Aktuelles
5 min merken gemerkt Artikel drucken

Was ist tierversuchsfreie Kosmetik?: Woran erkennt man Kosmetik ohne Tierversuche?

Zahlreiche Siegel bescheinigen Produkten tierversuchfrei produziert und geprüft worden zu sein – doch sind sie vertrauenswürdig? | Bild: ARTFULLY-79 / AdobeStock

Tierversuche für Kosmetika und deren Bestandteile sind seit 2013 EU-weit verboten (Europäische Kosmetikverordnung), ebenfalls das „Inverkehrbringen“. Für Versuche an Tieren zur Toxizität, Hautsensibilisierung und Karzinogenität endete die Frist am 11. März 2013. Quelle: Dipl. Biol. Julia Radzwill, Stand: 21. April 2021   

Die Regeln sind definiert, in der Praxis kann es dennoch haken. Denn wenn andere Regelwerke mit dem Verbot konkurrieren, verschwimmen die Grenzen.

Tierversuchsverbot gilt nicht außerhalb der EU

Tatsächlich werden nur etwa 10 Prozent der Inhaltsstoffe ausschließlich für Kosmetik verwendet. Der Großteil kommt in der Industrie anderweitig zum Einsatz Quelle: Dipl. Biol. Julia Radzwill, Stand: 21. April 2021  – beispielsweise als Arzneimittelzusatz oder als Bestandteil chemischer Mittel (z. B. Waschmittel). Quelle: https://www.ikw.org/schoenheitspflege/wissen/alternativmethoden-zu-tierversuchen-hintergrundinformationen  

In diesen Bereichen gelten eigene Regeln, etwa die EU-Chemikalienverordung REACH. Zudem gilt das Kosmetik-Verbot nur für Produkte, die in der EU vermarktet werden. In vielen Ländern außerhalb der EU sind Versuche an Tieren weiterhin möglich oder sogar Pflicht, etwa in China. 

Kosmetikhersteller, die Tierversuche generell ablehnen, verzichten damit gleichzeitig auf Absatzmärkte in Ländern, in denen diese verpflichtend sind. Häufig sind dies Konzern-unabhängige Firmen und Naturkosmetik-Hersteller sowie kleine Manufakturen. Doch wie findet man im Handel entsprechende Produkte?

Das Siegel „PETA Approved“

Damit potenzielle Käufer diese Produkte identifizieren können, tragen viele ein sogenanntes „Siegel“. Offizielle Siegel sind zertifiziert und werden gemäß eigenen Kriterien von einer Organisation vergeben. Quelle: „Übersicht Kosmetik-Siegel mit Fokus auf Tierversuche“ https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/images/stories/illustrationen/kosmetik/kosmetik_siegel.pdf  

Sie beruhen meist auf einer Selbstauskunft des Herstellers, etwa für das Siegel der Tierschutzorganisation PETA, „PETA Approved“. Dort gelistete Firmen erklären, dass sie weder Tierversuche durchführen oder beauftragen noch in Kauf nehmen und binden sich per Zusicherungserklärung.

Kritiker bemängeln, dass solche Selbstauskünfte kaum nachprüfbar sind. Befürworter argumentieren, dass die Hersteller sich freiwillig verpflichten und keinesfalls einen Markenschaden aufgrund einer Falschauskunft riskieren würden. 

In der PETA-Liste (Stand 10. Februar 2022) findet sich beispielsweise Dr. Hauschka oder Louis Widmer SA – eine Lizenz für PETAs offizielles Logo für Kosmetik ohne Tierversuche haben die Marken jedoch nicht. 

Siegel: Darauf sollten Sie achten

Auf einer Liste von Ärzte gegen Tierversuche e. V. (Stand 21. April 2021) werden neben den PETA-Siegeln neun weitere gelistet. Wer genau sein will, sollte darauf achten, dass das „Nature“-Siegel und „ecocert“ zwar „keine Tiertestung“ des Gesamtprodukts versprechen, jedoch nicht „keine Tiertestung der Inhaltsstoffe“. 

Siegel sind sicher hilfreich zur Orientierung, aber es gibt Unterschiede. Wenn Hersteller beispielsweise selbst ein Siegel kreieren, hat das vorrangig Marketinggründe und verpflichtet nicht gegenüber einer Organisation. 

Übrigens: Das Siegel des Deutschen Tierschutzbundes e. V., die „Positivliste“ für Kosmetika, wird seit April 2021 nicht mehr vergeben.

Firmen können Produkte nicht „tierversuchsfrei“ nennen

Doch warum überhaupt der Umweg über ein Siegel? Weil die Firmen ihre Produkte nicht „tierversuchsfrei“ nennen dürfen. Denn niemand darf mit dem bloßen Einhalten eines Gesetzes werben. 

Der juristische Gedankengang dahinter: Der Kosmetikhersteller erfüllt lediglich die Mindestanforderung des Gesetzgebers und bietet dadurch allein keinen Mehrwert gegenüber Mitbewerbern. 

Nur Hersteller inklusive deren Zulieferer, die unter anderem nachweisen können, dass es für das Produkt und jeden Bestandteil noch nie Tierversuche gab, auch nicht durch andere Produzenten, dürfen rechtmäßig damit werben. Praktisch ist das kaum umsetzbar.

Alternative Werbeslogans wie „wir distanzieren uns von Tierversuchen“ oder „wir sind gegen Tierleid“ sind jedoch häufig. Organisationen wie PETA definieren hingegen eigene Richtlinien, gemäß derer sie Produkte oder Marken bewerten. Werden die geforderten Standards erfüllt, spricht eine positive Bewertung für das Erzeugnis.

Wie erfolgt eine Sicherheitsbewertung ohne Tierversuch?

Obwohl in der Europäischen Union das Tierversuchsverbot gilt, muss jedes Kosmetikum vor der Markteinführung eine Sicherheitsbewertung bestehen. Hierfür dürfen Daten genutzt werden, die bereits vor dem Verbot gesammelt wurden, etwa Angaben zur Toxizität. 

Zudem wird an alternativen Methoden geforscht, die statt an lebenden Tieren beispielsweise mithilfe von Gewebe- oder Zellkulturen testen. Quelle: EU Reference Laboratory for alternatives to animal testing (ECVAM) https://ec.europa.eu/jrc/en/eurl/ecvam/faqs  Mittels bestimmter Zellkulturen entsteht beispielsweise künstliches Hautgewebe, das für Tests auf Hauttoxizität dient.

Neben solchen In-vitro-Methoden kommen sogenannte In-silico-Methoden zum Einsatz. Diese liefern computergenerierte Vorhersagen, basierend auf vorhandenen toxikologischen Daten von Inhaltsstoffen ähnlicher chemischer Struktur.

Kombination mehrerer In-vitro-Verfahren nötig

Um die vielfältigen Reaktionsweisen eines Organismus auf einen Fremdstoff realitätsnah nachzuahmen, müssen häufig mehrere In-vitro-Verfahren kombiniert werden – als Ersatz für ein einzelnes Tierexperiment. Dementsprechend hoch ist der Forschungsaufwand. Validierte Testmethoden gibt es insbesondere in den Bereichen Haut- und Augenreizungen und bei Prüfungen des Allergiepotentials. Einer behördlichen Anerkennung geht eine umfassende Validierung voraus – eine Prüfung auf Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit. Beispielsweise gemäß dem Prüfrichtlinienprogramm der OECD Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/OECD  (Organisation for Economic Co-operation and Development). 

Quelle: https://tierversuchsfrei.peta-approved.de/ueber-peta-approved/; https://tierversuchsfrei.peta-approved.de/wp-content/uploads/firmen-die-nicht-an-tieren-testen.pdf; „Übersicht Kosmetik-Siegel mit Fokus auf Tierversuche“ https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/images/stories/illustrationen/kosmetik/kosmetik_siegel.pdf; www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/tierversuche/alternativmethoden/