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Was ist eigentlich Myasthenia gravis?

Nahaufnahme eines Mannes mit blauen Augen
Eine schwere Muskelschwäche zeigt sich meist als erstes am Auge. | Bild: sg / AdobeStock

Myasthenia gravis – das heißt übersetzt schwere Muskelschwäche. Doch am Anfang macht sich die Erkrankung eher als leichte Muskelschwäche bemerkbar. Typischerweise sind zunächst nur die Augenmuskeln betroffen. 

Die Betroffenen sehen dann Doppelbilder oder haben herabhängende Oberlider. Dieses Symptom kann ein- oder beidseitig auftreten. Oft zeigt sich diese Muskelschwäche erst als „Ermüdungserscheinung“ im Laufe des Tages. Nach Ruhephasen bessert sie sich wieder.

Muskelschwäche kann lebensbedrohlich werden

Nur bei 10 bis 20 Prozent der Patienten bleibt es bei dieser sogenannten okulären Myasthenie. In den meisten Fällen sind nach einigen Monaten auch andere Muskeln betroffen. Dazu gehören Gesichts-, Sprech- und Schluckmuskulatur, aber auch Nacken- und Skelettmuskulatur. Man spricht dann von einer generalisierten Myasthenia gravis. 

Sie zeigt sich bei Belastung und kann unterschiedliche Schweregrade aufweisen. Manche Patienten haben Schwierigkeiten beim Aufrecht halten des Kopfes oder des ganzen Körpers. Es können Probleme beim Kauen und Schlucken auftreten. 

Sind die Gesichtsmuskeln betroffen, verändert sich die Mimik. Wenn die Muskelschwäche auch die Beine erfasst, fällt zum Beispiel das Treppensteigen immer schwerer. Auch die Atemmuskulatur kann in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass sich Atemnot einstellt. Bei schwerer Ausprägung droht eine myasthene Krise und es muss beatmet werden.

Was ist die Ursache der Myasthenia gravis?

Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung. In den meisten Fällen richten sich pathogene Autoantikörper gegen die nikotinischen Acetylcholin-Rezeptoren an der motorischen Endplatte – also der Reizübertragungsstelle zwischen Nerv und Muskel. 

Die Rezeptoren werden nicht nur blockiert, sondern im Krankheitsprozess auch zunehmend zerstört. Die Informationsübertragung auf die Muskulatur gelingt folglich immer schlechter. Zahlreiche Medikamente können die Erkrankung verschlechtern, darunter Muskelrelaxanzien, Benzodiazepine, verschiedene Antibiotika, Calciumantagonisten und Psychopharmaka.

Wie wird die neuromuskuläre Erkrankung behandelt?

Für die Behandlung einer Myasthenia gravis stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Für die symptomatische Therapie ist vor allem Pyridostigmin von Bedeutung. Der Cholinesterasehemmer hemmt den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin, sodass sich die Nerv-Muskel-Reizübertragung verbessert. 

Eine wichtige Therapiesäule ist bei dieser Autoimmunerkrankung auch ein immunologisches Eingreifen. So soll zum Beispiel mit dem Immunsuppressivum Azathioprin sowie mit Glukokortikoiden die Aktivität der Autoantikörper unterdrückt werden. 

In einigen Fällen findet sich bei Myasthenia gravis ein Tumor der Thymusdrüse (Thymom). Dann wird die Thymusdrüse operativ entfernt. Eine solche Thymektomie kann allgemein den Verlauf einer generalisierten Myasthenie positiv beeinflussen. Für therapieresistente Fälle steht zur Myastenie-Behandlung seit wenigen Jahren auch ein monoklonaler Antikörper (Eculizumab) zur Verfügung. 

Frauen schwerer von Myasthenia gravis betroffen

Eine Myasthenia gravis kann in jedem Lebensalter auftreten. Frauen erkranken oft früher als Männer, das heißt schon ab dem 20. Lebensjahr. Bei ihnen entwickelt sich auch häufiger eine schwere Verlaufsform.

Die Häufigkeit der Erkrankung liegt bei circa 1 bis 2 Betroffenen pro 10.000 Einwohner. Die Myasthenia gravis zählt damit zu den seltenen Erkrankungen. Oft wird sie erst nach Jahren richtig diagnostiziert. Dank der modernen Therapiemöglichkeiten können inzwischen viele Patienten ein weitgehend normales Leben führen. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN); Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V.; Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM); C. Werning: Medizin für Apotheker, WVG 2008 

Myasthenia gravis in Kürze

  • Schwere Muskelschwäche aufgrund einer Störung der neuromuskulären Erregungsübertragung
  • Ursache: Autoimmunprozess, pathogene Autoantikörper meist gegen Acetylcholinrezeptoren an der motorischen Endplatte gerichtet
  • Verschiedene Schweregrade, individuell unterschiedliche Ausprägung und Verlaufsform, bei einigen Patienten nur Augenmuskeln betroffen, bei anderen ganzer Körper, evtl. Lebensgefahr
  • Behandlung mit Cholinesterasehemmern, Immunsuppressiva, Glukokortikoiden, monoklonalem Antikörper