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Heilpflanzen: unterschätztes Potenzial für die Medizin?

Hände sammeln Thymianblüten
Das heilende Potenzial vieler Pflanzen ist noch unbekannt, gleichzeitig sind sie in ihrer Existenz bereits bedroht. | Bild: Halfpoint / AdobeStock

Wissenschaftler wollen die Erforschung von Heilpflanzen systematisch vorantreiben. Mit ihnen könne die medizinische Versorgung der Menschheit gesichert werden, schreibt die Gruppe um Spyros Theodoridis vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt im Fachjournal „The Lancet Planetary Health“. Die Forscher weisen aber auf die Gefahren hin, die die Klimakrise für diese wichtigen Naturressourcen darstellt.

Als naturbasierte, kostengünstige und effiziente Gesundheitsressource böten Heilpflanzen und ihre bioaktiven Stoffe enorme Möglichkeiten für die zukünftige medizinische Versorgung der Menschheit, erklärt Theodoridis. 

Tatsächlich wissen wir aber noch lange nicht alles über Heilpflanzen. „Von etwa 374.000 bekannten Pflanzenarten sind bislang nur 15 Prozent chemisch analysiert – und gerade einmal sechs Prozent wurden unter pharmakologischen Gesichtspunkten untersucht“, sagt der Wissenschaftler. 

Interesse an Heilpflanzen wächst

Die Hälfte der Arzneimittel, die in den vergangenen vier Jahrzehnten weltweit zugelassen wurden, basiere auf den Inhaltsstoffen medizinischer Pflanzen oder sei nach ihrem Vorbild entwickelt worden, haben die Autoren recherchiert. 

So stammt das traditionelle Schmerzmittel Morphium aus dem Schlafmohn und Salicylsäure wurde früher aus der Rinde von Weiden gewonnen. Es findet sich heute technisch hergestellt und leicht verändert unter anderem in Aspirin.

In ihrer Studie stellen die Autoren fest, dass das Interesse an Heilpflanzen in den letzten Jahren durch neue Analyseverfahren erneut zugenommen hat. Die rasanten Entwicklungen auf den Gebieten der Metabolomik (Erforschung von Stoffwechselprodukten) und der Genomik (molekularbiologische Untersuchung der DNA) eröffneten neue Möglichkeiten. So konnten zum Beispiel im Genom der Eibe jene Gene identifiziert werden, die für die Synthese des Stoffs Paclitaxel verantwortlich sind, einem wichtigen Krebsmedikament.

Heilpflanzen durch Klimawandel bedroht

Allerdings sind Heilpflanzen, sowohl traditionelle als auch noch unbekannte, durch den Menschen bedroht. Bewährte Gewächse wie die Sideritis-Arten, die als griechischer Bergtee u. a. bei Erkältungen angewendet werden, stünden durch übermäßiges Sammeln vor dem Aussterben.

Zudem bedroht die Klima- und Biodiversitätskrise ganze Ökosysteme. „Die bioaktiven Pflanzenstoffe, die wir als Heilmittel einsetzen, erfüllen in der Natur spezifische Aufgaben in der Interaktion von Pflanze und Ökosystem – von der Bestäubung bis zur Bodenqualität“, erklärt Ko-Autor David Nogués Bravo vom Center for Macroecology, Evolution and Climate der Universität Kopenhagen. 

Dürre, extreme Temperaturen und eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre könnten dieses komplexe Zusammenspiel stören. Klima- und Biodiversitätsforschung müssten zusammenarbeiten, um geeignete Schutzkonzepte zu schaffen.

Forscher erfassen Potenzial von Heilpflanzen und deren Gefährdung

Am Beispiel von Europa haben die Forschenden eine Reihe von Indikatoren entwickelt, um das Potenzial für Heilpflanzen sowie deren Gefährdung zu erfassen. Besonders betroffen scheinen hier die Mittelmeerregion und polarnahe Gebiete zu sein.

„Unser Ziel ist es, Anstöße für die transdisziplinäre globale Erforschung von medizinischen Pflanzen zu geben. So können wir in der Zukunft nichts weniger als eine nachhaltige Transformation der weltweiten Gesundheitsversorgung erreichen und die ‚medizinische Biodiversität‘ für kommende Generationen sichern“, fasste Theodoridis zusammen. Quelle: dpa / mia