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gut beraten: Beratungsgespräch: Vertraulich muss es sein

Plötzlich ertönt eine Stimme „Als ich das letztes Jahr hatte, musste ich operiert werden, das war ganz schlimm.“ Wenn Ihnen ein Kunde derart in ein Gespräch grätscht, ist schon im Vorfeld einiges schiefgelaufen. In der Apotheke geht es bei der Beratung um sensible persönliche Daten, die nicht öffentlich thematisiert werden sollen. Diskretion bedeutet daher nicht nur die Verschwiegenheit in Bezug auf das Gespräch, sondern auch die Vertraulichkeit während des Gesprächs.

Diskrete und umfassende Beratung

Geht ein Kunde mit einem Arzneimittelwunsch in die Apotheke, erwartet er eine individuelle persönliche Beratung mit auf sein Problem zugeschnittenen Informationen. Dieser Beratungswunsch ist auch in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) festgelegt: Nach § 20 muss die Abgabe von Arzneimitteln zusammen mit allen für die Arzneimittelsicherheit erforderlichen Hinweisen erfolgen. Dabei ist eine diskrete Beratung zu gewährleisten. Dies ist nachzulesen in § 4: „Die Offizin muss so eingerichtet sein, dass die Vertraulichkeit der Beratung [...] gewahrt wird.“ Allerdings wird nicht konkretisiert, durch welche (baulichen) Maßnahmen dies zu bewerkstelligen ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kunden erwarten eine diskrete Beratung. Das gilt grundsätzlich für jedes Beratungsgespräch.
  • Die Kommunikation mit dem Kunden sollte in einer Lautstärke geführt werden, bei der niemand mithören kann.
  • Laut Apothekenbetriebsordnung ist ein Beratungszimmer nicht zwingend vorgeschrieben, aber durchaus sinnvoll – zum Beispiel für die Durchführung pharmazeutischer Dienstleistungen.
  • Mit Kundendaten ist sensibel umzugehen. Daher sollten Rezepte nicht offen herumliegen. Telefonate sind so zu führen, dass Kunden keine persönlichen Daten hören können.

Bodenmarkierungen und HV-Ständer

Im Gegensatz zu einer Arztpraxis oder einer Anwaltskanzlei wird die Apotheke in den allermeisten Fällen ohne Termin aufgesucht. In der Regel treffen dort zeitgleich mehrere Kunden aufeinander, die vom pharmazeutischen Personal Rat erwarten. Und das bitte diskret. Den Wunsch nach einem Läuseshampoo soll nicht die ganze Apotheke hören. Ebenso wenig möchte Frau Schmidt, dass die Nachbarn von ihrer Chlamydieninfektion erfahren. Es soll also nicht nur über das Gesagte geschwiegen werden, das Beratungsgespräch hat auch vertraulich zu erfolgen.

Das klingt allerdings einfacher, als es bisweilen ist. Gerade bei älteren Apotheken wurde bei der Einrichtung oftmals nicht oder nur untergeordnet an Möglichkeiten gedacht, diskret zu beraten. Hier kann es hilfreich sein, mit Klebeband einen Diskretionsabstand auf dem Boden zu markieren. Überschreitet dennoch jemand die Markierung, muss das nicht unbedingt Absicht sein. Klären Sie ihn kurz und freundlich auf: „Sie haben vermutlich unsere Bodenmarkierungen nicht gesehen. Seien Sie bitte so nett und warten dort kurz. Eine Kollegin ist gleich für Sie da.“

Optimalerweise sollte der Abstand zwischen den einzelnen Beratungsplätzen etwa 1,70 Meter von Kunde zu Kunde betragen – gerne mehr. Ist dies nicht der Fall und die Beratungsplätze sind zu nah beieinander oder gar nicht separiert, können Trennwände – zum Beispiel aus Plexiglas – aufgestellt werden. Eventuell reicht bereits ein entsprechend platzierter Verkaufsständer, um die Akustik am HV-Tisch zu verändern.

Die Sache mit dem Beratungsraum

Entgegen oft geäußerter Meinungen ist ein Beratungsraum in der Apotheke laut ApBetrO nicht zwingend vorgeschrieben. Wobei es Auslegungssache zu sein scheint, ob nur, wenn ein Beratungsraum zur Verfügung steht, eine Vertraulichkeit der Beratung gewährleistet ist. Aber unabhängig davon, ob Pflicht oder nicht, sinnvoll ist der Beratungsraum auf jeden Fall. Wo sonst sollen zum Beispiel Kompressionsstrümpfe angemessen werden? Wohl jeder Kunde wird froh sein, wenn ihm die verschiedenen Inkontinenzprodukte nicht am HV-Tisch, sondern in einem separaten Raum gezeigt werden. Auch für die Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen ist ein abgetrennter Bereich sinnvoll. Dieser sollte über die Offizin ohne Durchquerung von Lager- oder Arbeitsräumen erreichbar sein. Angemietete Räume außerhalb der Apotheke können zwar zum Beispiel als Seminarräume genutzt werden, jedoch nicht zur individuellen Beratung bei einer Arzneimittelabgabe.

Ist kein separater Raum vorhanden und kann dieser auch baulich nicht umgesetzt werden, ist Kreativität gefragt. Etwas Intimität kann zum Beispiel durch einen Paravent oder auch ein großes Aquarium geschaffen werden. Wichtig ist, dass der abgetrennte Bereich nicht beziehungsweise nur schlecht einsehbar ist und die Beratung nicht mitgehört werden kann. Werden Apotheken neu eingerichtet, wird in der Regel mit schallschluckenden Materialien für Decke und Fußboden gearbeitet.

Was ist ein Beratungszylinder?

Eine pfiffige Idee (nicht nur) für flächenmäßig kleine Apotheken ist der Beratungszylinder. Diese Variante eines diskreten Beratungsbereichs stammt vom Innenarchitekten Michael Höferlin und wurde mit dem ersten Preis des ABDA-Wettbewerbes „Beratung braucht Diskretion“ ausgezeichnet.

Der Beratungszylinder verfügt lediglich über eine Grundfläche von 4,9 oder 6,1 Quadratmetern. Im offenen Zustand wird der Zylinder als normaler Handverkaufsplatz genutzt. Möglich ist auch der Einsatz als Aktions- oder Präsentationsfläche. Bei Bedarf können die runden Schiebetüren geschlossen werden, es entsteht ein Raum im Raum. Die Scheiben sind aus Milchglas und somit nicht einsehbar, eine zusätzliche Schalldämmung gewährleistet die Vertraulichkeit der Beratungsgespräche.

Leise, leiser, unhörbar

Diskretion entsteht allerdings nicht nur durch räumliche Gegebenheiten. Wichtig ist auch das Verhalten des Apothekenpersonals. Prinzipiell hat jede Beratung diskret zu erfolgen, egal, ob der Kunde lediglich ein Schmerzmittel benötigt oder Frau Maier befürchtet, Filzläuse zu haben. Trägt ein Kunde seine Beschwerden sehr leise vor, ist ihm sein Anliegen eventuell unangenehm. Er kann dennoch aufgefordert werden, etwas lauter zu sprechen. Aber bitte nur einmal und ohne Vorwürfe: „Ich habe Sie leider nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie Ihren Wunsch noch einmal.“ Damit übernehmen Sie die Verantwortung für den suboptimalen Gesprächseinstieg.

Bisweilen ist es auch so, dass in der Offizin, bedingt durch die Kundenzahl, ein recht hoher Geräuschpegel herrscht. Ein naheliegender Gedanke ist jetzt: „Um gehört zu werden, muss ich lauter reden.“ Das widerspricht jedoch der Diskretion. Eventuell reicht es schon, mit dem Kunden an die Seite, zum Beispiel an ein Regal, zu treten. Ist dies nicht ausreichend, sollte das Gespräch in die Beratungsecke oder den Beratungsraum verlegt werden.

Erektile Dysfunktion, Scheidenpilz & Co.

Kunden sind sehr verschieden. Allgemein lässt sich im Vorfeld kaum erahnen, welche Thematik Kunden peinlich ist. Während Herr Müller ganz selbstverständlich sein Rezept über Sildenafil vorlegt, druckst ein anderer Kunde länger herum. Frau Becker spricht offen über ihren Vaginalpilz, Frau Schneider ist das Thema sehr unangenehm. Auch über Themen außerhalb des Schambereichs sprechen manche Kunden nur ungern. So möchte Frau Wagner nicht, dass jemand von ihrem Diabetes weiß. Und Herr Fischer schämt sich für seinen Mundgeruch. In vielen Fällen lässt sich bereits beim Eintreten in die Apotheke erkennen, dass es dem Kunden oder der Kundin nicht leichtfallen wird, sein beziehungsweise ihr Anliegen vorzutragen. Diese nonverbale Verständigung äußert sich zum Beispiel wie folgt:

  • unsicheres Auftreten
  • Schüchternheit
  • leise Stimme
  • zögerndes Handeln
  • Vermeidung von Blickkontakt
  • verstärktes Umschauen
  • Erröten
  • Abwarten, bis die Offizin kundenfrei ist

(Nicht nur) diese Kundengruppe schätzt Entgegenkommen. Das pharmazeutische Personal sollte Hemmschwellen abbauen und aktiv die Beratung anbieten: „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Ist bereits nach den ersten Sätzen des Kunden klar, dass es sich um ein sensibles Thema handelt, etwa weil der Kunde sehr leise spricht und unklare, eventuell sogar stammelnde Formulierungen benutzt, sollte das Gespräch in ein vertraulicheres Umfeld verlegt werden: „Lassen Sie uns doch kurz in unser Beratungszimmer gehen. Dort können wir uns ungestört unterhalten.“ Hilfreich ist diese Vorgehensweise auch bei Krankheiten, die immer noch stigmatisiert werden. Dazu zählen unter anderem Aids, Alkoholsucht und psychische Erkrankungen.

Alter Mann versus junge Frau

Vertrauen und vertraulich sind zwei Worte, die zusammengehören. Haben Kunden Vertrauen zum pharmazeutischen Personal, ist das vertrauliche Gespräch deutlich vereinfacht. Um Vertrauen aufzubauen, ist es hilfreich, dass sich der Kunde wohlfühlt, er soll sich in seiner Komfortzone befinden. Entsprechend kann es sein, dass sich ein Kunde immer nur an das männliche Personal wendet. Manchmal wird gezielt nach einer Kollegin gefragt: „Ist Frau Weber heute nicht da?“ Derartige Fragen sind niemals persönlich zu nehmen. Es geht hier nicht um die Bewertung fachlicher Kompetenz, sondern um persönliche Kundenvorlieben.

Die Berücksichtigung dieser Vorlieben sollte auch von Seiten des pharmazeutischen Personals erfolgen: Der ältere PTA führt die junge Frau mit dem Wunsch nach der Pille danach in den Beratungsraum und erklärt ihr: „Frau Schäfer ist gleich für Sie da und wird Ihnen vertraulich weiterhelfen.“ Die Apothekerin bietet dem Stoma-Kunden an, das Gespräch mit einer Kollegin zu führen, deren Mann ebenfalls ein Stoma trägt. Bei der gepflegten PTA mit dem weinroten Lippenstift fühlt sich Frau Roth auf der Suche nach einer guten Augenpflege vermutlich besser aufgehoben als bei dem etwa zwanzigjährigen PTA-Praktikanten. Es geht dabei nicht um überbeanspruchte Klischees à la „nur Frauen können zu Kosmetik beraten“, sondern um die Optimierung des Beratungsgespräches.

Wo liegt der Analdehner für Frau Müller?

Bei den Stichworten Diskretion und Indiskretion sollte nicht nur an den Kundendialog gedacht werden, es geht um alle Arbeitsabläufe in der Apotheke. Es ist ein absolutes No-Go, Daten anderer Kunden preiszugeben: „Hier ist Ihr Prostatamittel, Herr Schulz.“ „Oh, Sie sind gar nicht Heinz Schulz, sondern Bernd Schulz.“ Vermeiden lässt sich ein derartiger Fauxpas, indem stets klargestellt wird, um welchen Gesprächspartner es sich handelt. Das gilt ebenfalls für Telefonate. Auch wenn sich die Person am anderen Ende der Leitung mit dem gewünschten Namen meldet, fragen Sie nach: „Guten Tag, spreche ich mit Waltraud Hoffmann in der Hauptstraße?“ Bei Telefongesprächen ist zudem darauf zu achten, dass das Telefonat nicht von Kunden gehört werden kann.

Des Weiteren sind Unterhaltungen unter Kollegen so zu führen, dass persönliche Kundendaten nicht öffentlich gemacht werden. Dementsprechend sind Fragen nach dem Analdehner für Frau Müller oder den Kompressionsstrümpfen für Herrn Meier leise und möglichst ohne Personennamen zu führen.

Gerade wenn viel los ist und man einen Kunden nach dem anderen berät, kann das gerade belieferte Rezept offen auf dem HV-Tisch liegen bleiben. Man will es schließlich später fertig bearbeiten. Aber: Der nächste Kunde kann jetzt, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, alle Informationen des Rezeptes lesen. Dies lässt sich sehr einfach vermeiden, indem stets darauf geachtet wird, alle Rezepte umzudrehen.

Wie erkläre ich es meinen Kunden?

  • „Ich verstehe gut, dass Ihnen Ihre Stuhlinkontinenz unangenehm ist. Folgen Sie mir doch kurz in unser Beratungszimmer, da können wir uns ungestört unterhalten.“
  • „Guten Tag, hier ist die Stadt-Apotheke, spreche ich mit Franz Koch in der Weststraße?“ …. „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Ihre Urinbeutel jetzt vorrätig sind.“
  • „Sie haben Tabletten gegen Blasenschwäche verordnet bekommen. Lassen Sie uns doch kurz zur Seite treten, dann kann niemand unser Gespräch hören.“

Nehmen Sie bitte eine Karte

Immer mehr Apotheken arbeiten mit Diskretionskarten. Diese liegen am Apothekeneingang aus. Hat sich der Kunde eine Karte genommen und legt sie auf den HV-Tisch, ist klar, dass eine diskrete Beratung gewünscht wird. Die Karte muss nicht beschriftet sein. Ist dies jedoch gewünscht, ist der Aufdruck „Ich wünsche eine diskrete Beratung“ zu vermeiden. Im Umkehrschluss bedeutet der Aufdruck, dass ansonsten die Beratung nicht diskret sein wird. Eine mögliche Alternative ist zum Beispiel „Mein heutiger Beratungswunsch ist sehr vertraulich.“ Soll mit derartigen Kärtchen gearbeitet werden, muss diese Option natürlich im Vorfeld im Kundenkreis bekannt gemacht und beworben werden. •

Dorothea Esser

Apothekerin

Erfenstein

autor@ptaheute.de