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PTA Jürgen Schlegel: Von „Let’s Dance“ in die Politik

Jürgen Schlegel ist PTA und Tänzer mit Leib und Seele. Nun wurde er überraschend zum Stadtrat in Ravensburg gewählt. Im Interview erzählt er, wie er das alles unter einen Hut bekommt. | Bild: Karin Volz

Jürgen Schlegel ist PTA mit Leib und Seele. Bekannt wurde er einem Millionenpublikum durch seine Teilnahme und sein späteres Coach-Dasein bei der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“. Trotz eigener Tanzschule arbeitet er immer noch zwei Tage die Woche mit viel Spaß als PTA in der Apotheke Vetter in Ravensburg. Die Herstellung von Rezepturen und Defekturen ist der Lieblingsbereich des 41-Jährigen.

Der Apotheke immer treu geblieben

Und warum arbeitet er heute, wo er selbst erfolgreich eine Tanzschule betreibt, noch immer in der Apotheke? Zeitlich, so Schlegel sei es immer sehr schwer, Tanzen, die Tanzschule und Apotheke unter einen Hut zu bekommen. Der Vorteil vom PTA-Beruf, und deshalb liebe er ihn auch so sehr, sei, dass er sehr flexibel sei. Wenn Projekte wie Let's Dance oder ähnliches anstünden, die ein paar Wochen dauerten, könne er das gut kompensieren. „Ich freue mich immer auf die Tage in der Apotheke“, erzählt Schlegel strahlend. „Ich habe ein supercooles Team, einen super Chef und vielfältige Einsatzbereiche“. Außerdem nutzt der 41-Jährige die 1,5 Tage in der Apotheke auch gerne, um Abstand zur Glamourwelt Showbiz zu finden. „Wenn man sich mit Menschen beschäftigt und ihre vielen persönlichen Geschichten und Schicksale, dann kommt man wieder auf den Boden der Tatsachen zurück“. Der ganze Showzirkus, wie Schlegel ihn liebevoll bezeichnet mache ihm zwar sehr viel Spaß, aber manchmal stünde man auch nur daneben und denke so "oh mein Gott, ich muss hier weg!" Immer im Gespräch bleiben, egal ob positiv oder negativ, das wollte Jürgen Schlegel nicht. Er wollte in der Heimat stationiert bleiben und nicht in einer anderen Großstadt wohnen.

Einsatz gegen Fremdenhass

Und wie kommt nun ein Mann, der sowieso schon alle Hände voll zu tun hat auch noch zur Politik? Mitten am Tag auf einem öffentlichen Platz in Ravensburg greift vergangenen September ein Mann mit einem Messer Passanten an. Am Ende sind drei Menschen schwer verletzt, einer lebensgefährlich. Der Oberbürgermeister persönlich stellte damals den Angreifer, einen afghanischen Asylbewerber. „Auf der Facebook-Seite der Stadt Ravensburg brach damals ein richtiger Shit-Storm los“, berichtet uns Jürgen Schlegel. Da habe er angefangen, sich einzumischen und mitdiskutiert. Das Ganze habe riesige Wellen geschlagen. Daraufhin seien CDU, die Grünen und auch die Freien Wähler auf ihn zugekommen und fragten, ob er sich nicht für sie für den Ravensburger Stadtrat aufstellen lassen wolle. Und da er fast ausnahmslos positives Feedback auf sein Einmischen zu den Vorfällen bekam, entschloss sich Schlegel, es zu versuchen. Den beiden großen Parteien hat Schlegel jedoch abgesagt. „Wenn ich mich schon aufstellen lasse, dann möchte ich – wie in der Diskussion damals, mit der alles begann, meine eigene Meinung vertreten und mich nicht einem Parteizwang unterwerfen.“, so Schlegel.

Plötzlich Stadtrat

Deshalb kamen für ihn nur die Freien Wähler infrage, für die er sich letztendlich dann auch aufstellen ließ und deutlich gewählt wurde. Alle fünf Jahre werden in den Gemeinden des Landes die Gemeinderäte und gegebenenfalls die Ortschaftsräte sowie in den Landkreisen die Kreisräte gewählt. Auch in Ravensburg fanden die letzten Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 gemeinsam mit der Europawahl statt. Für den Stadtrat galt es 32 Mitglieder zu wählen. Einer davon ist nun PTA Jürgen Schlegel. Insgesamt erreichten die Freien Wähler in Ravensburg 8,4% der Stimmen, was drei Sitzen im Stadtrat entspricht. Schlegel selbst konnte 3.040 (22.561 Menschen haben gewählt) Stimmen für sich gewinnen. Auf die Frage, wie er auch dieses Amt noch zeitlich in seinen ohnehin vollgepackten Terminplan unterbringen möchte antwortet Schlegel „ich habe einfach meinen letzten freien Abend geopfert!“. Die Sitzungen im Ravensburger Rathaus seien meist zu Zeiten, zu denen er nicht in der Apotheke oder Tanzschule stehen müsse. Natürlich möchte er sein neues Amt auch nutzen, die Vor-Ort-Apotheke zu stärken und gesundheitspolitische Themen zu beeinflussen. „Gerade weil mich viele meiner Apothekenkundinnen und –kunden gewählt haben“, so Schlegel. Wer aber denke, nach so einer Wahl würde erst einmal ausgiebig der Wahlsieg gefeiert, der täusche sich, so Schlegel. In zwei Wochen finde die erste Gemeinderatssitzung und die Vereidigung zum Stadtrat statt. Danach geht es direkt los. „Manche Leute mögen denken, man hat da so eine Machtposition. Dagegen wehre ich mich. Ich mache das wegen der Sache an sich, möchte Dinge bewegen und verändern“.