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Vergleichbare Risiken wie bei Benzodiazepinen: Z-Substanzen erhöhen Sturz- und Schlaganfallgefahr bei Demenzpatienten

Demenzpatienten unter höheren Dosen an Z-Substanzen erlitten im Vergleich zu Nichtanwendern häufiger Frakturen. | Bild: vectorfusionart / Adobe Stock

Etwa 60 Prozent der Patienten mit Demenz leiden unter Schlafstörungen – Schlaflosigkeit, nächtliches Umherwandern, häufiges Erwachen und exzessiver Tagschlaf –, die ihre Lebensqualität stark einschränken. Diese Patienten erhalten häufig Benzodiazepine. Allerdings bringen Arzneimittel wie Lorazepam (Tavor® und Generika) oder Diazepam (Valium® und Generika) zahlreiche Nebenwirkungen mit sich: „Hangover“-Effekte mit ausgeprägter Sedierung auch tagsüber, kognitive Einschränkungen, Toleranz und Abhängigkeit sowie eine erhöhte Gefahr für Stürze.

Z-Substanzen verträglicher als Benzodiazepine?

Lange Zeit dachte man, dass die sogenannten Z-Substanzen wie Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon – aufgrund ihrer kürzeren Halbwertszeit und Wirkdauer – verträglicher und sicherer sind als Benzodiazepine. Doch mittlerweile geht man von einem den anderen Hypnotika ähnlichen Nebenwirkungsprofil aus. Beobachtungsstudien berichten über eine erhöhte Gefahr für Stürze, Knochenbrüche, Schlaganfall, Infektionen und Sterblichkeit (statistisch nicht signifikant) auch unter Z-Substanzen. 

Bislang gab es jedoch keine Studien, die untersuchten, wie sich Hypnotika wie Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon (Zaleplon besitzt in Deutschland keine Zulassung mehr) auf Patienten mit Demenzen auswirken, wie sicher sie sind und welche Nebenwirkungen auftreten. Diese Fragestellung hat ein Team von britischen Wissenschaftlern um Kathryn Richardson untersucht. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im November in der Fachzeitschrift „BMC Medical“.

Zu hoch dosiert

Die Wissenschaftler untersuchten Daten von 27.090 Demenzpatienten und verglichen die Rate an unerwünschten Ereignissen. 3.532 Patienten hatten Z-Substanzen (zu 95 Prozent Zopiclon) aufgrund von Schlafstörungen neu verschrieben bekommen, 1.833 Patienten nahmen trotz Schlafstörungen keine Sedativa ein, 5.172 Patienten hatten Benzodiazepine neu erhalten (40 Prozent Diazepam, 32 Prozent Lorazepam, 23 Prozent Temazepam). Die Patienten waren im Mittel 83 Jahre alt, 62 Prozent waren Frauen. Von den 3.532 Patienten mit Zopiclon, Zolpidem oder Zaleplon wurde die Therapie bei 17 Prozent der Demenzpatienten „höher dosiert“ eingeleitet – darunter verstehen die Wissenschaftler tägliche Dosen von mindestens 7,5 mg Zopiclon oder mehr als 5 mg Diazepam.

Zur Erinnerung: 

Die empfohlene Tagesdosis liegt bei Zopiclon bei 7,5 mg pro Tag, bei älteren Menschen sollte die Therapie jedoch mit 3,75 mg begonnen werden, empfiehlt die Fachinformation. Auch bei Diazepam ist zu lesen, dass bei älteren Menschen die Startdosis bei 2,5 mg liegen sollte.

In einem Nachbeobachtungszeitraum von zwei Jahren interessierten sich die Wissenschaftler für die Häufigkeit von Frakturen, Hüftfrakturen, Stürzen, Schlaganfällen, bakteriellen Infektionen und die Sterblichkeit.

Dosisabhängig mehr Stürze, Frakturen und Schlaganfälle

Sie fanden: Demenzpatienten unter höheren Dosen an Z-Substanzen (mindestens 7,5 mg Zopiclon täglich) erlitten im Vergleich zu Nichtanwendern häufiger Frakturen (Hazard Ratio (HR): 1,67), Hüftfrakturen (HR: 1,96), Stürze (HR: 1,33) und ischämische Schlaganfälle (HR: 1,88). Das bedeutet, das Risiko für Frakturen und Hüftfrakturen unter Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon war in der Studie um 67 Prozent und 96 Prozent erhöht, das für Stürze um 33 Prozent und das für Schlaganfälle um 88 Prozent. Das Risiko für diese unerwünschten Ereignisse ist den Ergebnissen der Studie zufolge jedoch dosisabhängig: Nahmen die Patienten höchstens 3,75 mg Zopiclon (oder äquivalente Dosen Zolpidem oder Zaleplon) täglich ein, traten Frakturen und Hüftfrakturen „nur“ 22 Prozent und 21 Prozent häufiger auf, Stürze sogar 5 Prozent weniger, jeweils verglichen mit Nichtanwendern.

Unterschied zwischen Z-Substanzen und Benzodiazepinen nur bei der Sterblichkeit

Auch Benzodiazepine erhöhten verglichen mit Nichtanwendern die Rate an Frakturen und Stürzen, das Risiko einer Hüftfraktur war 1,17-fach höher. Z-Substanzen erhöhten dieses Risiko sogar stärker (s. o.). Betrachtet man die Sterblichkeit, so ist sie unter Z-Substanzen leicht erhöht verglichen mit Patienten ohne Hypnotika (8 Prozent erhöhtes Risiko) – die Wissenschaftler stufen diese Gefahr jedoch mit „nicht übermäßig“ ein. Allerdings scheinen Demenzpatienten unter Benzodiazepinen häufiger zu versterben als unter Z-Substanzen. „Wir beobachteten keine Unterschiede bei den unerwünschten Ereignissen bei Z-Medikamenten im Vergleich zu Benzodiazepinen, mit Ausnahme niedrigerer Mortalitätsraten bei Z-Substanzen“, erklärten die Wissenschaftler im BMC Medical. Keinen Zusammenhang fanden die Wissenschaftler hinsichtlich der Einnahme von Z-Substanzen und dem Auftreten von bakteriellen Infektionen.

Zur Erinnerung: Wie wirken Zopiclon und Zolpidem?

Die sogenannten Z-Substanzen wirken agonistisch – somit verstärkend – an GABA-Rezeptoren und sind dadurch unter anderem schlafanstoßend. GABA steht für Gamma-Aminobuttersäure und ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Nervensystem. Auch Benzodiazepine greifen am GABA-Rezeptor als Agonisten an, jedoch binden Z-Substanzen und Benzodiazepine an unterschiedlichen Stellen des GABA-Rezeptor-Komplexes. Z-Substanzen sollen die Einschlafzeit verkürzen, die Durchschlafzeit erhöhen und das nächtliche sowie frühmorgendliche Erwachen verringern. Zolpidem erreicht maximale Plasmakonzentrationen nach 0,5 bis 3 Stunden und hat eine kurze Halbwertszeit mit 2,4 Stunden und einer Wirkdauer von bis zu sechs Stunden. Zopiclon erreicht maximale Plasmakonzentrationen nach 1,5 bis 2 Stunden, die Halbwertszeit liegt bei fünf Stunden. 

Auf Z-Substanzen verzichten

Ihr abschließendes Fazit: „Bei Demenzpatienten sind höhere Dosen von Z-Medikamenten mit einem erhöhten Fraktur- und Schlaganfallrisiko verbunden, ähnlich oder sogar größer als bei höher dosierten Benzodiazepinen.“ Somit sollten Z-Substanzen bei Demenzpatienten möglichst vermieden und nichtpharmakologische Alternativen bevorzugt werden, raten die Wissenschaftler.