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Magensaftresistente Arzneimittel: Darauf sollten Sie achten!

Magensaftresistente Arzneiformen sollten in der Regel „nüchtern“ eingenommen werden. Aber kann man eine Tabletten-Einnahme unmittelbar vor dem Frühstück als „nüchtern“ bezeichnen? | Bild: felipecaparros/AdobeStock

„Jeder Snack zwischendurch verhindert die vollständige Entleerung des Magens – und damit, dass große magensaftresistente Arzneimittel den Magen verlassen können, der Wirkstoff sich danach im Dünndarm auflöst und ins Blut aufgenommen werden kann“, wird Prof. Dr. Rolf Daniels von der ABDA in einer aktuellen Pressemitteilung zu magensaftresistenten Arzneimitteln zitiert. Daniels lehrt Pharmazeutische Technologie an der Universität Tübingen und ist Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).

Wenn das Schmerzmittel unbeabsichtigt erst nachts wirkt 

„Wenn ein Patient zum Beispiel mehrfach täglich ein magensaftresistentes Arzneimittel mit dem schmerzstillenden Wirkstoff Diclofenac einnimmt und über den Tag verteilt immer wieder Kleinigkeiten isst, dann verlassen diese Arzneimittel den Magen erst nachts. Folglich hilft das Diclofenac tagsüber nicht gegen Schmerzen. Einige Patienten nehmen dann mehr von einem solchen Arzneimittel ein als therapeutisch sinnvoll ist.“

Daniels empfiehlt daher, nach der Nüchtern-Einnahme von magensaftresistenten Arzneimitteln eine Pause von möglichst einer oder besser zwei Stunden einzuhalten: „Es reicht nicht, magensaftresistente Arzneimittel eine Stunde nach dem Essen oder morgens unmittelbar vor dem Frühstück einzunehmen. ‚Nüchtern‘ bedeutet pharmazeutisch mehrere Stunden nach der letzten Mahlzeit.“

Verweildauer von bis zu zehn Stunden 

Laut dem Technologie-Buch „Voigt“ verlassen perorale Darreichungsformen den Magen meistens nach 1/4–3 h. Vereinzelt kann sich die Verweildauer auf 8-10 h verlängern. Die Anforderungen an den Zerfall von magensaftresistenten Tabletten lauten außerdem: Kein Zerfall in 0,1 M HCl über 2 h, rascher Zerfall in Phosphatpuffer pH 6,8 innerhalb von 60 min.

Magensaftresistente Fertigarzneimittel sind Praxisalltag 

Nach einer Auswertung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts e.V. (DAPI) wurden im Jahr 2018 rund 38 Mio. Packungen magensaftresistente Fertigarzneimittel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen abgegeben, schreibt die ABDA. Bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden Verordnungen auf Privatrezept, Abgaben im Krankenhaus oder in der Selbstmedikation – magensaftresistente FAM sind also Praxisalltag.

Bitte nicht zu warm 

Eine Frage, die gerade in diesem Sommer Apothekenangestellte immer wieder umgetrieben hat, ist: Wann und in welchem Ausmaß schadet Hitze welchen Arzneimitteln? Das Buch „Arzneiformen richtig anwenden“ von Wolfgang Kirchner (4. Auflage) verrät, dass gerade magensaftresistente Arzneiformen nicht längere Zeit erhöhten Aufbewahrungstemperaturen ausgesetzt werden dürfen. Sonst kann nämlich die chemische und mechanische Stabilität der Überzugsfilme ungünstig beeinflusst werden. So soll bei verschiedenen Fertigarzneimitteln eine mehrwöchige Aufbewahrung bei 30 °C zu einem deutlich geänderten Freigabeverhalten geführt haben. Magensaftresistent überzogene Kapseln sollen dann anfälliger sein als Filmtabletten oder Dragees.

Zudem sind Hartkapseln mit säurebeständigem Überzug mechanisch recht empfindlich. Anders ist das bei Hartgelatinekapseln, deren Füllgut (befilmte Pellets) dünndarmlöslich formuliert wurde.

Bitte nicht teilen – gilt das immer? 

Magensaftresistente Arzneiformen gibt es aus zwei verschiedenen Gründen: Zum einen sollen sie die Magenschleimhaut vor aggressiven Wirkstoffen (Diclofenac und andere NSAR) schützen, zum anderen sind sie aber auch essenziell dafür, dass magensaftempfindliche Wirkstoffe (Omeprazol und andere PPI) überhaupt wirken können. Denn dazu müssen diese ohne Kontakt mit dem Magensaft in den Dünndarm gelangen.

Um den schützenden Überzug nicht zu beschädigen, müssen magensaftresistente Arzneimittel in der Regel unversehrt (ohne Teilen, Zerbeißen, Lutschen) geschluckt werden. Für Arzneiformen, in denen einzelne Pellets magensaftresistent überzogen sind, gilt das „Teil-Verbot“ nicht. Diese zwar magensaftresistenten, aber multipartikulär formulierten Arzneimittel (Granulatpartikel, Pellets, Mikrotabletten) müssen auch nicht nüchtern eingenommen werden, weil sie gemeinsam mit dem Speisebrei aus dem Magen in den Dünndarm entleert werden. Dennoch gilt auch hier: die Darreichungsform nicht zerbeißen!

Bitte nicht gleichzeitig: Antazida und Macrogole 

Dass jemand, der Omeprazol einnimmt, eventuell auch Antazida anwendet, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Dann sollte man die Patienten darauf hinweisen, dass Antazida bei simultaner Gabe mit magensaftresistenten Arzneimitteln deren verfrühte Freisetzung im Magen herbeiführen können.

Bei dem am häufigsten eingesetzten magensaftresistenten Filmbildner Eudragit™ L (Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymere) sollte man außerdem an unerwünschte Interaktionen mit Macrogolen denken: Sie können in Laxanzien oder als Hilfsstoffe zum Einsatz kommen und Eudragit™ L in seiner Säureresistenz einschränken.