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Aufregung an Hamburger Schulen: Enthalten Schnelltests auf COVID-19 giftige Substanzen?

Einzelne Komponenten eines Schnelltests
Große Aufregung um diesen Schnelltest: Die Pufferlösung enthält ein Detergens, das als Gefahrstoff eingestuft ist. Doch wie relevant ist das bei der Anwendung? | Bild IMAGO / teutopress

„Giftige Flüssigkeit – Hamburg setzt umstrittene Schnelltests zukünftig nicht mehr an Schulen ein“ – das ist seit dem gestrigen Mittwoch bei „Welt.de“ zu lesen. Andere Medien titeln Vergleichbares. Konkret geht es um die SARS-CoV-2 Rapid Antigen Tests von SD Biosensor, also den „Roche-Test“. Die Pufferlösung enthält laut „Welt“ Substanzen aus der Gruppe der Octyl-/Nonylphenylethoxylate. Stimmt das? Und was machen diese Substanzen?

Wenn man Genaueres über etwaige kritische Bestandteile der Pufferlösung erfahren möchte, lohnt sich der Blick ins Sicherheitsdatenblatt, das der Hersteller Händlern und professionellen Anwendern zur Verfügung stellen muss. Es richtet sich zwar nicht an private Endverbraucher, aber die Pufferlösung ist für beide Tests die gleiche – die beiden Varianten unterscheiden sich im Teststäbchen, dem sogenannten „Swab“. Dieses ist beim Laientest kürzer, hat einen anderen Wattebausch und ist für die Selbsttestung zugelassen.

Was ist drin im Roche-Puffer?

Im Fall der Roche-Tests enthält der Puffer folgende Substanzen, die ein Sicherheitsdatenblatt erfordern (ob eines erforderlich ist, hängt von der Substanz sowie von der eingesetzten Konzentration ab): 

  • alpha-(4-(1 ,1 ,3,3-Tetramethylbutyl)phenyI)-omega-hydroxypoly(oxy-1 ,2-ethanediyl) 
  • Natriumazid 
  • Mischung aus 5-chloro-2-methyl-2H-isothiazol-3-one und 2-methyl-2H-isothiazol-3-one (3:1) 

Die beiden letzteren sind Konservierungsmittel. Sie sollen verhindern, dass die Pufferlösung durch Keime vor der Nutzung kontaminiert sein könnte, und sorgen damit für die Zuverlässigkeit des Tests, erklärt eine Unternehmenssprecherin gegenüber PTAheute. 

Stein des Anstoßes ist die erstgenannte Substanz – alpha-(4-(1 ,1 ,3,3-Tetramethylbutyl)phenyI)-omega- hydroxypoly(oxy-1 ,2-ethanediyl), auch bekannt unter dem INN Octoxinol 9 oder dem Handelsnamen Triton X100. Strukturell handelt es sich um ein p-tert-Octylphenol-Derivat mit einer Polyethylenglycol-Seitenkette aus neun bis zehn Ethylenoxid-Einheiten. Für die meisten vermutlich deutlich interessanter: Was bewirkt es und warum ist es im Puffer enthalten?

Wozu wird die „giftige“ Substanz benötigt?

Octoxinol 9 ist ein nichtionisches Tensid aus der Gruppe der Octylphenolethoxylate. In der Lösung, wo es laut Roche lediglich in einer Konzentration zwischen 1,0 und 2,5 Prozent enthalten ist, ist es dazu da, das Virus zu inaktivieren. Die Inaktivierung behüllter Viren ist ein übliches Einsatzgebiet für Octoxinol. Es ermöglicht nämlich eine Inaktivierung ohne Denaturierung der viralen Proteine, die für den Nachweis benötigt werden.  

Laut Sicherheitsdatenblatt kann die Puffersubstanz schwere Augenreizungen und allergische Hautreaktionen verursachen, deswegen sind ein Augen- und Gesichtsschutz sowie Handschuhe erforderlich. Im Beipackzettel finden sich die Hinweise auf Augenreizungen und allergische Reaktionen ebenfalls.

Sind Schnelltests also gefährlich?

Aber wie relevant ist das beim Anwenden eines Schnelltests? Insbesondere bei der Verwendung von Selbsttests wird ja in der Regel eher keine Schutzkleidung getragen. Dazu erklärt die Unternehmenssprecherin: „Die Sicherheitshinweise im Beipackzettel beziehen sich auf die in der Pufferlösung befindlichen Konservierungsstoffe und Tenside und müssen aufgrund der Vorgaben der REACH Richtlinie (EU-Chemikalienverordnung) aufgeführten werden, unabhängig von deren Konzentration. Die Hinweise zum Umgang mit Laborreagenzien und insbesondere die Verwendung von Schutzausrüstung betreffen primär die professionelle Anwendung mit den ausgewiesenen Substanzen, wenn beispielsweise Fachpersonal mit einer gewissen Häufigkeit (z. B. mehrmals täglich) mit dieser Substanz in hoher Konzentration arbeitet. Die Konzentration dieser Stoffe in der Pufferlösung ist hingegen sehr gering.“

Außerdem werde die Pufferlösung in vorkonfektionierten und verschlossenen Röhrchen geliefert, so die Sprecherin weiter. Bei Verwendung des Tests gemäß Gebrauchsanleitung haben die Anwender zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu der Pufferlösung. Durch die sehr niedrige Konzentration der Tenside in der Pufferlösung bestehe aber selbst bei unsachgemäßem Gebrauch, wie beispielsweise dem versehentlichen Kontakt des Puffers mit der Haut, keine besondere Gesundheitsgefahr.

Schulbehörde sieht keine Gefahr

Dennoch geht man bei Roche auf Nummer sicher und empfiehlt, um die ordnungsgemäße Probenentnahme und -analyse zu garantieren, dass die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nur unter Aufsicht eines Erwachsenen stattfindet beziehungsweise von einem Erwachsenen durchgeführt wird.  

Auch die Hamburger Schulbehörde sieht keine Gefahr. „Die Schnelltests sind geprüft und gesundheitlich unbedenklich“, betonte der Sprecher der Hamburger Schulbehörde, Peter Albrecht, gegenüber der Deutschen Presseagentur. Neben der Freigabe durch das Bundesamt hätten die an Schulen eingesetzten Tests eine vom Paul-Ehrlich-Institut zusätzlich durchgeführte Evaluierung bestanden. „Sie gelten damit als medizinisch unbedenklich“, erklärte Albrecht. Der Schnelltest der Marke Roche werde weiterhin in Hamburg verwandt. Die direkte Belieferung aller Schulen der Hansestadt habe aber inzwischen der Hersteller Lyher übernommen, der nach eigener Aussage ein anderes Detergens verwendet.

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