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gut beraten: Schwangerschaft: Erkältung mit Untermieter

Mit dem bekannten Ausspruch „Ich kann ja nichts einnehmen!“ möchten werdende Mütter ihr Baby so gut wie möglich schützen und lehnen Medikamente aus Angst oft ab. Eine Arzneitherapie in der Schwangerschaft sollte zwar immer kritisch auf die Notwendigkeit hinterfragt werden, aber für sehr viele Wirkstoffe ist die Datenlage heutzutage so gut, dass bei Bedarf auch in der Schwangerschaft damit therapiert werden kann. So gibt es einige Arzneistoffe gegen gängige Erkältungssymptome, deren Anwendung in der Schwangerschaft sehr sicher zu sein scheint.

Zuallererst Ruhe

Bei neun von zehn Erkältungen sind Viren die Ursache, sowohl Husten als auch Schnupfen sind dann in den meisten Fällen selbstlimitierend und der tatsächliche Nutzen vieler Medikamente ist fraglich. Viel wichtiger als Medikamente ist deshalb in jedem Fall die körperliche Schonung während der Erkrankung, damit der Körper sich selbst gut gegen die Erkältungsviren wehren kann. Dies gilt besonders für werdende Mütter. Abwarten und Tee trinken ist also gar keine schlechte Idee bei Erkältungen in der Schwangerschaft. Gerade werdende Mütter sollten auch eine banale Erkältung ernst nehmen, einen oder besser gleich mehrere Gänge herunterschalten und sich schonen, um schnell wieder gesund zu werden.

Hausmittel wie das Inhalieren mit Wasserdampf oder Halswickel können leichte Beschwerden oft schon ausreichend lindern. Ein Arztverweis bei stärkeren Beschwerden oder Fieber über 39 °C ist schon allein deshalb sinnvoll, weil der Mediziner berufstätigen Schwangeren Ruhe verordnen und sie krankschreiben kann. Teezubereitungen haben den Vorteil, dass sie alkoholfrei und meist gering im Wirkstoffgehalt sind. Mehr als ein bis zwei Tassen pro Teesorte und Tag sollten es aber trotzdem nicht sein. Was aber kann man empfehlen, wenn die Beschwerden für die Schwangere wirklich belastend oder schmerzhaft sind?

Nase verstopft?

Die Nasenschleimhäute reagieren auf die unerwünschten Viren in Form von vermehrter Durchblutung (führt zu Schwellung) und Absonderung von Sekret (Rhinorrhö): Die Nase ist verstopft und/oder läuft. Gerade Schwangere trifft eine Rhinitis besonders stark, aufgrund der veränderten Hormonlage in der Schwangerschaft ist die Neigung zu geschwollenen Nasenschleimhäuten erhöht. Einige werdende Mütter leiden dauerhaft auch ohne Infekt an einer sogenannten Schwangerschaftsrhinitis.

Mittel der ersten Wahl sind salzhaltige Lösungen zur Befeuchtung und Reinigung der Nase. Basische Salzlösungen aus Emser Salz (z. B. in Emser Nasenspray) oder hypertone Salzlösungen (z. B. in Hysan Salinspray, Olynth Ectomed oder Aspecton Nasenspray) wirken auf physikalische Art leicht abschwellend und können auch dauerhaft verwendet werden. Kundinnen, die lieber eine Nasenspülung als Nasensprays verwenden, können zum Abschwellen statt der Reinigungslösungen die abschwellenden Lösungen in einer Nasendusche verwenden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Schwangere mit Erkältungsbeschwerden sollten sich schonen und ihrem Körper die Ruhe gönnen, die er braucht, um sich selbst gegen die Erkältungsviren zu wehren. Physikalische Maßnahmen wie Wasserdampfinhalationen, Wickel, Nasenspülungen oder befeuchtende Lutschtabletten sind die erste Wahl zur Symptombehandlung.
  • Reichen diese nicht aus, ist bei Husten laut aktueller Datenlage den chemischen Expektoranzien ACC und Ambroxol der Vorzug vor pflanzlichen Präparaten zu geben.
  • Bei unkomplizierter Schwangerschaft gilt die kurzfristige Anwendung von abschwellenden Nasensprays in möglichst geringer Dosierung als vertretbar.
  • Ist ein Schmerz- und Fiebermittel unbedingt notwendig, gilt Paracetamol in allen Phasen der Schwangerschaft aktuell als das Mittel der Wahl.

Wenn Salzlösungen nicht reichen

Manchmal reichen die zuvor genannten Salzlösungen aber nicht aus. Dann kann für kurze Zeit in möglichst niedriger Dosierung – also in Kinderdosierung – ein Nasenspray mit Oxymetazolin (z. B. Nasivin für Kinder) oder Xylometazolin (z. B. Olynth für Kinder, Imidin für Kinder oder Nasenspray-ratiopharm für Kinder) benutzt werden. Diese Nasensprays sind übrigens auch dann empfehlenswert, wenn sich bereits Ohrenschmerzen ankündigen, denn durch die α-sympathomimetische, also abschwellende Wirkung kann die Belüftung des Ohrs verbessert werden. Systemisch angewendete Arzneimittel gegen verstopfte Nasen sind allerdings kontraindiziert, lediglich die kurzzeitige lokale Anwendung ist möglich.

Schwer zu schlucken

Schluckbeschwerden und Halsschmerzen sind oft die ersten Symptome einer beginnenden Erkältung und können das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigen. An erster Stelle der Behandlungsoptionen in der Schwangerschaft steht die Beruhigung der gereizten Schleimhäute im Rachenbereich. Sehr gut dafür geeignet sind Präparate zum Lutschen oder Gurgeln mit pflanzlichen Schleimstoffen oder der feuchtigkeitsspendenden Hyaluronsäure (z. B. Islamoos, Ipalat, Gelorevoice oder Gelotonsil). Auch das Gurgeln mit Salbei- oder Kamillentee kann empfohlen werden.

Bei stärkeren Schmerzen besteht laut Fachinformation die Möglichkeit, der Schwangeren im zweiten und dritten Trimenon unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen Lutschtabletten mit dem Wirkstoff Ambroxol zu empfehlen. Ambroxol wirkt nämlich nicht nur schleimlösend, sondern bei längerer Kontaktzeit auch lokalanästhetisch. Desinfizierende Wirkstoffe sind bei Halsschmerzen generell nicht von Vorteil, bei Schwangeren sind sie daher erst recht verzichtbar.

Schon geimpft?

Gegen normale Erkältungsviren gibt es immer noch keine Impfung, wohl aber gegen zwei andere Erkrankungen, die mit Erkältungssymptomen einhergehen: Influenza und COVID-19. Bereits seit 2010 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) während der Influenzasaison jeder Schwangeren die Impfung gegen Influenza, da Schwangere ein nachweislich höheres Risiko für schwerere Verläufe haben, wenn sie erkranken. Obwohl der Totimpfstoff gegen Influenza grundsätzlich in jeder Phase der Schwangerschaft eingesetzt werden kann, sollten nur Schwangere mit zusätzlichen Risikofaktoren für einen schweren Verlauf (wie Asthma oder andere chronische Grunderkrankungen) im ersten Trimenon geimpft werden. 

Damit soll vermieden werden, dass im ersten Trimester öfter vorkommende Fehlgeburten irrtümlich auf die Impfung geschoben werden. Auch für Erkrankungen mit dem Coronavirus ist bekannt, dass Schwangere ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben und z. B. auch häufiger beatmungspflichtig werden. Idealerweise sollte bereits bei Kinderwunsch gegen COVID-19 geimpft werden, aber auch in der Schwangerschaft ist eine Impfung ab dem 2. Trimenon möglich. Derzeit wird für Schwangere nur der Impfstoff Comirnaty von Biontech empfohlen, sowohl zur Grundimmunisierung als auch zur Auffrischung („Booster“).

Hilfe bei starken Halsschmerzen

Bei sehr starken Schluckbeschwerden in der Schwangerschaft gelten im Ausnahmefall auch Einzelgaben von lidocainhaltigen Lutschtabletten (z. B. Trachilind oder Lemocin) oder die systemische Einnahme eines geeigneten Schmerzmittels wie Paracetamol (z. B. in Benuron Tabletten oder Paracetamol 500 mg Hexal Tabletten) akzeptabel zu sein. Das einzige, in allen Phasen der Schwangerschaft anwendbare und ohne Rezept erhältliche Schmerzmittel ist Paracetamol. Ibuprofen sollte laut neuesten Erkenntnissen nur in der ersten Schwangerschaftshälfte, nur in Einzeldosen und nur auf ärztliche Empfehlung eingenommen werden. Andere Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR für die systemische Anwendung sind ganz zu vermeiden (Ausnahme ist die ärztlich verordnete Low-Dose-Behandlung mit 100 mg ASS bei bestimmten Krankheitsbildern).

Bitte etwas Pflanzliches gegen Husten

Starker Husten in der Schwangerschaft kann ganz schön belastend sein – sowieso schon beanspruchte Muskeln wie der Beckenboden werden bei jedem Hustenanfall noch stärker beansprucht. Werdende Mütter möchten deshalb ihren Husten schnell wieder loswerden, aber dabei ihr Kind nicht durch Medikamente gefährden – ein verständliches Anliegen, welches oft in den Wunsch nach einem pflanzlichen Medikament mündet. Aber wie sieht es denn nun mit den Phytotherapeutika in der Schwangerschaft aus?

Datenlage beachten

Leider ist für die Schwangerschaft die Datenlage bezüglich der Sicherheit chemischer Expektoranzien und Sekretolytika wesentlich besser als für die pflanzlichen Hustenmedikamente. Aus diesem Grund können in der Schwangerschaft laut aktueller Fachliteratur Ambroxol (z. B. in Mucosolvan Hustensaft oder Ambroxol acis Trinktabletten), Bromhexin (z. B. in Bisolvon Hustentabletten oder Bromhexin Hermes Tabletten) und Acetylcystein (z. B. in ACC akut 200 oder Fluimucil akut) empfohlen werden, gegen die Anwendung höher dosierter pflanzlicher Arzneimittel bei Husten sprechen die fehlenden Untersuchungen. Zu Beginn eines Erkältungshustens können allerdings durchaus lokal angewendete pflanzliche Schleimstoffe oder Hyaluronsäure das Kitzeln im Hals lindern. Wenn der nächtliche Husten sehr stark und quälend ist, kann der Arzt Einzelgaben von Dextromethorphan empfehlen bzw. für kurze Zeit ein Präparat mit Codein verschreiben, Pentoxyverin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Grippemittel sind tabu

Die sogenannten Grippemittel mit ganz unterschiedlichen Inhaltsstoffen gegen verschiedene Beschwerden sollten in der Schwangerschaft grundsätzlich vermieden werden. Einerseits sind häufig nicht alle enthaltenen Wirkstoffe (Analgetika, α-Sympathomimetika, Antihistaminika) für die tatsächlichen Beschwerden notwendig und andererseits ist meistens mindestens ein Arzneistoff enthalten, der in der Schwangerschaft problematisch oder gar kontraindiziert ist.

Wenn sich Erkältungen häufen

Vor allem Schwangere, die schon Kinder haben, kennen das Problem: Krippe, Kita oder Kindergarten entpuppen sich häufig als Brutstätte diverser Krankheitserreger. Die meisten Kleinkinder haben im Jahresdurchschnitt mindestens alle ein bis zwei Monate eine Erkältung, die sie häufig an die Familienmitglieder weitergeben. Was können Schwangere also im Rahmen der Infektionsabwehr vorbeugend tun? Grundsätzlich eignen sich als Präventionsmaßnahmen gegen Erkältungen alle Hygienemaßnahmen, die wir seit dem Frühjahr 2020 – dem Beginn der Corona-Pandemie – nur allzu gut kennen: häufiges Händewaschen, Niesen und Husten in die Ellenbogenbeuge, Tragen einer Maske und möglichst Abstand zu Menschen mit Erkältungssymptomen halten.

Medizinprodukte mit Inhaltsstoffen aus der Rotalge (Carrageen) können die Schleimhäute vor Viren schützen (z. B. Algovir Nasenspray, das laut Packungsbeilage explizit für die Anwendung in der Schwangerschaft geeignet ist). Hohe Dosen an Nahrungsergänzungsmitteln oder Arzneimitteln mit Vitaminen und Mineralien sollten in der Schwangerschaft zur Prävention oder Behandlung von Erkältungen allerdings vermieden werden, zumal ihr Nutzen dafür nicht erwiesen ist.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „In der Schwangerschaft kommt es leider vermehrt dazu, dass Ihre Nase verstopft ist – daran sind die Hormone schuld. Ich empfehle Ihnen ein Nasenspray mit einer konzentrierten Salzlösung. Das wirkt leicht abschwellend, ist für Ihr Baby ungefährlich und Sie können es auch über einen längeren Zeitraum ohne Gewöhnungseffekt anwenden.“
  • „Diese Komplexpräparate dürfen Sie in der Schwangerschaft nicht einnehmen. Beide enthalten ein Schmerz- und Fiebermittel, das in der Schwangerschaft nicht so gut geeignet ist, und einen Wirkstoff gegen die verstopfte Nase, durch den Ihr Baby schlechter versorgt wird. Aber ein niedrig dosiertes abschwellendes Nasenspray dürfen Sie für einen kurzen Zeitraum benutzen und auch ein Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Paracetamol kann ich Ihnen mitgeben.“
  • „Ich verstehe sehr gut, dass Sie aufgrund der Übelkeit Schwierigkeiten mit Lutschtabletten oder Bonbons gegen Ihre Halsbeschwerden haben. Deshalb empfehle ich Ihnen eine Gurgellösung mit beruhigenden und feuchtigkeitsspendenden Wirkstoffen, die einen milden Geschmack hat. Alternativ können Sie auch mit Salbeitee gurgeln, diesen aber bitte nicht in größeren Mengen trinken.“

Zum Arztbesuch raten ...

Auch wenn eine normale Erkältung meist schnell vorüber ist, können bestimmte Symptome dennoch einen Arztbesuch erforderlich machen. Tritt in der Schwangerschaft höheres Fieber auf oder kommen weitere Beschwerden wie stärkere Schmerzen, eitriger Auswurf oder Atemnot hinzu, sollten andere Erkrankungen vom Arzt abgeklärt werden. Es gibt bei Bedarf in der Schwangerschaft gut geeignete und verträgliche Antibiotika wie z. B. Penicilline, Cephalosporine oder die meisten Makrolide.

... und in der Apotheke gut beraten

Vor jeder Abgabe eines Arzneimittels muss mithilfe aktueller Fachliteratur (z. B. auch www.embryotox.de) geprüft werden, ob und unter welchen Umständen die Anwendung in der Schwangerschaft möglich ist. Grundsätzlich ist der Embryo in den ersten zwölf Wochen am empfindlichsten, denn in dieser Zeit werden die Organe angelegt. Deshalb sollte im ersten Trimenon eine Therapie mit Arzneimitteln immer besonders kritisch hinterfragt werden.

Manche Arzneimittel sind in der Schwangerschaft gut untersucht und ihre Anwendung in der Schwangerschaft ist unter Umständen möglich, aber trotzdem sagt die Packungsbeilage aus rechtlichen Gründen etwas anderes. Damit die schwangeren Kundinnen nicht durch das Lesen der Packungsbeilage verunsichert werden, ist daher der Hinweis auf die spezielle Fachliteratur und die daraus hervorgehende Eignung des empfohlenen Arzneimittels für die Beratung sehr hilfreich.

Dr. Elke Hinderer

Apothekerin,

Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie

Taufkirchen

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