Aktuelles
3 min merken gemerkt Artikel drucken

Engpässe bei Grippeimpfstoffen: Kann man Flucelvax® Tetra nicht einfach nachproduzieren?

Lässt sich nicht einfach noch Grippeimpfstoff nachproduzieren? PTAheute hat mit Seqirus gesprochen, dem Hersteller von Flucelvax Tetra, dem derzeit in Deutschland einzigen säugetierzellkulturbasierten Grippeimpfstoff. | Foto: Seqirus

Grippeimpfstoffe zu produzieren, ist herausfordernd: Die Vakzinen müssen für jeden Grippewinter speziell hergestellt werden, je nach den Empfehlungen der WHO ändert sich in der Regel die Zusammensetzung einer oder mehrerer Komponenten. Zusätzlich setzen die meisten Hersteller von Grippeimpfstoffen auf die Züchtung der Influenzaviren in Hühnereiern, und auch diese speziellen Serumeier wollen rechtzeitig – also Monate zuvor – bestellt werden, so dass sie zum Produktionsstart eingesetzt werden können.

Herstellungsprozess in Zellkulturen vorteilhaft

Dass Influenzaimpfstoffe aus Hühnereiern somit nicht einfach und schnell nachproduziert werden können, leuchtet ein – doch ist nicht gerade ein Vorteil von zellkulturbasierten Grippeimpfstoffen, wie Flucelvax® Tetra, dass der Herstellprozess im Falle einer Influenzapandemie schneller gestartet werden kann? Diesen Vorteil benennt auch die US-amerikanische Seuchenbehörde (CDC, Centers for Disease Control and Prevention): „Ein möglicher Vorteil der Zellkulturtechnologie besteht darin, dass sie im Falle einer Pandemie einen schnelleren Start des Impfstoffherstellungsprozesses ermöglichen könnte.“ Der Produktionsstart könne deswegen rascher erfolgen, da die Zellen, die zur Herstellung von zellkulturbasierten Vakzinen verwendet werden, tiefgefroren aufbewahrt und gelagert werden. Diese Zellbanken stellten sicher, dass ein ausreichender Vorrat an Zellen für die Impfstoffproduktion leicht verfügbar ist. Somit sei die Züchtung der Grippeviren in Zellkulturen nicht von einer Eizelle abhängig, heißt es weiter. 

Als zellkulturbasierter Grippeimpfstoff ist seit Dezember 2018 Flucelvax® Tetra auch in Deutschland zugelassen. Warum nutzt man diesen Vorteil folglich nicht aktuell? Denn über Engpässe bei Grippeimpfstoffen berichten derzeit zahlreiche Apotheken, Arztpraxen und auch Patienten. PTAheute hat bei Seqirus, dem Hersteller von Flucelvax® Tetra, nachgefragt.

Nur der Start der Produktion erfolgt schneller

Es ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn auch die Impfstoffentwicklung in Zellkulturen dauere etwa zwölf bis 18 Monate, wie Seqirus erklärt. So sei die Vorlaufzeit für die beiden Herstellungsverfahren – zellkulturbasierte und eibasierte Impfstoffe –  in etwa gleich lang. Die zellkulturbasierte Produktion ist jedoch unabhängig von der Verfügbarkeit von Hühnereiern. Folglich liegt ihr Vorteil gar nicht primär in der schnelleren Produktion, sondern darin, dass diese eine von Hühnereiern unabhängige Herstellung ermöglicht und eine Ei-Adaptation verhindert. Letzteres soll mit einer besseren Wirksamkeit der Grippeimpfstoffe einhergehen.

Viele Produktionsschritte bei Hühnereiern und Zellkulturen gleich

Dies bestätigt Seqirus im direkten Gespräch mit PTAheute: „Auch die Grippeimpfstoffherstellung in Säugetierzellkulturen ist ein komplexer und vielteiliger Prozess. Viele Schritte – wie Bulk-Herstellung, zahlreiche Qualitätskontrollen, Abfüllung und Verpackung – entsprechen der bei der Produktion in Hühnereiern. Was die Schnelligkeit der Produktion angeht, so ermöglicht die zellkulturbasierte Technologie allerdings einen schnelleren Produktionsstart.“ Fazit: Der Start kann schneller erfolgen, die Herstellung dauert jedoch gleich lang. Somit kann auch Seqirus bei Impfstoffmangel nicht einfach aus dem Stegreif neue Grippeimpfstoffe verfügbar machen.