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Melatonin-Gummibärchen für Kinder: ein Internet-Trend

In den sozialen Medien kursiert derzeit der Trend, Kindern Melatonin-Gummibärchen zum schnellen Einschlafen zu geben. Was ist dran an dem Hype? | Bild: kittyfly / AdobeStock

Angetrieben wurde die Debatte durch ein Interview von Schauspielerin Kristen Bell, die ihren Kindern jeden Abend diese Gummibärchen gibt. Über das Einschlafverhalten ihrer beiden Töchter (7 und 9 Jahre alt) sagt sie: „Es haut sie einfach schneller um und es geht ihnen super.“ Online scheint es aktuell im Trend zu liegen, seine Kinder mit Melatonin schneller zum Schlafen zu bringen. Doch ist das wirklich so ungefährlich?

Melatonin-Produkte sind teilweise frei verkäuflich

In Deutschland gibt es verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige Arzneimittel mit Melatonin sowie als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) deklarierte frei verkäufliche Produkte. Und genau da beginnt die Problematik: Nahrungsergänzungsmittel dürfen überall verkauft werden – im Netz, in der Drogerie oder der Apotheke. Vor allem die frei verkäuflichen Präparate glänzen mit einem bunten und lebhaften Packungsdesign. 

Auf TikTok kann man sehen, dass in den USA einige Verpackungen direkt auf die Zielgruppe Kinder abzielen: Bunte Gummibärchen mit einem Tieraufdruck auf dem Etikett suggerieren, ein ganz harmloses „Lebensmittel“ in den Händen zu halten. Kommen die Kunden in die Apotheke, können PTA sehr hilfreiche Tipps zum Umgang mit den Melatonin-Produkten geben.

Gut zu wissen: Melatonin – das körpereigene Schlafhormon

Melatonin wird laut Zulassung in Deutschland zur kurzzeitigen Anwendung bei Schlafstörungen für Kinder und Jugendliche zwischen 2 und 18 Jahren empfohlen. Allerdings ausschließlich für Kinder mit neuropsychiatrischen Erkrankungen wie einer Autismus-Spektrum-Störung und erst dann, wenn Schlafhygiene-Maßnahmen nicht zum erwünschten Erfolg führen. Empfohlen wird eine Dosis von 2 mg, ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen, wobei eine Dosierung auf bis zu 10 mg möglich ist.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen

  • Erschöpfung,
  • „Hang-Over-Effekt“,
  • leichte Reizbarkeit,
  • Kopfschmerzen,
  • Stimmungsschwankungen und
  • Aggressivität.

Außerdem ist zu beachten, dass Melatonin über das CYP1A-Enzym verstoffwechselt wird. Dosisanpassungen oder Rücksprache mit einem Arzt sind daher wichtig bei der zusätzlichen Einnahme von Fluvoxamin, Carbamazepin oder Cimetidin. Auch wenn die Präparate gut verträglich sind, sind Langzeituntersuchungen noch nicht vorhanden.

Tipps für eine bessere Schlafhygiene bei Kindern

Bevor man einem Internet-Trend folgt, sollte man als Eltern ein Augenmerk auf eventuelle Ursachen für das schlechte Einschlafen legen. Der erste Schritt ist die Umsetzung von Empfehlungen zur Schlafhygiene

Meistens haben sich Gewohnheiten eingeschlichen, die einem gesunden Schlaf-wach-Rhythmus entgegenwirken. Helfen können gleichbleibende Schlafenszeiten, ein abendliches Zu-Bett-geh-Ritual sowie die Minimierung von äußeren Reizen. Dazu zählen der Fernseher, das Handy oder andere elektronische Geräte, welche die Gedanken eher aktivieren als beruhigen. Ein Buch oder eine entspannte Musik können hingegen das natürliche Einschlafvermögen verbessern.

Bei langanhaltenden Schlafstörungen ist immer zuerst der Gang zum Kinderarzt ratsam, um neurologische oder psychische Ursachen festzustellen bzw. auszuschließen. In diesem Zuge können sich Eltern auch über die Anwendung von Melatonin-Präparaten für Kinder beraten lassen. 

Medikamente und NEM mit Arzt abklären

Die generelle Gabe von Medikamenten sowie Nahrungsergänzungsmitteln sollte immer zuerst kritisch hinterfragt werden und ohne Abklärung nur über einen kurzen Zeitraum erfolgen. Außerdem ist bei der Einnahme von Melatonin-Präparaten aus dem Internet Vorsicht geboten, denn Nahrungsergänzungsmittel können weitere Inhaltsstoffe enthalten, die eventuell unnötig sind. 

Eine fachliche Aufklärung zu Melatonin in den sozialen Medien wäre ebenfalls wichtig, damit solche Trends nicht irgendwann Folgen für die betroffenen Kinder nach sich ziehen. Literatur:
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Melatonin_50325
https://www.spiegel.de/panorama/leute/kristen-bell-gibt-ihren-kindern-melatonin-gummibaerchen-zum-einschlafen-a-2a609db8-7ba6-4fce-b6f1-6e38239f5c34
https://www.dgsm.de/fileadmin/dgsm/Arbeitsgruppen/paediatrie/Melatonin_Kindesalter_2018.pdf
https://www.focus.de/familie/kindergesundheit/tiktok-trend-melatonin-gummibaerchen-sollen-kinder-schnell-einschlafen-lassen-es-haut-sie-um_id_128081868.html