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Tipps zur Trauerbegleitung in der Apotheke: Wie geht man mit Trauernden um?

Zwei Hände umschließen eine dritte Hand
Trauer gehört zum Leben. Deshalb sehen sich auch Apothekenmitarbeiter hin und wieder im Beratungsgespräch mit diesem Thema konfrontiert. Wie kann man Trauernden in der Apotheke einfühlsam begegnen? | Bild: peopleimages.com / AdobeStock

Trauer und Trennung sind Teile des normalen Lebenszyklus. Zwar gehören sie zum Leben wie z. B. auch die Geburt, zählen aber dennoch zu den stärksten Stressoren überhaupt. Wie physiologische Untersuchungen zeigen, kann insbesondere in den ersten Tagen und Wochen nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen die Trauer biologische Stress-Reaktionen auslösen.

Apothekenmitarbeiter, die trauernde Personen betreuen, sind von dieser Situation oft überfordert und haben es schwer, die passenden Worte zu finden. Insbesondere dann, wenn es sich um einen plötzlichen Verlust (z. B. durch einen Unfall oder eine akute Erkrankung) handelt, stehen sowohl die Trauernden selbst als auch die Außenstehenden oft unter Schock und verspüren mentalen Stress. Daher hilft es, sich bereits im Vorfeld Gedanken zum Umgang mit derartigen Situationen zu machen.

Was im Körper bei Trauer passiert

Kommt es zur Trauer, wird der gesamte Organismus durch die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol in Alarmbereitschaft versetzt. Die Herzfrequenz und der Blutdruck steigen, die Atmung beschleunigt sich und aus den Energiespeichern des Körpers wird Glukose freigesetzt. Erst im Laufe des Trauerprozesses, der monatelang anhalten kann, normalisieren sich die physiologischen Werte. 

Eine extreme Stressreaktion aufgrund des Verlustes kann zum Broken-Heart-Syndrom führen, was für den Betroffenen potenziell lebensbedrohlich sein kann. 

Wie lange dauert Trauer?

Wie lange der Prozess der Trauerbewältigung dauert und wie intensiv er verläuft, ist sehr unterschiedlich. Durch vermeintlich gute Ratschläge, wie „Denk an Dich, das Leben muss weiter gehen!“, wird der Vorgang jedoch nicht beschleunigt. 

Um den Trauerprozess zu bewältigen, durchlaufen die Trauernden mehrere Phasen mit unterschiedlicher Intensität. Dies erklärt auch, weshalb sich die Stimmung der trauernden Person im Laufe der Zeit verändert. Allerdings verlaufen die einzelnen Phasen meist nicht klar voneinander getrennt. Die Stadien, z. B. Nicht-wahrhaben-wollen, Sehnsucht, Wut, Machtlosigkeit oder Depression, werden daher oft überlappend durchgemacht. In jedem Fall sollte am Ende des Prozesses der stabile Zustand der Akzeptanz erreicht werden – denn andernfalls kann es zu einer anhaltenden Trauerstörung kommen.   

Gut zu wissen: Anhaltende Trauerstörung als Diagnose

In der aktuellen Ausgabe der ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Version 11) wurde die lang anhaltende Trauer als eigenständiges Krankheitsbild aufgenommen. Demnach gehört Trauer zu jenen Störungsbildern, die mit mentalem Stress assoziiert sind. Anhaltende Trauer ist von der Depression, der posttraumatischen Belastungsstörung oder der Anpassungsstörung abzugrenzen. 

Nicht verarbeitete Trauer kann langfristige psychische Störungen zur Folge haben, somatische Erkrankungen (z. B. Herzerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen und Migräne) hervorrufen und zu einer erhöhten Mortalität führen. Überforderung, Einsamkeit und Hilfslosigkeit können zusätzlich das Suizidrisiko bei Trauernden erhöhen. 

Die richtigen Worte wählen 

Im ersten Gespräch mit akut Trauernden gilt es, eher sparsam mit Worten umzugehen. Unbedingt vermieden werden sollten dabei:  

  • Sätze, die den Tod relativieren (z. B. „Ihr Vater war schon 90 Jahre alt, er hat sein Leben gelebt“),
  • Sätze, die die Gefühle der Trauernden beurteilen (z. B. „Ich weiß, wie’s Ihnen jetzt geht“) und
  • gängige Formulierungen, die über den Verlust hinwegtrösten sollen ( z. B. „Sie haben noch weitere Kinder, für die Sie da sein müssen“).

Darüber hinaus dürfen Sprach- und Ratlosigkeit gezielt angesprochen werden (z. B. „Ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll“ oder „Mir fehlen die Worte, Ihre Freundin ist im Alter meiner Tochter“). Auch Empathie und Emotionen können und dürfen gezeigt werden (z. B. „Es tut mir so leid, dass Ihrem Kind nicht geholfen werden konnte“). 

Was kann gegen Trauer getan werden?

Da Trauer psychischen Stress auslöst, können auch hier die gängigen Methoden des mentalen Stressmanagements aktiv empfohlen werden:

  • Bewusster Abschied: Es gilt die Situation als unveränderbar zu akzeptieren und Abschied zu nehmen. Auch wenn es um das Ende einer Beziehung geht, muss diese Tatsache akzeptiert werden – zumindest wenn alle bisherigen Versuche, die Beziehung zu retten, fehl geschlagen sind. 
    Manchmal hilft es den Trauernden, ihre Gedanken zu formulieren, in dem sie Briefe an die verstorbene oder verlorene Person schreiben. Zudem kann es hilfreich sein, individuelle Rituale des Abschieds zu pflegen – wie zum Beispiel das Anzünden einer Kerze, der Besuch eines besonderen Ortes oder das Einpflanzen einer Pflanze im Andenken an die geliebte Person. 
    Hinweis: Trauernden sollten hier keine konkreten Vorschläge gemacht werden, denn diese können sehr unterschiedlich aufgenommen werden und mitunter verletzend wirken.
  • Gefühle und Emotionen annehmen: Trauernde, die ihre Gefühle mit jemandem teilen oder diese in Form von Schriftstücken (z. B. Tagebüchern) zum Ausdruck bringen, setzen sich aktiv mit ihren Empfindungen auseinander. Im Gespräch benötigen sie dabei in der Regel keine Ratschläge, sondern nur einen Raum für die eigenen Emotionen – ganz gleich ob es dabei um die Machtlosigkeit gegenüber der Endlichkeit des Lebens oder um die Enttäuschung über eine gescheiterte Liebe geht.
  • Psychotherapeutische Unterstützung und Selbsthilfegruppen: Rechtzeitig sollten auch professionelle Angebote als Option erwogen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die trauernde Person psychisch und körperlich sehr labil wirkt, wenn die Umgebung (Freunde, Familie) keine entsprechende Unterstützung anbieten kann und die Person sich mit der Trauer alleingelassen fühlt.

Gut zu wissen: Stressbewältigung per App auf Rezept

Eine App, die bei Bewältigung von mentalem Stress hilft, ist die Anwendung „HelloBetter: Stress und Burnout“. Neben der Wissensvermittlung über Texte, Videos und Audios stellt das Online-Programm wirksame Strategien aus der kognitiven Verhaltenstherapie nach dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung zur Verfügung. Weitere Infos zur App finden Sie in unserem Beitrag „App gegen Burnout – Stressbewältigung auf Rezept“.

Trauernde dürfen auch positive Emotionen empfinden

Zu guter Letzt sollten Betroffene auch darin unterstützt werden, möglichst schnell und ohne schlechtes Gewissen das eigene Leben wieder zu genießen. Denn Trauerbewältigung verfolgt das Ziel, ohne Traurigkeit und seelischen Schmerz ins eigene Leben zurückzufinden. Außenstehende sollten daher mit Verständnis reagieren, wenn die Betroffenen kurz nach dem Verlust z. B. einen neuen Partner finden oder Aktivitäten nachgehen, die ihnen Spaß machen. Quelle: Lasogga & Gasch (Hrsg.) „Notfallpsychologie: Lehrbuch für die Praxis“