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Ethanol als Antidot: Vergiftung mit Methanol und Ethylenglycol: Was hilft?

Kanister mit Frostschutzmittel wird in Auto gefüllt
Das Trinken von Frostschutzmittel ist lebensgefährlich, insbesondere für Kinder. Daher sollte das Mittel nur in gekennzeichneten Behältnissen aufbewahrt werden. | Bild: Nataly / AdobeStock

In Deutschland spielen Vergiftungen mit Methanol kaum eine Rolle, doch in bestimmten Urlaubsregionen kann dies gefährlich werden. Immer wieder kommt es vor, dass hochprozentige Spirituosen mit Methanol gestreckt werden. 

Eine große Gefahr stellt auch Frostschutzmittel dar, das zur Aufbewahrung in Trinkflaschen abgefüllt wird. Ein Schluck dieser Ethylenglycol-haltigen Flüssigkeit kann für Kinder tödlich sein.

Abbau von Methanol zu Ameisensäure

Bei Methanol handelt es sich um den einfachsten Alkohol mit der chemischen Formel CH3-OH, die Flüssigkeit ist auch unter dem Namen Methylalkohol bekannt. Die Substanz zählt weltweit zu den am meisten produzierten Chemikalien und wird zahlreich im technischen Bereich als Lösungsmittel, in Reinigungsmitteln sowie in Brennstoffzellen eingesetzt. 

Methanol gilt als ein hochgradig toxischer Alkohol. Die letale Dosis liegt im Bereich zwischen 30 und 50 Millilitern – schon die Aufnahme von wenigen Millilitern kann zur Erblindung führen. An der hohen Toxizität von Methanol sind maßgeblich dessen Abbauprodukte im Körper beteiligt. 

Nach der Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt wird der Alkohol durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase zunächst zu Formaldehyd und anschließend unter dem Einfluss von Aldehyd-Oxidase zu Ameisensäure oxidiert. Die Umwandlung von Formaldehyd zu Ameisensäure verläuft relativ rasch. Allerdings wird die entstehende Säure im Körper nur langsam zu CO2 und Wasser abgebaut. Daher reichert sich die Ameisensäure an und führt zu einer schweren Azidose – einem Absinken des pH-Wertes im Blut.

Wie kommt es zu einer Vergiftung mit Methanol?

Vergiftungen mit Methanol können durch Trinken verunreinigter Spirituosen wie Wodka oder Rum ausgelöst werden. Durch illegale Beimischung von Methanol zu alkoholhaltigen Getränken lässt sich der Gewinn erhöhen, da Methanol deutlich billiger zu erhalten ist als Ethanol. 

Da sich Methanol in Geschmack und Geruch nicht von Ethanol unterscheidet, kann die Substanz beim Trinken der Alkoholika nicht erkannt werden. 

Methanol entsteht auch als Nebenprodukt bei der Herstellung von hochprozentigem Trinkalkohol wie z. B. Obstbränden. Dabei werden verschiedene Früchte wie Birnen oder Zwetschgen einer alkoholischen Gärung unterworfen. Der in den Früchten enthaltene Zucker wird dann in Alkohol umgewandelt. 

In dem erhaltenen Gärungsalkohol ist neben Ethanol auch immer eine geringe Menge an Methanol enthalten. Der Grund: Beim Abbau von Pektinen (Bestandteil pflanzlicher Zellwände), wird Methanol freigesetzt. Der in Pektinen enthaltene Methylester, wird bei der Gärung freigesetzt und in Methanol und eine Säure aufgespalten. 

Bei der anschließenden Destillation ist Methanol aufgrund seines niedrigeren Siedepunkts von 65 °C vor allem im Vorlauf enthalten. Dieses erste Destillat muss daher verworfen werden und darf im Obstbrand nicht vorhanden sein. Ethanol siedet erst bei 78 °C und ist daher vorwiegend im Hauptlauf zu finden. 

Wird nun der Methanol-haltige Vorlauf aus Unkenntnis oder zur Erhöhung des Profits nicht abgetrennt, werden Obstbrände mit einem gefährlichen Gehalt an Methanol erhalten.

Gut zu wissen: Grenzwerte für Methanol in alkoholischen Getränken

Wegen der Toxizität von Methanol legt die EU-Spirituosen-Grundverordnung zulässige Höchstgehalte für Methanol für einzelne Produkte fest. 

Wodka darf beispielsweise nicht mehr als 10 Gramm Methanol je Hektoliter (= 100 Liter) reiner Alkohol enthalten. Demnach darf Wodka mit 37,5 % (V/V) Alkohol in 1 Liter maximal 0,0375 g Methanol enthalten. 

Für Obstbrände liegen die Grenzwerte höher, bei bis zu 1.350 Gramm Methanol je Hektoliter reiner Alkohol. Da in Wodka und Obstbränden reichlich Ethanol enthalten ist, sind die enthaltenen Mengen an Methanol unbedenklich, da Ethanol die Umwandlung von Methanol in giftige Abbauprodukte hemmt.

Welche Symptome treten bei einer Methanol-Vergiftung auf?

Nach oraler Aufnahme von Methanol treten nach einigen Stunden als erste Vergiftungserscheinungen 

  • Übelkeit,
  • Erbrechen,
  • Kopfschmerzen und
  • Schwindel auf.

Im weiteren Verlauf kommt es zum Abfall des Blutdrucks, zu verlangsamtem Herzschlag (Bradykardie) und schließlich zur Bewusstlosigkeit. Typischerweise ist das Sehvermögen beeinträchtigt, dabei kann es auch zu einer irreversiblen Schädigung des Sehnervs und damit zur völligen Erblindung kommen.

Methanol-Vergiftung: Ethanol als Antidot

Um eine Vergiftung mit Methanol zu therapieren, muss die Oxidation der Substanz zu Formaldehyd und Ameisensäure verhindert werden. Durch Gabe von Ethanol kann das beteiligte Enzym Alkohol-Dehydrogenase kompetitiv gehemmt werden und folglich findet keine Oxidation statt. 

Schon bei einem Verdacht auf eine Intoxikation mit Methanol werden daher bei wachen Patienten 30 ml bis 40 ml Ethanol, enthalten in rund 120 ml eines 40%igen alkoholhaltigen Getränks, verabreicht. Ethanol weist zur Alkohol-Dehydrogenase eine deutlich höhere Affinität als Methanol auf.

Gut zu wissen: Wie wird Ethanol verstoffwechselt?

Ethanol wird im gesamten Verdauungstrakt resorbiert und gelangt direkt ins Blut. In der Leber wird Ethanol durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase zu Acetaldehyd abgebaut. Diese Verbindung wird dann durch ein weiteres Enzym zu Essigsäure umgewandelt. 

Acetaldehyd ist für den Körper eine toxische Verbindung und sorgt unter anderem für Kopf- und Magenschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen. Essigsäure ist dagegen für den Körper unproblematisch, da sie über den Citratzyklus und die Atmungskette verstoffwechselt wird. 

Der Alkoholabbau verläuft bekanntlich unabhängig von der Konzentration an Ethanol im Blut. Pro Stunde wird immer eine konstante Menge verstoffwechselt.

Die Gabe von Ethanol verhindert also, dass aus Methanol giftige Stoffwechselprodukte entstehen. Folglich kann Methanol dann unverändert über die Nieren ausgeschieden werden. 

Meist wird Ethanol intravenös appliziert: Zu Beginn werden 0,5 g pro Kilogramm Körpergewicht über 30 Minuten verabreicht, danach als Erhaltungsdosis stündlich 0,1 g pro Kilogramm Körpergewicht. Dabei wird der Blutalkoholspiegel kontinuierlich kontrolliert und meist über mehrere Tage bei 1 mg/ml Blut (entspricht 1 ‰) gehalten.

Weitere Möglichkeit: Gabe von Fomepizol

Die Oxidation von Methanol kann auch durch Gabe von Fomepizol verhindert werden. Die Substanz hemmt ebenfalls das Enzym Alkohol-Dehydrogenase. Fomepizol wirkt bereits bei niedrigeren Konzentrationen hemmend auf das Enzym, zudem muss keine fortlaufende Blutalkoholbestimmung durchgeführt werden. 

Allerdings besitzt Fomepizol in Deutschland nur zur Therapie einer Vergiftung mit Ethylenglycol eine Zulassung. Die Anwendung bei einer Intoxikation mit Methanol stellt daher einen Off-Label-Use dar.

Gut zu wissen: Therapie muss frühzeitig begonnen werden

Vergiftungen mit Methanol werden meist spät diagnostiziert. Beim Trinken von Spirituosen wird die Substanz nicht bemerkt und die ersten eintretenden Symptome weisen nicht unbedingt auf eine Methanolintoxikation hin. 

Daher überleben die Patienten eine solche Vergiftung häufig nicht oder sie leiden lebenslang an den Folgen. Wird eine Behandlung dagegen durch Gabe von Ethanol oder Fomepizol rechtzeitig eingeleitet, ist die Prognose gut.

Vergiftung mit Ethylenglycol

Mit Ethylenglycol gehört eine weitere Verbindung aus der Gruppe der Alkohole zu den akut toxischen Substanzen. Der zweiwertige Alkohol mit der chemischen Formel HO-CH2-CH2-OH wird als Lösungsmittel und insbesondere als Frostschutzmittel eingesetzt. Die Flüssigkeit ist in der Lage den Gefrierpunkt von Wasser abzusenken. Eine Mischung beider Substanzen im Verhältnis 1:1 gefriert erst bei –40 °C. 

Vergiftungen mit Ethylenglycol sind lebensgefährlich, bereits ein Schluck kann zu schweren Vergiftungserscheinungen führen. Überwiegend passieren solche Vergiftungen durch Verwechslungen. Durch den süßlichen Geschmack wird die Flüssigkeit zudem nicht als gefährlich erkannt und es kann leicht zur Aufnahme einer größeren Menge kommen. 

Unter keinen Umständen dürfen Frostschutzmittel daher in Getränkeflaschen umgefüllt werden. Sie sollten immer in der Originalverpackung und für Kinder unzugänglich gelagert werden. Im Handel erhältliche Frostschutzmittel bestehen meist aus reinem Ethylenglycol und sind aus Sicherheitsgründen eingefärbt.

Abbau von Ethylenglycol zu giftiger Glyoxylsäure

Ethylenglycol selbst ist weitgehend ungiftig, erst durch Metabolisierung – wie bei Methanol – entstehen toxische Substanzen. Das für den Abbau von Alkoholen zuständige Enzym Alkohol-Dehydrogenase verstoffwechselt Ethylenglycol zu Glycolaldehyd. Diese Verbindung wird dann zu Glycolsäure und weiter zur besonders giftigen Glyoxylsäure oxidiert. 

Schon kurz nach der Aufnahme von Ethylenglycol kann es zu Erbrechen und Kopfschmerzen kommen. Im weiteren Verlauf sinkt der pH-Wert des Blutes ab und Herzrhythmusstörungen sowie schwere Nierenschäden können auftreten. Ein akutes Nierenversagen kann dann zum Tod führen.

Vergiftung mit Ethylenglycol: Therapie mit Ethanol oder Fomepizol

Eine Vergiftung mit Ethylenglycol kann ebenfalls durch die Gabe von Ethanol oder Fomepizol zur Hemmung der Alkohol-Dehydrogenase therapiert werden. Der Abbau von Ethylenglycol zu toxischen Verbindungen wird damit unterbunden und schließlich wird der zweiwertige Alkohol renal ausgeschieden.

Zur Behandlung von Vergiftungen mit Ethylenglycol besitzt Fomepizol eine Zulassung und steht als Fertigarzneimittel (Fomepizol SERB 5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung) zur Verfügung. Das Konzentrat muss mit einer Glucoselösung 5 % oder Natriumchloridlösung 0,9 % verdünnt werden. 

Die Dosierung richtet sich nach der Nierenfunktion und liegt normalerweise zwischen 7 mg und 20 mg Fomepizol pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Die Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis die Ethylenglycol-Plasmaspiegel auf unter 0,2 g/Liter abgesunken sind. 

Eine gleichzeitige Anwendung von Fomepizol zusammen mit Ethanol bringt keine Vorteile und wird daher nicht empfohlen. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/01/11/heimtueckischer-alkohol
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/147481/Ursachen-Diagnostik-und-Therapie-haeufiger-Vergiftungen
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2006/daz-15-2006/uid-15719
- https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/warengruppen/wc_37_spirituosen/ue_2012_spirituosen_methanol.htm
 

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