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für mich: Feierabend: Entspannung finden

Wer kennt das nicht: endlich Feierabend, aber im Kopf noch bei der Arbeit. „Habe ich auch wirklich bestellt? ... Medikament XY ist nun auch nicht mehr lieferbar … Frau Maier geht es schlecht …“. Es ist wichtig, dieses Denken zu durchbrechen, um Körper und Geist regenerieren zu können.

Parasympathikus als Ruhenerv

Zunächst ein kurzer Exkurs zum vegetativen Nervensystem. Die Wechselwirkung zwischen Sympathikus und Parasympathikus – den beiden getrennt verlaufenden Teilen des unwillkürlichen Nervensystems – ist für die richtige Steuerung der Organe und damit das Überleben wichtig. Von Bedeutung ist allerdings, dass der Sympathikustonus, den wir zur Bewältigung der Herausforderungen des Alltags brauchen, nicht überhandnimmt. Sonst drohen die bekannten Zivilisationskrankheiten, wie Bluthochdruck und Herzinfarkt, und häufig auch Krankheiten des Verdauungssystems, wie Sodbrennen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung. Phasen in denen der Parasympathikustonus vorherrscht, müssen regelmäßig stattfinden, damit der Mensch regenerieren kann. Am besten gelingen diese „parasympathischen Breaks“ in einem Zustand der inneren Ruhe.

Den eigenen „Abschalttyp“ erkennen

Neben regelmäßigen richtigen Pausen und dem Urlaub ist es für die innere Ruhe wichtig, den Feierabend so zu gestalten, dass man auch wirklich abschalten kann. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle auf die gleiche Weise den (Arbeits-)Alltag hinter sich lassen können. Während die eine sich auf dem Liegestuhl in der Abendsonne am liebsten entspannt, braucht der andere dafür am besten einen abendlichen Waldlauf und die nächste wiederum eine gute Lektüre. Zunächst ist es wichtig, sich selbst Gedanken darüber zu machen, was man braucht, um runterzukommen. Möglicherweise muss man sich auch eingestehen, dass das etwas anderes ist als das, was vielleicht dem Partner, der Freundin oder den anderen Familienmitgliedern hilft.

Das richtige Feierabendritual finden

Für alle hilfreich ist aber sicherlich ein Feierabendritual, mit dem der innere Schalter umgelegt wird und der Körper erkennen kann, dass es jetzt in den Ruhemodus geht. Dafür gibt es viele individuell unterschiedliche Möglichkeiten, wichtig ist es jedoch, dieses Ritual wirklich regelmäßig durchzuführen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich der – dauerhaft leider ungesunde – After-Work-Drink. Gern kann es auch ein Feierabendtee, die Lieblingslimo in der Lieblingsbar oder der Espresso beim Italiener um die Ecke sein. Eine andere Möglichkeit wäre es, jeden Abend das letzte Stück des Heimweges zu Fuß zu gehen oder auf der Heimfahrt immer die gleiche entspannende Musik zu hören. Die regelmäßige letzte Kontrollrunde durch die Apothekenräume kann bewusst zum Abschalten genutzt werden. Vielen hilft auch, nachdem sie zu Hause angekommen sind, sich zunächst für 15 Minuten in einen Raum zurückzuziehen und sich dort darüber Notizen zu machen, was die wichtigsten Aufgaben des Tages waren und welche erledigt wurden. Gleichzeitig kann notiert werden, welche Tätigkeiten am nächsten Tag anstehen, damit diese während des Feierabends nicht mehr im Kopf herumgeistern. Ist der Kopf befreit, findet man leichter Entspannung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Feierabend muss (auch) der Erholung dienen, sonst kann es durch den ständig aktivierten Sympathikus sein, dass sich Krankheiten wie Bluthochdruck oder Sodbrennen entwickeln.
  • Wie die Zeiten für die Erholung am besten verbracht werden, muss jeder individuell für sich selbst herausfinden.
  • Wichtig für das Finden von innerer Ruhe während des Feierabends sind entspannende Tätigkeiten und Rituale, die regelmäßig wiederholt werden.

Den Feierabend auch wirklich feiern

Nach diesem Start in den Feierabend müssen sicherlich die meisten noch die alltäglichen Haushaltspflichten erledigen und sich vielleicht um die Familie, Kinder oder anderes kümmern. Das wird leichter und entspannter gelingen, wenn das erste Abschalten bereits geglückt ist. Es hilft, Hausarbeit mit beruhigender Hintergrundmusik oder dem Anhören eines Hörbuches zu verrichten. Damit die zu Hause anfallenden Arbeiten nicht zu viel werden, sollten sie gut aufgeteilt werden, etwa durch einen Wochenplan. Auch sollte man nicht zu streng mit sich selbst sein: Der Berg aus Bügelwäsche darf auch mal liegen bleiben. Denn es ist wichtig, unbedingt genügend Zeit für einen entspannten Ausklang des Tages beziehungsweise das Wochenende mit der Familie oder Freunden einzuplanen.

Gesellschaft oder eher Rückzug?

Gerade die Zeit mit der Familie, das Treffen mit Freunden, die Vereinsabende oder auch stressfreier Teamsport helfen Vielen zu entspannen. Besonders wenn man dabei auf Menschen trifft, die einem wohlgesinnt sind, lässt sich aus dieser Geselligkeit viel Energie gewinnen.

Andere jedoch brauchen den Rückzug, weil sie wie bei der Arbeit in der Apotheke tagsüber ständig mit vielen Menschen zu tun haben. Für sie kann eine Stunde mit Meditation, autogenem Training oder einer sanften Massage hilfreich sein, um die manchmal emotional herausfordernden Begegnungen des Tages zu verarbeiten. Sie können so zur Ruhe kommen und aufkeimende Sorgen und Ängste loslassen.

Stressfreie Hobbys gegen Unruhe

Wer zwar den Rückzug braucht, aber in der absoluten Stille oder beim Stillsitzen während einer Meditation eher unruhig wird, für den sind solche passiven Entspannungsmethoden wie etwa autogenes Training eher nicht geeignet. Dann passen beispielsweise die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Qigong oder Yoga oft deutlich besser. Auch Hobbys wie Backen, Schnitzen, Töpfern, Stricken, Zeichnen oder Gartenarbeit können helfen, den Stress bei entsprechend veranlagten Personen zu reduzieren. Wichtig ist, dass dies überschaubare Tätigkeiten sind, durch die für die Ausführenden kein neuer Leistungsdruck entsteht und wodurch die Anspannung somit spürbar nachlassen kann.

Dampf ablassen durch Sport

Auch durch körperliche Betätigung kann Dampf abgelassen und so der Parasympathikus aktiviert werden. Dass Sport eine der wichtigsten Stressabbaumaßnahmen ist, ist bekannt und gut belegt. Allerdings sollte die Sportart Freude machen, zu den individuellen körperlichen Voraussetzungen passen und nicht mit übertriebenen Leistungszielen betrieben werden. Ein Sportmuffel, der eine für ihn unpassende Sportart ausüben soll, gerät sonst in Stress, den er eigentlich vermeiden wollte. Man sollte sich auch überlegen, ob man seine Sporteinheit lieber allein und zurückgezogen oder in der Gruppe ausübt. Feste Termine können helfen, den inneren Schweinhund zu überwinden.

Zeit für das Wesentliche

Insgesamt sollte während des Feierabends immer wieder auch Zeit für das Wesentliche, also die Dinge, die einem im Leben wirklich wichtig sind, bleiben. Um das herauszufinden, braucht jeder Zeiten der Muße. Muße bedeutet laut Duden: „freie Zeit und (innere) Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht“. Innere Ruhe zu finden – das ist wohl das Entscheidende, aber oft auch das Schwierige. Das Genießen der Natur, die Beschäftigung mit Musik, Kunst oder Literatur oder tiefergehende Gespräche können neben den genannten Tätigkeiten dabei unterstützen. Gerade in schwierigen Zeiten ist diese Muße dann die entscheidende Voraussetzung, um bisherige Verhaltensweisen zu überdenken und daraufhin neue Wege und Möglichkeiten zu erkunden.

Einschlafrituale regelmäßig wiederholen

Am Ende des Feierabends steht das Zubettgehen. Gerade mit dem Einschlafen haben heute sehr viele Menschen Probleme – das wissen Apothekenmitarbeiter nur zu genau. Ist es während des Feierabends schon gelungen abzuschalten, wird das Einschlafen sicher leichter klappen. Zusätzlich kann, neben der klassischen Schlafhygiene und „Digital-Detox“, ein Ritual zum Einschlafen helfen. Am bekanntesten sind sicherlich Gutenachtgeschichten oder das Schäfchen-Zählen. Welches Ritual nun das beste ist, muss jeder selbst herausfinden – es kann auch das Trinken einer heißen Honigmilch vor dem Zähneputzen oder das Lesen einiger weniger Seiten sein. Aber vor allem das Denken an etwas Schönes, die Imagination von etwas sehr Angenehmem, vielleicht ein besonders eingeprägtes Bild des Lieblingsurlaubsortes, sind hilfreich. Wichtig dabei sind die Monotonie und die regelmäßige Wiederholung.

Ein guter Start in den nächsten Tag

Vor dem Zubettgehen kann es auch die Entspannung fördern, den nächsten Morgen schon vorzubereiten, vielleicht indem man schon den Tisch für das Frühstück deckt, die Overnight Oats liebevoll vorbereitet, die Tasche für den nächsten Tag packt und die Kleidung zurechtlegt. Profis legen sich auch inspirierende kurze Texte oder Bilder für den nächsten Morgen auf den Nachttisch. Wenn dadurch vielleicht sogar Vorfreude, mindestens aber eine gelassene Erwartung des nächsten Tages entsteht, wird das den Schlaf begünstigen und das Aufstehen am nächsten Morgen erleichtern. •

Almut Roth

Apothekerin

Stetten bei Meersburg

autor@ptaheute.de