COVID-19-Krankheitsverlauf
Corona-Pandemie
5 min merken gemerkt Artikel drucken

Nach einer Corona-Infektion immun – oder doch nicht?

Junge Frau in orangefarbenem Rollkragenpulli hält medizinische Maske an den Gummis gestrafft vor Mund
Mehrere dokumentierte Fälle belegen, dass es zu einer Zweitinfektion mit SARS-CoV-2 kommen kann. Deshalb müssen auch bereits genesene Corona-Patienten die geltenden AHA-Regeln befolgen. | Bild: Goffkein / Adobe Stock

Schon relativ früh zu Beginn der Corona-Pandemie konnte man nachlesen, dass sich in Japan oder Südkorea Menschen ein zweites Mal mit dem Coronavirus infiziert hatten. Experten gingen damals aber eher von falschen Testergebnissen oder dem Wiederaufflammen einer immer noch bestehenden Infektion aus als von einer tatsächlichen zweiten Infektion.

Reinfektion möglich

Mittlerweile hat sich die Lage jedoch geändert. Es gibt mehrere dokumentierte Fälle, bei denen es definitiv zu einer Zweitinfektion gekommen ist. Untersuchungen des Erbguts haben gezeigt, dass die erste und zweite Infektion auf verschiedene Varianten von SARS-CoV-2 zurückgeht. Bisher sind von solchen Reinfektionen weltweit nur wenige Fälle bekannt. Die genaue Zahl kann natürlich trotzdem höher liegen, denn bei einem Patienten aus Hongkong wurde diese zweite Infektion nur durch Zufall entdeckt. Der Mann wurde als Reiserückkehrer am Flughafen routinemäßig getestet, Symptome hatte er keine.

Eine Zweit-Infektion mit dem neuartigen Coronavirus muss aber nicht tendenziell milder verlaufen. Patientenbeispiele aus den USA oder aus Ecuador haben gezeigt, dass eine Reinfektion auch schwerer als eine erste Infektion verlaufen kann. Der Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung variiert also nicht nur von Person zu Person, er kann auch von Infektion zu Infektion unterschiedlich sein. Dabei spielen sicherlich verschiedene Einflussfaktoren wie die Anfangsdosis des Virus oder auch der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten eine Rolle. Ungeklärt ist bisher auch, ob Menschen bei einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 auch wieder ansteckend sein können.

Auch andere Viren führen zu einer Zweitinfektion

Grundsätzlich ist eine erneute Ansteckung bei einer viralen Erkrankung nichts Ungewöhnliches. Auch zahlreiche andere Viren können den Menschen mehrmals befallen, dazu gehören beispielsweise Influenza-Viren und andere respiratorische Viren. Bei diesen Erregern ist bekannt, dass eine natürliche Infektion nicht unbedingt zu einer Immunität und damit zu einem Schutz vor einer Neuansteckung führt. Anders sieht es dagegen nach einer Infektion mit Masern- oder Rötelnviren aus. Hier hinterlässt eine durchgemachte Erkrankung tatsächlich eine lebenslange Immunität.

Wie wehrt sich der Körper gegen eine Infektion?

Bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus werden vom Immunsystem zunächst IgM-Antikörper, im späteren Verlauf auch IgG-Antikörper gebildet. Diese Antikörper sind hochspezifisch und richten sich daher immer gegen einen bestimmten Erreger. Die Bildung solcher Antikörper benötigt eine gewisse Zeit, sie sorgen aber normalerweise für eine längerfristige Abwehr.

Antikörper nicht immer nachweisbar

Vorhandene Antikörper im Blut können also ein Hinweis darauf sein, dass das Immunsystem bei einem erneuten Kontakt mit einem Erreger geschützt ist. Die Konzentration der Antikörper gegen SARS-CoV-2 nimmt aber mit der Zeit ab. Bei Patienten mit milden Krankheitsverläufen waren schon nach einigen Wochen keine Antikörper mehr im Blut nachweisbar. Auch hier ist der genaue Zusammenhang noch unklar. Es muss noch genauer untersucht werden, ob die Schwere der Erkrankung einen Einfluss auf die Antikörperbildung hat. Denn bei manchen nachweislich Infizierten waren im Blut gar keine Antikörper messbar.

T-Zellen spielen eine wichtige Rolle

Beim Abwehr-Gedächtnis des Immunsystems spielen nicht nur Antikörper eine Rolle, auch sogenannte T-Gedächtniszellen können sich noch Jahre später an eine virale Erkrankung erinnern und kurbeln die Immunreaktion bei Bedarf schnell wieder an. Die T-Zellen zählen dabei zu den weißen Blutkörperchen. Sie werden im Knochenmark gebildet und reifen dann im Thymus, einer Drüse des lymphatischen Systems, heran. Im Gegensatz zu den Antikörpern bleibt ihre Menge über längere Zeit konstant. Beim SARS-CoV-1, dem Auslöser der ersten SARS-Pandemie im Jahr 2002, waren diese T-Zellen bei den Betroffenen noch viele Jahre nach der Erkrankung im Blut zu finden.

Kreuzreaktivität

Eine weitere Rolle hinsichtlich einer Immunität gegen SARS-CoV-2 könnte auch eine sogenannte Kreuzreaktivität spielen. Darunter versteht man die Tatsache, dass frühere Infektionen mit harmlosen Erkältungs-Coronaviren sich positiv auf den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 auswirken. Bei manchen Menschen liegen bereits T-Gedächtniszellen gegen das neuartige Coronavirus vor, obwohl diese noch nie Kontakt mit dem SARS-2-Virus hatten. Bestimmte Strukturen von SARS-CoV-2 zeigen nämlich eine Ähnlichkeit mit Erkältungs-Coronaviren und deshalb können bereits gebildete T-Zellen auch das neue Virus erkennen.

Was bedeutet das Wissen um eine Zweitinfektion?

Die neuen Erkenntnisse zur Möglichkeit einer erneuten Ansteckung haben mehrere Auswirkungen. Neben anderen Bedenken ergibt ein „Immunitäts-Ausweis“ nach durchgemachter Infektion nun auch aus wissenschaftlichen Gründen keinen Sinn. Ob eine erste Ansteckung mit SARS-CoV-2 vor einer erneuten Infektion oder vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen kann, ist momentan noch unklar. Auch bereits an COVID-19 genesene Patienten müssen daher alle gängigen AHA-Regeln wie Nicht-Infizierte befolgen. Die aufgetretenen Fälle von Reinfektionen zeigen auch noch einmal deutlich, dass eine natürlich erworbene Herdenimmunität in weite Ferne gerückt ist. Eine solche kann nur über wirksame Impfstoffe, die gegen alle zirkulierenden Varianten von SARS-CoV-2 schützen, erreicht werden.

Zurück