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Corona-Pandemie
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Studien an SARS-CoV-2-Infizierten starten: Hilft Remdesivir gegen COVID-19?

mit Reaktionsmischung gefüllte Mehrkanalpipettenspitzen über Petrischale
Ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, könnte Remdesivir (Gilead) auch bei Coronaviren wirken. | Bild: tilialucida / Adobe Stock

Ursprünglich hatte das Pharmaunternehmen Gilead einen Wirkstoff gegen Ebola gesucht. Das Ebolavirus wurde bereits vor Jahren – 1976 – entdeckt. Teile Afrikas kämpfen seit einiger Zeit mit Ebola-Epidemien, besonders betroffen ist aktuell die Demokratische Republik Kongo. Gilead entdeckte im Laufe seiner Forschung an Ebola tatsächlich einen antiviralen Wirkstoff – Remdesivir –, der mittlerweile in der klinischen Entwicklung recht fortgeschritten ist: Das Virostatikum wurde bereits am Menschen untersucht. Allerdings fanden die Wissenschaftler bei Remdesivir nicht nur eine Wirksamkeit gegen Ebolaviren. Remdesivir scheint breit antiviral zu wirken, Tierstudien haben eine Effektivität auch bei zahlreichen anderen Viruserkrankungen gezeigt – unter anderem bei durch Coronaviren ausgelösten Erkrankungen, wie SARS (Severe Acute Respiratory Syndrom, Schweres Akutes Atemwegssyndrom) und MERS (Middle East Respiratory Syndrom). Zugelassen ist Remdesivir zum aktuellen Zeitpunkt in keiner Indikation.

Remdesivir wirkt breit antiviral

Diese breite antivirale Wirksamkeit – und die glücklicherweise so weit fortgeschrittene Forschung an Remdesivir – macht man sich jetzt zunutze: Erste klinische Studien prüfen Remdesivir nun an COVID-19-Erkrankten. Die Untersuchungen laufen in China und den Vereinigten Staaten. Ziel aller Studien ist, einfach gesagt: Hilft Remdesivir bei COVID-19 und ist das Arzneimittel auch hinsichtlich der Nebenwirkungen sicher für den Patienten?

Wie wirkt Remdesivir?

Remdesivir zählt zu den Virostatika. Der Arzneistoff hemmt die Vermehrung bestimmter Viren – unter anderem Ebola- und Coronaviren –, indem Remdesivir das für die Vermehrung erforderliche Enzym, die virale RNA-Polymerase, blockiert. In SARS-CoV-2 liegt die Erbinformation in Form von Ribonukleinsäure (RNA) vor (zum Vergleich: Beim Menschen liegt die genetische Information in der DNA, der Desoxyribonukleinsäure). Bei der RNA handelt es sich um eine lange Zucker-Phosphat-Kette, an die einzelne Nukleinbasen – nämlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – angeknüpft sind (siehe Abb.). Als Zuckerbaustein nutzt die RNA Ribose, daher auch der Name Ribonukleinsäure.

Will sich ein Virus vermehren, muss es zunächst seine Erbinformation für die Nachfolgegeneration verdoppeln, dabei hilft die viruseigene RNA-Polymerase. Sie nutzt die vorhandene RNA als Vorlage und knüpft eine neue Kette, wieder bestehend aus Zucker-Phosphat und daran angehängt Adenin, Cytosin, Guanin oder Uracil.

Was macht nun Remdesivir? Remdesivir ähnelt, von seinem chemischen Aufbau, einem wichtigen Baustein der Erbinformation, nämlich dem Adenin, und wird als „falscher“ Baustein in die neue RNA des „Virus-Nachkommens“ eingebaut. Die Folge: Die RNA- und folglich die Virus-Vermehrung ist gestört. 

Verknüpfung der Nukleinbasen (C, G, A und U) über ein Zucker- (grau) und Phosphatrückgrat (türkis) zur RNA | Bild: Sponk

In den USA: Studie nur an Schwererkrankten

In den USA wird Remdesivir nur an schwer an COVID-19-Erkrankten untersucht – einer der dortigen Studienteilnehmer war Passagier auf dem von SARS-CoV-2 betroffenen Kreuzfahrtschiff Diamond Princess. Das heißt: Die Patienten müssen neben einem positiven Nachweis von SARS-CoV-2 im Labor zusätzlich eine klinische Lungenbeteiligung der Infektion zeigen – Rasselgeräusche beim Atmen, zusätzliche Sauerstoffversorgung oder künstliche Beatmung.

Die Erkrankten werden in zwei Gruppen aufgeteilt und erhalten entweder eine Infusion mit Remdesivir oder eine wirkstofffreie Infusion (Placebogruppe). Weder der Arzt noch der Patient wissen, welches Präparat der Erkrankte verabreicht bekommt (doppelblinde Studie). So soll verhindert werden, dass die Studienergebnisse aufgrund einer bestimmten Erwartungshaltung verzerrt werden.

Wie wird geprüft, ob Remdesivir wirkt?

Therapiert werden die COVID-19-Patienten nur so lange, wie sie im Krankenhaus bleiben müssen, maximal erhalten sie zehn Tage Remdesivir. Die erste Dosis beträgt 200 mg, alle folgenden täglichen Dosen liegen bei 100 mg Remdesivir. Wie wird überprüft, ob das Virostatikum anspricht? Dafür messen die Ärzte des US-amerikanischen Krankenhauses fortlaufend, ob noch Fieber vorliegt, sie prüfen den Sauerstoffbedarf, ob dieser sinkt, und entnehmen zusätzlich Rachenabstriche, die auf SARS-CoV-2 untersucht werden. Die Ergebnisse der Covid-19-Patienten am Ende Studie werden auf einer Sieben-Punkte-Skala erfasst. Diese reicht von „vollständiger Genesung“ bis zum „Tod“.

Therapiedauer bei Remdesivir

Wie lange sollten schwer erkrankte COVID-Patienten Remdesivir erhalten? Bessern sich die Symptome nach fünf Tagen oder ist eine zehntägige Remdesivirgabe effektiver? In China will man – neben der generellen Frage nach der Sicherheit und Wirksamkeit von Remdesivir bei SARS-CoV-2-Infektionen – auch diesen Punkten auf den Grund gehen. 400 Patienten, SARS-CoV-2 positiv und schwerer Verlauf, erhalten entweder insgesamt fünf oder zehn Tage Remdesivir. Nach einer Startdosis von 200 mg des Virostatikums liegt die tägliche Dosis fortan bei 100 mg als intravenöse Infusion. Auch in China überprüfen die Ärzte anhand der Körpertemperatur und der Sauerstoffsättigung der Patienten im Blut den Erfolg der Therapie. Als wirksam wird die jeweilige Remdesivirbehandlung dann betrachtet, wenn die Patienten für mindestens 24 Stunden bis zum 14. Tag wieder eine normale Körpertemperatur (T < 36,6 °C in der Achselhöhle, < 37,2 °C oral, < 37,8 °C rektal) und eine ausreichende Sauerstoffsättigung (Sp02 > 94 Prozent) aufweisen.

Remdesivir auch bei schwächeren Verläufen?

Eine weitere Studie untersucht ebenfalls die Sicherheit und Wirksamkeit eines fünf- (Patientengruppe 1) und zehntägigen (Patientengruppe 2) Dosierschemas von intravenös verabreichtem Remdesivir, dieses Mal jedoch bei Patienten mit schwächeren (moderaten) Verläufen einer COVID-19-Erkrankung. Zusätzlich gibt es eine dritte Patientengruppe, die kein Remdesivir erhält. Etwa 600 Teilnehmer werden in etwa gleicher Zahl auf die drei Gruppen verteilt.

Die „Remdesivirpatienten“ erhalten – wie in den anderen Studien auch – am ersten Tag 200 mg Remdesivir (i. v.), gefolgt von je täglich 100 mg Remdesivir zusätzlich zur Standardbehandlung bis zum fünften oder zehnten Tag. Ziel dieser Studie ist ebenfalls die Bewertung der Wirksamkeit von Remdesivir. Das machen die Wissenschaftler daran fest, wie viele Teilnehmer in jeder Gruppe bis zum 14. Tag wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden können.

Wann die Ergebnisse da sind und ob Remdesivir im Kampf gegen das neuartige Coronavirus tatsächlich helfen kann, ist derzeit nicht bekannt.

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