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Welche Reserve­antibiotika gibt es?

Hand zieht Arzneischachtel aus Apothekenregal
Reserveantibiotika sollten mit Bedacht eingesetzt werden. | Bild: I Viewfinder / AdobeStock

Gegen zahlreiche antibiotische Wirkstoffe bestehen mittlerweile Resistenzen. Das stellt ein großes Problem bei der Behandlung von Infektionskrankheiten dar, denn für schwerkranke Patienten stehen dadurch immer weniger wirksame Substanzen zur Verfügung. 

Typische Keime, die gegen die gängigen antibiotischen Wirkstoffe resistent sind, sind unter anderem Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) sowie die Enterobakterien Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Bei einer Infektion mit diesen Bakterien ist eine Therapie mit Reserveantibiotika oft die letzte Rettung. Doch welche Substanzen stehen hier (noch) zur Verfügung?

WHO teilt Antibiotika in verschiedene Gruppen ein 

In der Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu essenziellen Arzneistoffen wurden im Jahr 2017 die aufgeführten Antibiotika in drei Gruppen unterteilt: Access (Zugang), Watch (Beobachtung) und Reserve (Reserve). Durch diese Einteilung soll klar zu erkennen sein, wann welche Wirkstoffklassen eingesetzt werden sollen. 

Antibiotika aus Gruppe 1 wie Amoxicillin oder Doxycyclin sollen jederzeit verfügbar sein. Fluorchinolone (Gyrasehemmer) werden dagegen zur zweiten Gruppe gezählt und sollen nur bei ausgewählten Indikationen gegeben werden. Zur dritten Kategorie gehören die Reserveantibiotika. Sie sollen erst beim Versagen anderer Antiinfektiva zur Anwendung kommen. 

Zu den Reserveantibiotika zählt die WHO dabei 

  • Cephalosporine der 3., 4. und 5. Generation, 
  • die Oxazolidinone Linezolid und Tedizolid sowie 
  • die Substanzen Daptomycin, Fosfomycin, Colistin, Aztreonam und Tigecyclin. 

Was man über Cephalosporine wissen sollte

Cephalosporine zählen zu den Betalactam-Antibiotika und hemmen wie auch die Gruppe der Penicilline die Zellwandsynthese. Sie werden im Allgemeinen gut vertragen und es treten weniger allergische Reaktionen auf als bei den Penicillinen. 

Cephalosporine zur parenteralen Applikation werden in fünf Gruppen (Generationen) eingeteilt. Zunächst wurde diese Einteilung anhand der Markteinführung der Substanzen vorgenommen, mittlerweile richtet sich diese nach dem Wirkspektrum. 

Cephalosporine aus der ersten Gruppe (z. B. Cefazolin) sind vor allem gegen grampositive Bakterien wirksam. Ab der zweiten Generation umfasst das Wirkspektrum auch gramnegative Erreger. Ein bekannter Vertreter dieser Gruppe ist Cefuroxim, das zur oralen Applikation in Form des Prodrugs Cefuroximaxetil verwendet wird. 

Zur Erinnerung: Was bedeutet grampositiv bzw. gramnegativ?

Die Einteilung von Bakterien in grampositive und gramnegative Erreger bezieht sich auf das Verhalten in der Gram-Färbung. Dabei werden die Bakterien zunächst angefärbt. Beim anschließenden Entfärben behalten nur die grampositiven Bakterien die Färbung bei, da sie eine dickere, mehrschichtige Hülle besitzen.

Welche Cephalosporine gehören zu den Reserveantibiotika?

In der dritten Gruppe befindet sich mit dem Wirkstoff Ceftolozan ein Reserveantibiotikum, welches mit dem Betalactamase-Inhibitor Tazobactam in fixer Kombination (Zerbaxa®) angewendet wird. Die Wirkstoffkombination verfügt über eine hohe Aktivität gegen zahlreiche multiresistente Erregerstämme. 

Die Inaktivierung durch Betalactamasen gehört zum wichtigsten Resistenz-Mechanismus der Cephalosporine. Die Enzyme können die Struktur der Cephalosporine so verändern, dass diese ihre Wirkung verlieren.

Als weiterer Hemmstoff der Betalactamasen kommt Avibactam zum Einsatz. Der Wirkstoff kann eine noch größere Gruppe der Enzyme hemmen. Die fixe Kombination aus Ceftazidim (ebenfalls Cephalosporin der dritten Generation) und Avibactam (Zavicefta®) ist gegen ein breites Spektrum multiresistenter Bakterien wirksam. 

Beide vorgestellten Substanzkombinationen kommen unter anderem bei komplizierten Harnwegsinfekten und nosokomialen, also im Krankenhaus erworbenen, Lungenentzündungen zum Einsatz. 

Einige einzelne Wirkstoffe aus der vierten und fünften Gruppe der Cephalosporine zählen ebenfalls zu den Reserveantibiotika. 

Reserveantibiotika aus der Gruppe der Oxazolidinone

Linezolid und Tedizolid gehören zur Gruppe der Oxazolidinone, ihr Angriffsort ist die bakterielle Proteinbiosynthese. Beide Wirkstoffe zeigen eine gute Wirksamkeit gegen grampositive Problemkeime und kommen unter anderem bei der Behandlung von komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen mit Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) zum Einsatz. 

Sowohl Linezolid als auch Tedizolid können oral verabreicht werden. Die Therapiedauer bei Linezolid ist auf 28 Tage begrenzt, da es konzentrationsabhängig zu einer Knochenmarksdepression kommen kann. Dabei ist die normale Blutbildung im Knochenmark gestört. 

Daptomycin wirksam gegen grampositive Erreger

Ein weiteres Reserveantibiotikum, das eine Wirkung gegen zahlreiche grampositive Problemkeime zeigt, ist Daptomycin. Die Substanz gehört zu den cyclischen Lipopeptiden. Daptomycin bildet in der Zellmembran grampositiver Erreger Poren, durch die es zu einem Kaliumausstrom und in der Folge zum Zelltod kommt. Wegen fehlender Resorption ist eine orale Gabe des Wirkstoffs nicht möglich. 

Fosfomycin: Grampositiv und gramnegativ

Das Antibiotikum Fosfomycin gilt als einziger Vertreter der Epoxid-Antibiotika und greift in die Zellwandbildung von Bakterien ein. Sein Wirkspektrum umfasst zahlreiche grampositive und gramnegative multiresistente Erreger. 

Aufgrund seiner Molekülstruktur kann Fosfomycin gut in Knochen und Zentralnervensystem penetrieren und kommt daher intravenös bei schweren Infektionen wie Knochen- oder Hirnhautentzündungen zum Einsatz. Zudem zeigt die Substanz auch eine gute Wirksamkeit gegen Bakterien in Biofilmen und kann daher auch bei Infektionen von Prothesen eingesetzt werden. 

Gegen gramnegative Problemkeime: Colistin und Aztreonam 

Colistin gehört zur Gruppe der Peptid-Antibiotika oder Polymyxine und ist ausschließlich gegen gramnegative Bakterien wirksam, indem es die äußere Zellmembran schädigt. 

Intravenös kommt Colistin bei schweren, durch multiresistente gramnegative Bakterien verursachten Infektionen zum Einsatz. Allerdings kann es dabei zu schweren Nierenfunktionsstörungen und Schädigungen des Nervensystems kommen. Darüber hinaus kann der Wirkstoff auch inhalativ bei Atemwegsinfektionen bei Patienten mit cystischer Fibrose (Mukoviszidose) angewendet werden. 

Gegen gramnegative Erreger ist auch der Wirkstoff Aztreonam wirksam. Hierbei handelt es sich um ein Betalactam-Antibiotikum aus der Gruppe der Monobactame. Im Unterschied zu anderen Betalactam-Antibiotika wird Aztreonam aufgrund seiner Molekülstruktur jedoch nicht von Betalactamasen inaktiviert. 

Tigecyclin: Breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Keime

Tigecyclin gehört zur Gruppe der Tetracycline und besitzt ein breites Wirkspektrum gegen zahlreiche multiresistente grampositive sowie gramnegative Erreger. Wie alle Tetracycline hemmt Tigecyclin die bakterielle Proteinbiosynthese. Die Substanz wird unter anderem bei komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen eingesetzt. Quellen
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/A/Antibiotika-Resistenz-Strategie/DART_2030_bf.pdf
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Praevention_nosokomial/Erreger_pdf.pdf?__blob=publicationFile
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/gezielt-gegen-multiresistenz/
 

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