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Betäubungsmittel-Substitution: Welche Ausnahmen regeln „SZ“-Rezepte?

Bild: WavebreakMediaMicro / Adobe Stock

Bei der Substitution opioidabhängiger Patienten im Betäubungsmittelersatzprogramm gibt es grundsätzlich zwei Versorgungsmodelle:

  • Der Patient erhält sein Substitutionsmittel zur unmittelbaren Einnahme unter Aufsicht: Sichtbezug.
  • Der Patient bekommt seine Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme mit nach Hause: Take-home.

Jeder neue Patient im Substitutionsprogramm startet im Sichtbezug. Grundsätzlich sollen betäubungsmittelabhängige Patienten im Rahmen der Substitutionsversorgung ihre Ersatz-Arzneimittel auch sofort einnehmen, so schreibt es die Betäubungsmittel- verschreibungsverordnung (BtMVV § 5 Absatz 7): „Dem Patienten ist das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch (…) zu überlassen.“ Das bedeutet: Diese Patienten substituieren ihre Betäubungsmittel unter Aufsicht. Diese Einnahme kann in der Arztpraxis stattfinden. Aber auch das pharmazeutische Personal der Apotheke darf die Betäubungsmittel-Einnahme des Substitutionspatienten überwachen. Der Sichtbezugspatient bekommt sein BtM-Rezept vom Arzt nicht selbst in die Hand.

Take-home für bis zu 30 Tage möglich

Bewährt sich der Patient bei der Substitutionstherapie, und der Arzt hält die überwachte, unmittelbare Einnahme nicht mehr für erforderlich, wechselt der Patient vom Sichtbezug in die eigenverantwortliche Take-home-Einnahme. Der Arzt stellt in diesem Fall das Substitutionsrezept für sieben Tage aus, der Patient erhält seine Wochen-Dosis in der Apotheke, und er nimmt seine täglichen Substitutionsmittel eigenverantwortlich ein. Die Änderung der BtMVV hat den Take-home-Patienten noch weitere „Freiheiten“ ermöglicht. Seit Inkrafttreten der neuen BtMVV im Oktober 2017 dürfen Ärzte „in begründeten Einzelfällen“ eine Take-home-Verordnung auch für 30 Tage ausstellen. Unter „begründet“ fallen hier medizinische (schwererkrankt, immobil), berufliche (Montage) oder Gründe, die „seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ betreffen. Das können auch Urlaubsreisen sein.

Take-home-Einnahmen erleichtern die Resozialisierung der Substitutionspatienten und ermöglichen ihnen, ihr Leben freier zu gestalten – denn sie müssen nicht täglich zu einer bestimmten Uhrzeit in die Arztpraxis oder Apotheke, um ihre Substitutionsmittel zu erhalten. Wie sieht es bei Patienten im Sichtbezug aus? Gibt es auch hier „Ausnahmen“ für eine eigenverantwortliche Einnahme. Mittlerweile, ja.

Ausnahmen auch für Patienten mit Sichtbezug

Denn auch Substitutionspatienten mit einer grundsätzlichen Einnahme ihrer Substitutionsmittel im Sichtbezug dürfen ausnahmsweise einmal, zum Beispiel an Wochenenden und Feiertagen, ihre Substitutionsarzneimittel eigenverantwortlich einnehmen. Diese Ausnahmeverordnungen im Rahmen des Sichtbezugs fallen nicht unter die klassische „Take-home-Regelung“, da sich diese Substitutionspatienten für eine dauerhafte, selbständige Einnahme ihrer Substitutionspräparate nicht eignen oder zumindest noch nicht.

Die Grenzen für diese „Freiheiten“ der Sichtbezugspatienten hat der Gesetzgeber deswegen auch enger und strikter gesteckt als bei typischen und bereits bewährten Take-home-Patienten. Auch dies wurde erst der Änderung der BtMVV im Oktober dieses Jahres möglich. Seither dürfen Patienten im Sichtbezug ausnahmsweise Wochenenden oder Feiertage in der eigenverantwortlichen Einnahme überbrücken.

Wie sehen Substitutionsrezepte aus?

Der Arzt muss Substitutionsrezepte besonders kennzeichnen. Diese BtM-Rezepte tragen als zusätzlichen Hinweis der Substitutionstherapie den Buchstaben „S“. Zusätzlich unterscheiden sich Ausnahme-Verordnungen bei Sichtbezugspatienten von Take-home-Rezepten: Ausnahme-Verordnungen im Sichtbezug kennzeichnet der Substitutionsarzt mit „SZ“, bei Take-home mit „ST“.

Wie funktionieren „SZ“-Rezepte?

Im Rahmen der „SZ“-Verordnung erhält der Substitutionspatient die Dosen nur für zwei aufeinanderfolgende Tage und nicht wie im Take-home-Programm für sieben.  Das können zwei Werktage sein oder auch die Wochenendtage Samstag und Sonntag. Abweichend davon, darf der Substitutionsarzt eine „SZ“-Verordnung für maximal fünf Tage ausstellen, wenn dem Wochenende direkt Feiertage vorausgehen oder folgen – zum Beispiel Ostern: Inklusive Karfreitag und Ostermontag benötigt der Patient vier Tagesdosen als „SZ“.

Auch Weihnachten dieses Jahr rettet diese Ausnahmeregel. So der Substitutionsarzt seinem Patienten die gewissenhafte, eigenverantwortliche Einnahme zutraut, händigt er diesem für Samstag, Heilig Abend am Sonntag und die ersten zwei Weihnachtsfeiertagen am Montag und Dienstag ein „SZ“-Rezept für vier Tage aus. Denn auch das ist die Ausnahme: Erhalten Sichtbezugspatienten ihr Rezept normalerweise nicht selbst in die Hand, so ist dies im Rahmen von „SZ“-Verordnungen möglich.

Maximal ein „SZ“-Rezept pro Woche

Wenn nun der Feiertag auf einen Donnerstag fällt? Christi Himmelfahrt oder Fronleichnam? Auch hier hat der Gesetzgeber vorgesorgt, denn die „SZ“-Verschreibung berücksichtigt, wenn zumindest ein einzelner Werktag zwischen dem Feiertag und dem Wochenende liegt. Beim Mittwoch wird es allerdings kritisch. Denn: Die maximale Verordnungsregel für fünf Tage berücksichtigt nur einen einzigen Werktag als „Brückentag“. Der Arzt muss folglich entscheiden: Händigt er dem Substitutionspatienten die „SZ“-Verordnung für den Feiertag – folglich für Dienstag und Mittwoch oder für Mittwoch und Donnerstag – oder für das Wochenende Samstag und Sonntag aus. Zwei Werktage darf das „SZ“-Rezept nicht überbrücken. Darf der Substitutionsarzt vielleicht zwei Rezepte ausstellen?

Zwei „SZ“-Verordnungen sieht die BtMVV nicht vor. Das Gesetz verbietet dem Substitutionsarzt, innerhalb einer Kalenderwoche einem Patienten zwei ausnahmsweise „SZ“-Rezepte auszustellen. Das mag auf den ersten Blick vielleicht besonders „streng“ erscheinen, jedoch sind die möglichen Ausnahmen bereits ein Zugeständnis für Sichtbezugspatienten, bei denen das ärztliche Vertrauen in eine längere eigenverantwortliche Einnahme derzeit noch fehlt.