Onlineredaktion

Rezeptierbarer pH-Bereich von Erythromycin und Harnstoff

Nicht geprüfte Rezepturen mit Erythromycin sind der Apotheke als problematische Zubereitungen bekannt, denn bei ungünstigen pH-Verhältnissen kann sich der Wirkstoff innerhalb weniger Stunden zersetzen. Der optimale pH-Wert für die Substanz bezüglich Wirksamkeit und Stabilität liegt bei pH 8 bis 8,5. Bei sauren, neutralen und stark basischen pH-Werten gilt Erythromycin als instabil. 

Bei Harnstoff als zweitem Wirkstoff liegt der optimale pH-Wert in wasserhaltigen Zubereitungen jedoch bei 6,2. Auch wenn der rezeptierbare pH-Bereich deutlich breiter ist, sollten entsprechende Cremes durch Zugabe eines Puffers auf leicht saure pH-Werte eingestellt werden. Schon bei geringer Zersetzung des Harnstoffs kommt es durch entstehendes Ammoniak zu einem starken pH-Anstieg, der den weiteren Abbau beschleunigt.

Darum ist die Rezeptur nicht plausibel

Wird also in der verschriebenen Rezeptur ein Puffer zugesetzt, stellt sich der pH-Wert auf leicht saure Werte ein und Erythromycin wird inaktiviert. Lässt man den Puffer weg, kommt es durch die Zersetzung des Harnstoffs zu hohen pH-Werten, die ebenfalls zu einer Instabilität von Erythromycin führen. 

Die Zubereitung gilt daher als unplausibel und darf in der Apotheke nicht hergestellt werden. Zur Problemlösung können zwei getrennte Rezepturen hergestellt werden. Die Applikation muss dann zeitversetzt erfolgen.

Plausibilität: Das muss überprüft werden

Vor der Herstellung einer Rezeptur muss diese auf ihre Plausibilität überprüft werden. Das gilt sowohl für verschreibungspflichtige als auch für nicht verschreibungspflichtige Zubereitungen. Laut § 7 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssen dabei folgende Punkte überprüft werden:

  • Dosierung
  • Applikationsart
  • Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe untereinander sowie deren gleichbleibende Qualität im fertig hergestellten Arzneimittel über dessen Haltbarkeitszeitraum
  • Haltbarkeit des Rezepturarzneimittels

Stellt die Apotheke eine Rezeptur häufiger her, muss die Plausibilitätsprüfung nicht vor jeder Herstellung erfolgen. Es kann sich dann auf eine bereits durchgeführte Prüfung bezogen werden. Dies gilt jedoch zeitlich nicht unbegrenzt, da alle Arzneimittel nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft herzustellen sind. 

Alle Rezepturen sollten daher in einem regelmäßigen Rhythmus von 1 bis 2 Jahren überprüft werden.

Nicht plausibel aufgrund bedenklicher Inhaltsstoffe

Eine nicht plausible Rezeptur darf in der Apotheke nicht hergestellt werden. Dabei kann es sich zunächst um Zubereitungen mit bedenklichen Inhaltsstoffen handeln, denn nach § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) ist es „verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen“. Enthält eine Zubereitung also bedenkliche Stoffe, ist eine Abgabe verboten. 

Bedenklich sind dabei solche Arzneimittel, „bei denen nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben“. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat eine Liste mit bedenklichen Inhaltsstoffen zusammengestellt, diese bezieht sich auf Rezepturarzneimittel zur Anwendung beim Menschen. Darauf sind beispielsweise 

  • Arnikablüten zum Einnehmen,
  • aliphatische Amine oder auch
  • Bufexamac

zu finden. Diese Zusammenstellung bedenklicher Inhaltsstoffe ist unter anderem im NRF im Kapitel I.5.2.1. zu finden.

Plausibilität: Inhaltsstoffe müssen kompatibel sein

Weiterhin enthält das Arzneimittelgesetz auch ein Abgabeverbot für „Arzneimittel, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind“ (§ 8 AMG). Dies würde auf das oben beschriebene Rezepturbeispiel zutreffen. 

Werden zwei unverträgliche Wirkstoffe miteinander verarbeitet oder wird ein Wirkstoff außerhalb seines rezeptierbaren pH-Bereichs eingesetzt, dann resultiert ein Arzneimittel von zweifelhafter pharmazeutischer Qualität.

Gut zu wissen: Was ist bei Überschreitung der therapeutischen Konzentration?

Im Rahmen seiner Therapiefreiheit darf der Arzt die obere Richtkonzentration für Wirkstoffe überschreiten. Diese Überschreitung muss jedoch auf dem Rezept durch einen Vermerk kenntlich gemacht werden. Fehlt ein solcher Hinweis, gilt die Konzentrationsüberschreitung als Unklarheit und muss vor der Herstellung der Rezeptur durch Rücksprache mit dem Arzt geklärt werden.

Apotheke hat das „letzte Wort“ – vor allem bei galenischen Problemen

Ergibt die Abschlussbewertung der Plausibilitätsprüfung, dass das Rezepturarzneimittel nicht hergestellt werden kann, ändert auch der erklärte Wille des Arztes daran nichts. Die eigentlich bestehende Pflicht der Apotheke, Verschreibungen in angemessener Zeit auszuführen (§ 17 Abs. 4 ApBetrO), greift im Falle einer unplausiblen Rezeptur nicht. 

Allein die Apotheke als letzte Kontrollinstanz in der Arzneimittelversorgung beurteilt die Plausibilität des Arzneimittels, weil sie die hierzu notwendige pharmazeutische Kompetenz besitzt. Galenische Probleme können von ärztlicher Seite normalerweise nicht ausreichend kompetent beurteilt werden, da Galenik kein elementarer Bestandteil der Ausbildung ist. 

Zur Problemlösung sollte das Gespräch mit dem Arzt gesucht werden, dabei sollten konkrete Lösungsvorschläge vorgestellt werden. Das Ergebnis dieser Rücksprache ist schriftlich zu dokumentieren. 

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Arzt einer Verletzung seiner berufsrechtlichen Pflichten schuldig machen kann, wenn er den erforderlichen Dialog mit der Apotheke verweigert. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind für den Arzt nicht auszuschließen, wenn er seinen notleidenden Patienten aufgrund der Weigerung, das Rezept anzupassen, unversorgt lässt.

Nicht immer ist Rücksprache mit dem Arzt erforderlich!

Allerdings muss der Arzt auch nicht in allen Fällen kontaktiert werden. Denn laut § 7 ApBetrO ist die Apotheke bei der Wahl der Ausgangsstoffe, die keine eigene arzneiliche Wirkung haben und die arzneiliche Wirkung nicht nachteilig beeinflussen, frei. 

Das bedeutet: Der Austausch einer Dermatikagrundlage oder der Zusatz eines Puffers bedürfen nicht zwangsläufig einer ärztlichen Rücksprache. Die Apotheke hat damit wesentlich mehr Möglichkeiten, eine an sich erstmal unplausible Rezeptur eigenverantwortlich „zu retten“, als allgemein angenommen. Quellen: Arzneimittelgesetz (AMG), Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) 

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