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gut beraten: Gewürze in der Schwangerschaft: Zimtsterne verboten?

Mit Weihnachten ist unweigerlich der Duft nach Punsch, Lebkuchen, Spekulatius oder Zimtsternen verbunden. Aber immer wieder kommt es zu großer Verunsicherung bei Schwangeren und ihren Angehörigen, weil vermeintlich harmlose Gewürze schädliche Auswirkungen auf das Ungeborene haben sollen. Tatsächlich wurden für manche Inhaltsstoffe von typischen Küchengewürzen in hoher Dosierung im Tierversuch schädliche Wirkungen nachgewiesen. Wie so häufig gilt aber auch hier: Die Dosis macht das Gift. Im Folgenden werden einige typische weihnachtliche Gewürze und Backzutaten dahingehend näher beleuchtet.

Zimtstern und Co.

Zimt gilt als eines der Weihnachtsgewürze schlechthin. Ob im Punsch, in Zimtsternen oder auch mal im Gulasch, die gerollte oder gemahlene Rinde des Zimtbaumes gibt vielen Gerichten eine unverwechselbare Geschmacks- und Geruchsnote. Das charakteristische Zimtaroma entsteht durch das enthaltene ätherische Öl, dessen Hauptbestandteile Zimtaldehyd und Eugenol sind. Häufig sind Schwangere verunsichert, ob Zimt in der Schwangerschaft vermieden werden muss. Tatsächlich werden Zimt als Tee sowie aus Zimt gewonnenes ätherisches Öl von manchen Hebammen zur Unterstützung der Geburtseinleitung beziehungsweise Wehentätigkeit empfohlen. Einen wissenschaftlichen Beleg für diese Wirkung gibt es bislang aber nicht. 

Gegen die gelegentliche Verwendung von Zimt als Gewürz spricht in der Schwangerschaft daher erst einmal nichts. Die Einnahme sehr großer Mengen zum Beispiel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, die einen positiven Effekt auf den Blutzuckerspiegel versprechen (mehr dazu lesen Sie im Artikel „Nicht nur zu Weihnachten“ auf Seite 50), oder der Gebrauch von Zimtöl zur Einreibung sollte aus Sicherheitsgründen unterbleiben. Da die Rinde des Chinesischen Zimtbaums, aus der der sogenannte Cassia-Zimt gewonnen wird, größere Mengen Cumarin enthält (siehe blauer Kasten auf Seite 52), empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung generell allen Menschen, zu Hause den cumarinärmeren Ceylon-Zimt zum Kochen und Backen zu verwenden. Für Fertigprodukte ist eine Deklaration des verwendeten Zimts nicht vorgeschrieben, deshalb sollte der Verzehr zimthaltiger Lebensmittel nur in Maßen erfolgen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kein weihnachtliches Gewürz muss in der Schwangerschaft absolut gemieden werden. Hin und wieder kleine Mengen sind von jedem Gewürz akzeptabel.
  • Stark cumarinhaltige Gewürze wie Cassia-Zimt oder Tonkabohne sollten aufgrund einer potenziellen Lebertoxizität generell nur sehr sparsam verwendet werden.
  • Glühwein oder jede andere Form von Alkohol als Genussmittel sind in der Schwangerschaft nicht erlaubt.
  • In Bezug auf die zugeführte Energiemenge sollte in der Schwangerschaft nicht für zwei gegessen werden – trotz aller kulinarischen Verlockungen in der Weihnachtszeit.

Vorsicht, Cumarin:Tonkabohne und Cassia-Zimt

Cassia-Zimt und Tonkabohnen enthalten in größeren Mengen den sekundären Pflanzenstoff Cumarin, der bei empfindlichen Personen, Menschen mit vorgeschädigter Leber und in höheren Konzentrationen potenziell lebertoxisch ist. Auch in Steinklee-Kraut und Waldmeister ist Cumarin in hohen Konzentrationen vorhanden. Da bisher noch nicht abschließend geklärt werden konnte, warum manche Menschen auf Cumarin verstärkt mit einer Leberschädigung reagieren, gibt es inzwischen gesetzlich festgelegte Höchstmengen für Cumarin in Lebensmitteln. Die tolerierbare Dosis für Cumarin, die täglich ohne gesundheitliche Bedenken eingenommen werden kann, liegt bei 0,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Als Reinstoff zur Aromatisierung darf Cumarin Lebensmitteln nicht zugesetzt werden, in Kosmetika ist es jedoch noch häufig enthalten. Um mögliche Risiken auszuschließen, sollte generell auf größere Mengen cumarinhaltiger Lebensmittel – zum Beispiel mehr als zwei Gramm Cassia-Zimt pro Tag – verzichtet und wenn möglich cumarinarme Varianten der Gewürze bevorzugt werden. Im Tierversuch wurde außerdem für hohe Cumarindosen auch eine cancerogene Wirkung nachgewiesen, nicht jedoch beim Menschen.

In den letzten Jahren hat die Tonkabohne wieder vermehrt in deutschen Küchen Einzug gehalten. Die Samen des aus Südamerika stammenden Tonkabaums schmecken süß und riechen nach Vanille. Plätzchen und Desserts wird die Tonkabohne in kleinen Mengen in geriebener Form zugesetzt. Sie enthält besonders hohe Konzentrationen an Cumarin, bis zu zehn Prozent, aus ihr wurde der Reinstoff auch erstmals isoliert. Aufgrund der Cumarin-Problematik war die Verwendung von Tonkabohnen in Lebensmitteln in Deutschland zwischen 1970 und 1991 verboten, in den USA ist dies nach wie vor durch die Food and Drug Administration untersagt. Hin und wieder ein Plätzchen, das geringe Mengen Tonkabohne enthält, stellt in der Schwangerschaft kein Problem dar. Größere Mengen sollten jedoch wie alle cumarinhaltigen Gewürze vermieden werden.

Sternanis und Anis

Die sternförmigen Früchte von Illicium verum, dem Echten Sternanis, werden in der Weihnachtszeit sowohl zu Dekorationszwecken als auch zum Backen und Aromatisieren von Glühwein oder alkoholfreiem Punsch verwendet. Das enthaltene ätherische Öl ähnelt in der Zusammensetzung dem ätherischen Öl von Anis (Pimpinella anisum). Beide Drogen können als Gewürz oder als Bestandteil von Tees in der Schwangerschaft genossen werden, jedoch aufgrund mangelnder Daten zur Sicherheit nur in kleinen Mengen und nicht über einen längeren Zeitraum.

Alleskönner Kardamom

Getrocknete Kardamomenfrüchte sind in gemahlener Form nicht nur Bestandteil von Curry-Mischungen, sondern auch in Lebkuchen-, Punsch- und Spekulatiusgewürz enthalten. Grundsätzlich spricht bei Kardamom nichts gegen einen Verzehr, eine nachgewiesene wehenfördernde Wirkung gibt es nicht. Trotzdem sollte man, wie bei vielen anderen Gewürzen auch, den Genuss im Übermaß und die Verwendung des reinen ätherischen Öls zur Einnahme in der Schwangerschaft zur Sicherheit vermeiden.

Klein, aber oho: die Gewürznelke

Die Blütenknospen des Gewürznelkenbaums findet man zum Beispiel als Gewürz in verschiedenen Soßen oder als Zusatz zu Glühwein und Punsch. Das enthaltene ätherische Öl mit den Hauptbestandteilen Eugenol und Acetyleugenol wird auch pharmazeutisch in der Mund- und Zahnheilkunde verwendet, etwa als Bestandteil in Mundwässern und Präparaten bei Zahnfleischentzündung. Das reine ätherische Öl sollte von Schwangeren nicht oder nur auf Anweisung der Hebamme verwendet werden (zum Beispiel als Badezusatz zur Wehenanregung kurz vor der Geburt). Gegen vereinzelte Nelken in alkoholfreiem Punsch oder der Bratensoße spricht aus toxikologischer Sicht in der Schwangerschaft allerdings nichts. Mehr als ein paar Nelken braucht es auch in der Regel nicht, denn die getrockneten Blütenknospen geben einen sehr intensiven Geschmack ab.

Und in der Stillzeit?

In der Schwangerschaft gelangen sehr viele Stoffe über das mütterliche Blut in die Plazenta und so zum Kind. Der Weg über die Muttermilch in den kindlichen Organismus ist da schon deutlich schwieriger. In die Muttermilch gelangen vorrangig kleine, lipophile Substanzen, die nicht an Plasmaeiweiße gebunden sind. Wie viel dieser Stoffe letztendlich dann auch den Weg in den kindlichen Organismus findet, ist abhängig von der Trinkmenge und der Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt des Kindes. Das bedeutet, dass sich eine stillende Mutter nicht sorgen muss, mit einer üblichen Verzehrmenge an weihnachtlichen Gewürzen ihrem Kind zu schaden. Untersuchungen der letzten Jahre zeigen aber, dass einige Geruchs- und Geschmacksstoffe in die Muttermilch gelangen, wenn die Mütter bestimmte Lebensmittel beziehungsweise Gewürze verzehrt haben. Bislang konnten zum Beispiel Aromastoffe aus Knoblauch, Vanille und Eukalyptus sowie der Scharfstoff Piperin aus Pfeffer in der Muttermilch nachgewiesen werden, Scharfstoffe aus Chili oder Ingwer bislang nicht. Eine abwechslungsreiche Ernährung mit unterschiedlichen Gewürzen kann also auch Auswirkungen auf den Geschmack der Muttermilch haben. Inwieweit dies spätere Ernährungspräferenzen der gestillten Kinder beeinflusst, wird aktuell noch erforscht.

Angenehm scharf: Ingwer

Nicht nur in scharfen asiatischen Gerichten wird Ingwer gern und viel genutzt, auch als Weihnachtsgewürz in Keksen und Lebkuchen wird das Ingwer-Rhizom (oft botanisch fehlerhaft als Wurzel bezeichnet) verwendet. Für den scharfen Geschmack sind im Wesentlichen die Inhaltsstoffe Gingerol und Shogaol verantwortlich. In kleineren Mengen darf Ingwer in der Schwangerschaft als Gewürz oder Tee verwendet werden. Studien haben keine höhere Fehlgeburts- oder Fehlbildungsrate gezeigt, ein vermeintlicher wehenauslösender Effekt von Ingwer ist nicht wissenschaftlich belegt. Ingwer kann auch gegen leichte Formen der Schwangerschaftsübelkeit helfen, allerdings sollte die Tagesdosis von 1,5 g getrocknetem Ingwerpulver nicht überschritten werden. Dies entspricht ungefähr fünf Gramm frischem Ingwer pro Tag. Schwangere, die unter Sodbrennen leiden, sollten allerdings mit Ingwer eher vorsichtig sein, da es das Sodbrennen verstärken kann.

Luftige Lebkuchen

Damit man sich an Plätzchen und Lebkuchen, Panettone oder Christstollen nicht im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne ausbeißt, benötigt der Teig ein sogenanntes Backtriebmittel. Dieses produziert Gase, meist Kohlendioxid, und macht so den Teig locker und luftig. Am häufigsten wird zur Teiglockerung Backpulver oder Hefe verwendet. Während bei Hefeteigen die Lockerung durch das „Gehen lassen“ vor dem Backen erfolgt, entsteht beim Backpulver während des Zubereitungs- und Backvorgangs aus dem enthaltenen Natriumhydrogencarbonat und Säuerungsmittel Kohlendioxid und Wasser. In vielen Lebkuchen- und anderen Weihnachtsrezepten werden statt Backpulver jedoch das nicht mehr so gebräuchliche Hirschhornsalz oder Pottasche empfohlen.
Auch in der Schwangerschaft ist der maßvolle Verzehr von Plätzchen mit Zimt, Sternanis, Kardamom und Co. unbedenklich. | Foto: Melanie Maya – iStockphoto.com

Hirschhornsalz und Pottasche in der Weihnachtsbäckerei

Pottasche (E501, Kaliumcarbonat) ist ohne Beschränkung für alle Nahrungsmittel zugelassen und auch in der Schwangerschaft bedenkenlos einsetzbar. Etwas anders sieht es hingegen beim Hirschhornsalz (E503) aus. Dieses wurde früher tatsächlich aus geraspeltem Hirschhorn gewonnen, heute ist es eine künstlich hergestellte Mischung ähnlicher Zusammensetzung, die hauptsächlich Ammoniumhydrogencarbonat und Ammoniumcarbonat enthält. Beim Erhitzen zerfallen die Stoffe und es entsteht neben Kohlendioxid auch das gesundheitsschädliche Ammoniak. Bei flachem Gebäck wie beispielsweise bei Plätzchen oder Lebkuchen kann sich Ammoniak beim Backen vollständig aus dem Teig verflüchtigen, für höheres Gebäck wie zum Beispiel Kuchen ist es nicht geeignet. Roher Teig, der Hirschhornsalz enthält, sollte auch nicht verzehrt werden. Zusätzlich begünstigt die Verwendung von Hirschhornsalz beim Backen die Entstehung von Acrylamid, das möglicherweise das Krebsrisiko erhöhen kann. Aus diesem Grund kann es durchaus sinnvoll sein, in der Weihnachtsbäckerei Hirschhornsalz durch Natron oder Backpulver zu ersetzen, unabhängig von einer Schwangerschaft.

Wie erkläre ich es meinen Kunden?

  • „Ich verstehe, dass Sie sich Sorgen um Ihr Baby machen. Aber ab und an ein Zimtstern oder ein Lebkuchen wird ihm nicht schaden, dazu sind die enthaltenen Mengen an Zimt viel zu gering. Sollten Sie gern mit Zimt kochen oder backen, empfehle ich Ihnen, nur Ceylon-Zimt zu verwenden. Er ist zwar etwas teurer, ist aber von der Zusammensetzung beim Verzehr größerer Mengen besser für Sie.“
  • „Wir haben zwar Hirschhornsalz da, aber ich rate Ihnen eher zu herkömmlichem Backpulver oder Natron. Der auflockernde Effekt auf das Gebäck ist vergleichbar, es entstehen dabei aber keine potenziell gesundheitsschädlichen Substanzen.“
  • „Sie dürfen auch in der Schwangerschaft Ingwer als Gewürz und als Tee verwenden. Gerade im ersten Drittel der Schwangerschaft kann Ihnen dies sogar gegen eine leichte Übelkeit helfen. Mehr als maximal fünf Gramm frischer Ingwer pro Tag sollten es aber bitte nicht sein.“

Plätzchen, Glühwein, Weihnachtsgans?

Werdende Mütter achten glücklicherweise meist auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung. Vielen Schwangeren ist aber nicht bewusst, dass sie, bezogen auf die zugeführte Kalorienmenge, auf keinen Fall „für zwei“ essen dürfen. Der Energiebedarf steigt im Gegensatz zum Nährstoffbedarf in der Schwangerschaft nur geringfügig an. So dürfen zum Beispiel im zweiten Trimenon täglich nur circa vier bis fünf durchschnittliche Plätzchen mehr genascht werden (circa 250  kcal) also sonst, um nicht zu viel Speicherfett zuzulegen. Unglücklicherweise hält sich der Mythos hartnäckig, dass das eine oder andere Schlückchen Alkohol in der Schwangerschaft ja nicht schaden würde. Dies stimmt nicht. Alkohol in der Schwangerschaft ist immer schädlich für das Baby und sollte auf jeden Fall strikt vermieden werden. •

Dr. Elke Hinderer

Apothekerin,

Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie

Taufkirchen

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