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Erkältungsmittel stimmen Ökotest verschnupft

Bild: Racle Fotodesign / Adobe Stock

Als „wilde Mischung“ oder „einen Mix aus Wirkstoffen gegen Erkältungsbeschwerden“ bezeichnen die Verbraucherschützer zumindest die von ihnen untersuchten „Pillen und Säfte“. Welche Arzneimittel packte Ökotest in seinen Warenkorb? Hauptsächlich enthielt dieser Kombinationspräparate aus einem Analgetikum (ASS, Ibuprofen, Paracetamol) und einem Antihistaminikum (Chlorphenamin in Grippostad C, Doxylamin in Wick MediNait) oder einem Sympathomimetikum (zum Beispiel Pseudoephedrin in Aspirin Complex, Phenylephrin in Wick DayMed Kombi, Phenylpropanolamin in Basoplex und Ephedrin in Wick MediNait). Teilweise waren hustenreizstillende Wirkstoffe wie Dextrometorphan in Basoplex und Wick MediNait oder der Schleimlöser Guaifenesin in Wick DayMed Kombi zugesetzt. Als pflanzliches Arzneimittel untersuchten die Tester Angocin Antiinfekt Filmtabletten.

Lediglich ein Monopräparat durfte am Wettkampf um die beste Platzierung bei Erkältungsmitteln aus der Apotheke teilnehmen: ASS + C-Ratiopharm gegen Schmerzen – und: Die Brausetabletten belegten prompt Platz eins. Gesamturteil „gut“ und das, obwohl die Tester den Zusatz von Vitamin C als „überflüssig“ bewerten. Mit ASS + C-Ratiopharm hat es sich dann allerdings auch schon erledigt mit den begehrten Treppchenplatzierungen. Die restlichen Arzneimittel stehen bei der Siegerehrung kollektiv neben dem Podest – sie teilen sich mit den Bewertungen „ausreichend“ und „ungenügend“ die hinteren Plätze.

Wie bewertete Ökotest?

Eine generelle Warnung sprechen die Verbraucherschützer vor Kombinationspräparaten aus. Also: „Vorsicht Wirkstoffmix“. Gar den Schluss „bedenklich“ ziehen sie bei einem Präparat des Herstellers Ratiopharm, das neben ASS auch Paracetamol und Vitamin C enthält. Derartige Kombinationen wie Grippal + C Ratiopharm erhöhten die Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes. Fazit: Note „ungenügend“. Das Arzneimittel hat Ratiopharm mittlerweile vom Markt genommen.

Das Gesamturteil „ungenügend“ fällte Ökotest noch bei sechs weiteren kombinierten Arzneimitteln, darunter auch Klassiker aus der Apothekensichtwahl wie Grippostad C, Wick DayMed Kombi und Wick MediNait. Die Kombinationen seien „nicht sinnvoll“. Es gebe keine Wirksamkeitsbelege für die Antiallergika Doxylamin in Wick MediNait und Chlorphenamin in Grippostad C. Antiallergische Wirkstoffe seien bei einer „laufenden Nase durch eine Allergie ausgelöst“ sinnvoll, ansonsten gelten diese „müde machenden Allergiemittel als veraltet“.

Pharmazeutisch ist diese Betrachtungsweise ein wenig rudimentär: Die Wirkstoffe sind primär H1-Rezeptoranatagonisten und können durch Blockade dieser Rezeptoren eine antiallergische Wirkung entfalten. Histamin ist allerdings nicht nur bei allergischen Reaktionen ein wichtiger Botenstoff. Er löst unter anderem auch durch Aktivierung von H1-Rezeptoren im Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan), Übelkeit und Erbrechen bei Reisekinetosen aus. Hier liegt zweifelsohne ebenfalls keine allergische Reaktion vor – dennoch hat ein altes „Antiallergikum“, nämlich Diphenhydramin beziehungsweise Dimenhydrinat, bei dieser Indikation absolut eine therapeutische Daseinsberechtigung.

Zu bemängeln hatte Ökotest außerdem, dass Stada und Wick bei ihren Präparaten Grippostad C und Wick DayMed Kombi keine Angaben zu individuellen Dosierungen nach Körpergewicht machen, was durch den Gehalt an Paracetamol erforderlich sei. So sollten Patienten mit einem Körperwicht unter 43 Kilogramm maximal 2000 mg Paracetamol pro Tag einnehmen. Das wird allerding weder bei Grippostad C (3 x 2 Kapseln à 200 mg Paracetamol) noch bei Wick DayMed (4 Beutel à 500 mg Paracetamol) überschritten, wenn sich die Patienten an die Dosierempfehlungen der Gebrauchsinformationen halten.

Berechtigte Rüge hier hingegen für die Arzneimittel Doregrippin und Geloprosed: Bei maximaler Dosierung liegt die Paracetamolmenge bei 3000 mg täglich. Also auch für die beiden Paracetamol-Phenylephrin-Kombinationen Note sechs.

Drei Noten Abzug verteilten die Tester für den Wirkstoff Pseudoephedrin. Wenig überraschen dürfte somit auch das Ergebnis bei den Kombinationspräparaten Aspirin Complex, GrippHexal, Boxagrippal, Ibuhexal Grippal, Ratiogrippal und Wick Duogrippal: Durchweg die Note ausreichend – alle enthalten neben einem NSAR wie ASS oder Ibuprofen den schleimhautabschwellenden Wirkstoff Pseudoephedrin.

Wirksamkeit belegt und Ökotest verteilt Note vier

Etwas erstaunen hingegen dürfte Apotheker und PTAs diese schlechte Bewertung mit der Note vier dann doch: Für all diese Kombinationen beantworten die Verbraucherschützer die Frage nach der „Wirksamkeit“ mit einem klaren „Ja“. Das Argument von Ökotest: Pseudoephedrin wirke zwar gegen eine verstopfte Nase, nicht jedoch gegen eine laufende und auch nicht gegen Husten. Das ist wiederum interessant – da zum Beispiel Aspirin Complex den Anspruch einer Wirksamkeit gegen Husten überhaupt nicht stellt und dies auch gar nicht als Indikation nennt: Die Fachinformation zum Bayer-Präparat schreibt zum Anwendungsgebiet: „Zur symptomatischen Behandlung von Schleimhautschwellung der Nase und Nebenhöhlen bei Schnupfen (Rhinosinusitis) mit Schmerzen und Fieber im Rahmen einer Erkältung bzw. eines grippalen Infektes“. Als Agonist an alpha-Rezeptoren bewirkt Pseudoephedrin an der glatten Muskulatur des Bronchialsystems eine Kontraktion – wie soll es da gegen Husten wirken?

Zumindest bei den Hilfsstoffen überzeugten die Erkältungsarzneien: „Sehr gut“ für immerhin zwölf der 15 getesteten Präparate. Lediglich bei Grippostad C, Wick DayMed Kombi und Wick MediNait monieren die Verbraucherschützer den Farbstoff Chinolingelb. Der Stoff steht im Verdacht an hyperaktivem Verhalten oder der Auslösung von Pseudoallergien beteiligt zu sein – der Nachweis steht bislang aus. Bei Wick MediNait bietet außerdem der Gehalt von fünf Volumenprozent Alkohol Anlass zur Kritik, findet Ökotest.

Wie schneidet Angocin ab? 

Das einzige pflanzliche Arzneimittel überzeugte ebenfalls nicht. Es gebe nur eine produktspezifische Studie, die bei Nasennebenhöhlenentzündung und Bonchitis eine vergleichbare Wirksamkeit wie ein Antibiotikum zeige. Auch hier: Gesamturteil „ausreichend“.

Und was hilft laut Ökotest bei Erkältungen?

Ein „Go“ bekommen Schmerzmittel. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol helfen gegen „Kopf-, Hals- und Gesichtsschmerzen“. Auch um Hinweise zur Einnahme ist Ökotest nicht verlegen: „Präparate mit Acetylsalicylsäure immer als Brausetablette oder als Granulat im Wasser aufgelöst einnehmen, um den Magen zu schonen“, empfiehlt das Magazin. Dass Brausetabletten die „Magenverträglichkeit des Wirkstoffs Acetylsalicylsäure verbessern“, dürfte jedem Apotheker und jeder PTA neu sein – es ist pharmakologisch schlichtweg falsch. Somit scheinen die Ökotester verschnupft bei all den therapeutischen Kombinationen an Erkältungsmitteln, Pharmazeuten hyperventilieren allerdings bei derartigen Empfehlungen zur Einnahme.

Welcher Fokus fehlt den Verbraucherschützern?

Es gibt einen Aspekt – und dabei einen nicht ganz irrelevanten – den Ökotest völlig unbeachtet lässt: Den Patienten. Jede PTA, die in einer öffentlichen Apotheke tätig ist weiß, dass es nicht den „Erkältungspatienten“ schlechthin gibt und somit auch nicht das universelle „Erkältungsmittel“, das allen Patienten gerecht wird und für alle Patienten gleichermaßen passt. Ist der Patient jung, ist er berufstätig und beruflich eventuell viel unterwegs? Solch einem Patienten ein Nasenspray gegen Schnupfen, ein Schmerzmittel gegen die Kopf- und Gliederschmerzen, befeuchtende Lutschtabletten für den Rachen, Kamillendampfbäder und einen Hustensaft zu empfehlen – ist schlichtweg utopisch. Ihn dann noch zu fragen, ob die Nase läuft oder verstopft ist – mit aller Wahrscheinlichkeit wird er der PTA entgegenschleudern: „Ich habe einfach Schnupfen“.

Nicht nur, dass Patienten keine fünf Dinge gegen ihre eine Erkältung kaufen möchten – und den Apotheken somit gleich umsatzsteigernde Verkaufstüchtigkeit nachsagen – dieser Patient wird diese Arzneimittel in dieser Vielzahl so auch nicht einnehmen. Somit helfen ihm selbst all diese guten Monopräparate nicht. Fakt ist aber: Der Patient ist krank, er leidet und möchte, dass seine Beschwerden gelindert werden. Was spricht also dagegen, ihm eben diese Linderung zu verschaffen und einem gesunden jungen Patienten – ohne Asthma, Magengeschwür und Bluthochdruck – ein Aspirin Complex oder Boxagrippal zu empfehlen?

Eine ältere Dame hingegen hat eventuell durchaus die Muse, Erkältungsbäder zu nehmen, Wadenwickel zu machen, sich stündlich eine Tasse frischen Hustentee aufzubrühen und die den grippalen Infekt im Bett auszuschwitzen.