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Leseprobe PTAheute 22/2018: Keineswegs harmlos: Missbrauch von OTC-Arzneimitteln

Bild: mrisv / iStockphoto.com

Laut Schätzung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen nehmen etwa zwei Millionen Deutsche Arzneimittel ohne medizinische Notwendigkeit ein. Unkomplizierte Beschaffungswege, Werbung und Discountpreise einiger Apotheken führen bei Kunden häufig dazu, dass gerade OTC-Präparate verharmlost werden. Hierzu zählen z. B. nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), dextromethorphanhaltige Erkältungspräparate, abschwellend wirkende Rhinologika und einige Laxanzien.

Analgetikakopfschmerz

Peripher wirksame OTC-Analgetika enthalten Wirkstoffe wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Paracetamol, Phenazon oder Propyphenazon. Sie sind für die kurzfristige Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen, Fieber und Entzündungen geeignet. Laut Empfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft sollten derartige Präparate nicht länger als drei Tage am Stück und nicht häufiger als zehn Tage im Monat angewendet werden. Bei übermäßiger bzw. langfristiger Einnahme kann sich ein arzneimittelinduzierter Dauerkopfschmerz entwickeln. Dieser äußert sich bereits am Morgen mit einem dumpf drückenden Kopfschmerz, der sich durch körperliche Aktivität meistens verschlimmert und zu einer weiteren Schmerzmitteleinnahme führt. Es entsteht ein regelrechter Teufelskreis. Weitere Gefahren, die ein Dauergebrauch von NSAR birgt, können Magen-Darm-Blutungen, Nieren- oder Leberschädigungen sein.

Das Wichtigste in Kürze 

  • Bei übermäßiger Einnahme von NSAR kann sich ein arzneimittelinduzierter Dauerkopfschmerz entwickeln.
  • Die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung ist zum 1. Juli 2018 in Kraft getreten.
  • Übermäßiger Gebrauch von abschwellend wirkenden Rhinologika schädigt die empfindliche Nasenschleimhaut.
  • Dextromethorphanhaltige Erkältungspräparate können bei Überdosierung psychotische Zustände, Blutdruckabfall, Tachykardie sowie Atemdepression hervorrufen.
  • Laxanzien wie Natriumpicosulfat, Bisacodyl oder anthrachinonhaltige Pflanzenextrakte können bei Fehlgebrauch zu Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen führen.

Neue Richtlinie

Seit dem 1. Juli 2018 ist die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung in Kraft getreten. Sie dient laut Bundesgesundheitsministerium dem Schutz der Verbraucher, die OTC-Analgetika zu oft und zu lange anwenden. Demnach müssen OTC-Analgetika auf der Vorderseite ihrer Verpackung den Aufdruck tragen: „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben!“ Pharmazeutische Hersteller müssen diese Vorgabe innerhalb der nächsten zwei Jahre umsetzen. Auch Rezepturarzneimittel sind betroffen und sollen mit dem Hinweis „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als vom Apotheker oder der Apothekerin empfohlen!“ versehen werden.

Empfindliche Nase

Der „Klassiker“ unter den nicht bestimmungsgemäß angewendeten OTC-Präparaten sind abschwellend wirkende Rhinologika in Form von Dosiersprays und Tropfen. Sie enthalten in der Regel Alphasympathomimetika wie z. B. Xylometazolin oder Oxymetazolin. Zur Behandlung eines akuten Schnupfens sollten derartige Präparate maximal zwei- bis dreimal täglich und nicht länger als eine Woche angewendet werden. Bei Langzeit- oder Übergebrauch können sich Gewöhnungseffekte einstellen, die zu einer wiederholten Anwendung des Schnupfenmittels verleiten. Unerwünschte Folge ist das chronische Anschwellen der Nasenschleimhaut (Rhinitis medicamentosa), das mit ausgetrockneten Schleimhäuten, Borkenbildung sowie irreversiblen Schädigungen der Nasenschleimhaut einhergeht.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Bitte wenden Sie das abschwellende Nasenspray maximal zwei- bis dreimal täglich und nicht länger als eine Woche an. So schützen Sie Ihre Nasenschleimhaut und beugen einer Gewöhnung vor.“
  • „Wenden Sie dieses Schmerzmittel maximal an drei aufeinanderfolgenden Tagen und an maximal zehn Tagen im Monat an. Bei Übergebrauch kann dieses Präparat einen schmerzmittelbedingten Dauerkopfschmerz auslösen.“
  • „Dieses Erkältungspräparat kann in Kombination mit verschiedenen anderen Wirkstoffen Überdosierungserscheinungen auslösen. Nehmen Sie dauerhaft andere Medikamente ein?“
  • „Dieses Abführmittel sollten Sie nicht täglich anwenden. Zur Regulierung der Darmtätigkeit reicht eine Anwendung alle zwei bis drei Tage aus.“

Vorsicht, Elektrolytverlust!

Auch Laxanzien wie Natriumpicosulfat, Bisacodyl oder anthrachinonhaltige Pflanzenextrakte haben ein Missbrauchspotenzial. Sie werden häufig von Personen mit Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht missbräuchlich zur Gewichtsreduktion eingenommen. Ein Laxanzienmissbrauch muss von einem Fehlgebrauch unterschieden werden. Letzterer beruht in der Regel auf dem Unwissen der Patienten über eine gesunde Darmfunktion. Als „normal“ gilt eine Stuhlfrequenz von zweimal täglich bis dreimal wöchentlich. Mit Ausnahme von Macrogol und Quellstoffen verursacht ein Dauergebrauch von Laxanzien Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen (insbesondere bei Kalium), die ihrerseits zu einer Verstärkung der Darmträgheit führen. In der Folge wird ein erneuter Gebrauch von Laxanzien, meist in höherer Dosis, provoziert.

Ein beliebter Hustenstiller

Ein weiterer Wirkstoff mit Missbrauchspotenzial ist Dextromethorphan. Er wird bei akutem Reizhusten als Saft, Kapseln, Tropfen oder in Erkältungskombinationspräparaten verwendet. Dextromethorphan ist ein Opioidderivat mit zentral antitussiver Wirkung. In therapeutischen Dosen (30 mg Einzeldosis; Tagesmaximaldosis 120 mg) hat es keine analgetischen oder atemdepressiven Effekte und nur ein geringes Abhängigkeitspotenzial. Bei Überdosierung kann der Wirkstoff allerdings Rauscherlebnisse, psychotische Zustände mit Halluzinationen, Blutdruckabfall, Tachykardie (Steigerung der Herzfrequenz) und eine Atemdepression hervorrufen. Auch eine gleichzeitige Einnahme mit Wirkstoffen wie z. B. Fluoxetin, Cimetidin oder Ritonavir, die das Enzym CYP 2D6 hemmen, kann zu Überdosierungssymptomen führen.

Verdachtsmomente

Hinweise auf einen Fehlgebrauch können häufige Apothekenbesuche und eine hohe gewünschte Medikamentenmenge sein. In diesen Fällen die Abgabe zu verweigern, ist in der Regel nicht zielführend, da der Kunde zumindest im Stadtbereich zahlreiche alternative Einkaufsmöglichkeiten hat. Auch der Onlineversand von Arzneimitteln ermöglicht den anonymen Bezug. Sinnvoller ist es, den Kunden aufzuklären und zu beraten oder zusätzlich zu einem Arztbesuch zu raten. Der BAK-Leitfaden über Arzneimittelmissbrauch bietet hierfür eine konkrete Hilfestellung.