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Wie der Klimawandel die Gesundheit beeinflusst

Alter Mann kühlt Kopf mit feuchtem Tuch
Die zunehmende Hitze wird nicht nur älteren Menschen und Kranken Probleme bereiten. | Bild:  dvoevnore / AdobeStock

Gerade in den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, wie schnell die Änderung des Klimas voranschreitet. Der Klimawandel ist auch in Deutschland spürbar geworden: Das Jahr 2022 war das wärmste in Deutschland. Außerdem war es das vierte Jahr in Folge mit einer ausgeprägten Frühjahrstrockenheit. Immer häufiger kommt es zu Extremwetterereignissen wie Dürren, Niedrigwasser, Starkregen, Sturm und Überschwemmungen. Alle diese Faktoren beeinflussen die menschliche Gesundheit – in direkter und indirekter Weise.  

Die aktuellen Erkenntnisse zum Thema Klimawandel und Gesundheit fasst ein neuer Sachstandsbericht unter Federführung des Robert Koch-Instituts zusammen. Mehr als 90 Experten aus über 30 Forschungseinrichtungen und Behörden waren daran beteiligt.  

Zunehmende Hitzebelastung

Zunehmende Hitze gehört zu den offenkundigsten Folgen des Klimawandels. Hinsichtlich Intensität, Dauer und Häufigkeit wird Hitze wohl weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund geht der neue Sachstandsbericht davon aus, dass die Zahl hitzebedingter Todesfälle stark steigen wird. Betroffen sind insbesondere ältere Personen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. 

So könnte die Sterblichkeit durch ischämische Herzerkrankungen, bei denen es zu einer Verengung der Herzkranzgefäße kommt, um 90 bis 150 Prozent bis zum Jahr 2050 zunehmen. Auch Todesfälle durch chronische Erkrankungen der unteren Atemwege könnten in diesem Zeitraum um bis zu 150 Prozent zunehmen. 

Erhöhte Konzentration an Luftschadstoffen

Hitze nimmt zudem auf indirekte Weise Einfluss auf Herz-Kreislauf- und untere Atemwegserkrankungen: Wärmere Sommer und ausgeprägte Hochdruckwetterlagen begünstigen die Anreicherung von bodennahem Ozon. Verstärkt wird dieser Effekt durch Trockenstress bei Pflanzen, der die Aufnahme von Ozon verringert. Eine erhöhte Ozonexposition geht mit steigenden Raten an Herzinfarkten einher, wie der neue Sachstandsbericht darlegt.  

Die klimawandelbedingte Dürre verursacht trockene Böden. Durch Verwehungen gelangt dann vermehrt Feinstaub in die Luft. Auch die häufiger auftretenden Vegetationsbrände tragen zu mehr Feinstaub bei. Eine erhöhte Feinstaubbelastung beeinträchtigt die Lungenfunktion und kann Asthma und Lungenkrebs hervorrufen. Ebenso kann Feinstaub das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.  

Häufigere Extremwetterereignisse

Neben langen Dürrephasen wird es im Rahmen des Klimawandels auch häufiger zu intensiven Regenfällen kommen. Bereits jetzt hat in Deutschland und Westeuropa die Intensität der Regenfälle um bis zu 19 Prozent zugenommen, wie aus dem aktuellen Sachstandsbericht hervorgeht. Überschwemmungsereignisse sind damit um bis zu 9-mal wahrscheinlicher geworden. Überflutungen bergen auch die Gefahr, dass sich infolge reduzierter Hygiene Krankheitserreger ausbreiten können. 

Erhöhte Allergiebelastung 

Der Klimawandel beeinflusst auch die Allergenexposition. So beginnt die Pollensaison früher und endet später. Außerdem werden insgesamt mehr Pollen freigesetzt. Darüber hinaus können höhere Temperaturen und ein Anstieg der CO2-Konzentration der Luft die Allergenität von Pollen erhöhen. Es ist also mit mehr und stärkeren Pollen-assoziierten allergischen Erkrankungen zu rechnen. 

Hinzu kommt, dass sich durch die klimatischen Veränderungen bei uns immer mehr gebietsfremde Arten ansiedeln können. Ein bekanntes Beispiel ist die Ambrosia-Pflanze mit ihrem hohen Allergenpotenzial. 

Stärkere UV-Strahlungsbelastung 

In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland immer mehr Sonnenscheinstunden. Dadurch hat insgesamt auch die UV-Strahlendosis zugenommen. Die Gefahr für UV-strahlungsbedingte Erkrankungen von Haut und Augen, einschließlich Krebserkrankungen, steigt daher. 

Zunahme der von Stechmücken und Zecken übertragenen Erkrankungen 

Aufgrund des Klimawandels ist auch eine Zunahme übertragbarer Krankheiten zu erwarten. Das betrifft zum Beispiel Infektionskrankheiten, die durch von Stechmücken übertragene Viren ausgelöst werden. Dazu gehören Krankheiten, die bisher vorwiegend in tropischen oder subtropischen Regionen verbreitet waren: Chikungunya, Dengue und West-Nil-Fieber.

Wärmeliebende Stechmückenarten wie zum Beispiel die Asiatische Tigermücke werden in unseren Breiten zunehmend bessere Lebensbedingungen vorfinden und sich ausbreiten. Bei höheren Temperaturen erfolgt auch die Virenvermehrung in den Stechmücken schneller. Noch dazu sind die Insekten bei Wärme aktiver und stechen häufiger. Die Erregerübertragung und damit das Erkrankungsrisiko des Menschen nehmen also zu.  

Auch die Lebensbedingungen für Zecken verbessern sich hierzulande mit den klimatischen Veränderungen. Schon seit einigen Jahren findet man in Deutschland tropische Hyalomma-Zecken. In ihrer Heimat übertragen sie unter anderem das Zecken-Fleckfieber. Mit steigenden Temperaturen könnten die tropischen Zecken hier feste Populationen bilden.  

Doch auch heimische Zecken wie der Gemeine Holzbock profitieren von steigenden Temperaturen, insbesondere milderen Wintern. Sie sind länger im Jahr aktiv und besiedeln auch Regionen, die bisher zeckenfrei waren, etwa Berglagen. Das kann steigende Raten an zeckenübertragenen Krankheiten wie FSME und Borreliose nach sich ziehen. 

Mehr lebensmittelbedingte Infektionen 

Auch die Häufigkeit lebensmittelbedingter Infektionen wird vom Klimawandel beeinflusst. Im Fokus stehen dabei bakterielle Magen-Darm-Infektionen durch die Erreger Campylobacter und Salmonella. Laut aktuellem Sachstandsbericht steigen Krankheitsfälle durch Salmonellen linear mit der Lufttemperatur um 5 bis 10 Prozent pro Grad Celsius an. Längere und heißere Sommer ermöglichen also die Zunahme solcher Infektionen. 

Anstieg von Antibiotikaresistenzen 

Ein bisher wenig beachteter Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit sind antibiotikaresistente Infektionen. Durch höhere Temperaturen könnten Antibiotikaresistenzen zunehmen. Darauf deuten Laboruntersuchungen mit den häufigen Krankheitserregern Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Staphylococcus aureus hin. Es zeigte sich, dass ein Temperaturanstieg von 10 Grad Celsius mit einem Anstieg der Antibiotikaresistenz von 4,2 Prozent, 2,2 Prozent bzw. 2,7 Prozent verbunden ist. 

Auswirkungen auf die psychische Gesundheit 

Der Klimawandel kann auch die psychische Gesundheit der Menschen beeinträchtigen. Klimawandelbedingte Wetterereignisse und Naturkatastrophen verursachen häufig Angst, Stress, Schlafstörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.  

Viele Menschen sind außerdem besorgt über die Zukunft der Erde. Das Bewusstsein für die allmählichen Veränderungen der Umwelt kann zu Gefühlen von Verlust, Hilflosigkeit und Frustration führen. Dieser Zustand wird als Eco Anxiety („Umwelt-Angst“) bezeichnet.  

Sowohl Klimaschutz als auch Anpassungsmaßnahmen erforderlich

Nach Überzeugung der Verfasser des Sachstandsberichts erfordert der Klimawandel zwei Maßnahmenfelder: zum einen Klimaschutzmaßnahmen, um die Erderwärmung zu begrenzen, zum anderen Anpassungsstrategien, damit der Mensch auch unter einem sich ändernden Klima gesund bleibt.  

Im Rahmen der Anpassungsstrategien nennen die Experten Interventionen wie Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung, beispielsweise die Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). 

Außerdem seien verschiedene Maßnahmen erforderlich, zum Beispiel Pflanzungen von Straßenbäumen und Straßenbegleitgrün, Begrünung von Fassaden, größere Grünflächen, verschattete öffentliche Bereiche, Hitzeaktionspläne in Ländern und Kommunen. Generell sei hier ein interdisziplinäres Handeln erforderlich, das den Gesundheitsbereich, den Verkehrs-, Bau- und Umweltsektor etc. miteinbeziehe. Quelle: Robert Koch-Institut (RKI)