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mein Beruf: Krankschreibung: Was geht, was nicht?

Unterscheiden muss man aus Sicht des Gesetzgebers zwischen Arbeitsunfähigkeit und Krankheit, auch wenn dies umgangssprachlich oft vermischt oder als gleichwertig behandelt wird. Der Begriff Krankheit wird durch die Rechtsprechung definiert als „regelwidriger Körper- und Geisteszustand“. Arbeitsrechtlich relevant wird eine Krankheit meist erst dann, wenn sie eine Arbeitsunfähigkeit auslöst. Vorstellen kann man sich das anhand eines Beispiels: Wer unter zu hohem Blutdruck leidet, befindet sich in einem regelwidrigen Körperzustand, wenn dieser von den Normwerten abweicht – gilt also nach der Definition als krank. Je nach Zustand des Patienten wird in der Regel auch eine Therapie eingeleitet werden. Gleichzeitig bedeutet das nicht zwingend, dass damit auch eine Arbeitsunfähigkeit einhergeht. Es bedarf in der Regel der ärztlichen Beurteilung, ob die Auswirkung des hohen Blutdrucks zu einer Arbeitsunfähigkeit führt. In Einzelfällen wie zum Beispiel akuten Magen-Darm-Infekten kann man als Arbeitnehmer allerdings auch selber über seine Arbeitsfähigkeit entscheiden.

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist wichtig, denn ein Grundsatz im Arbeitsrecht lautet: ohne Arbeit kein Lohn. Dieser wird aber bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit unterbrochen. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen (§ 3 EFZG). Die Arbeitsunfähigkeit muss der Apothekenleitung unverzüglich mitgeteilt werden. Das erfolgt je nach den Gepflogenheiten und der Anweisung in der Regel telefonisch. 

In Arbeitsverträgen ist teilweise formuliert, dass „die Verhinderung und der Grund dafür“ mitgeteilt werden müssen, was bei einigen Mitarbeitenden zu Unsicherheiten führt. Gemeint ist dabei nicht, dass die Art der Erkrankung, also die Diagnose, mitgeteilt werden muss, sondern nur die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einer Erkrankung beruht. Nur dann, wenn die Art der Erkrankung zusätzliche Maßnahmen der Apothekenleitung erfordern würde, müsste dies mitgeteilt werden. Wenn also zum Beispiel eine hochansteckende Krankheit festgestellt wurde, muss die Apothekenleitung auch über die Diagnose informiert werden. Neben einer Corona-Infektion, die im Moment vielen präsent ist, könnte das zum Beispiel auch eine Infektion mit Scharlach oder Masern sein, die eine Information der übrigen Mitarbeitenden erfordern könnte.

Verhalten im Krankenstand

Auch bei der Formulierung „ohne dass ihn ein Verschulden trifft“ fragen sich besorgte Apothekenangestellte, was sich dahinter verbirgt: Der Frühlingsspaziergang ohne Mütze, Schal und Handschuhe, der wegen unerwartet niedriger Temperaturen zu einer schweren Erkältung geführt hat, ist es nicht. Ein Verschulden kann aber darin liegen, dass man bei einer Autofahrt keinen Anschnallgurt anlegt und bei einem Unfall wegen des fehlenden Gurtes verletzt wird. Manch eine Apothekenleitung ärgert sich, wenn eine PTA wegen eines komplizierten Wadenbeinbruchs nach einem Skiunfall ausfällt, und fragt sich, ob man das nicht hätte vermeiden können. 

Die Rechtsprechung zu gefährlichen Sportarten ist allerdings wenig erhellend. So gibt es quasi keine Sportart, die per se gefährlich ist. Selbst Motorradrennen sind dann nicht gefährlich, wenn es sich um einen erfahrenen Motorsportler handelt. Vielmehr wäre im Einzelfall zu entscheiden, ob man bei Ausübung des Sports elementare Regeln außer Acht gelassen hat. Bei einer Rennradtour könnte ein Verschulden für eine Arbeitsunfähigkeit vorliegen, wenn man wegen eines fehlenden Fahrradhelms eine Kopfverletzung erleidet. Die Fälle, in denen eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit vorliegt, dürften äußerst selten sein.

Häufiger mag es allerdings Unstimmigkeiten oder Unsicherheiten darüber geben, wie sich eine Mitarbeiterin im Krankenstand zu verhalten hat. Wenn man gesund und arbeitsfähig ist, gibt es keine besondere Verpflichtung für Arbeitnehmende, sich gesundheitsfördernd zu verhalten. Ungesundes Essen, Rauchen, wenig Schlaf und riskante Sportarten sind arbeitsrechtlich erlaubt (auch wenn gesundheitsbewusste PTA sich vermutlich nicht durchgängig so verhalten). Anders sieht es allerdings aus, wenn man arbeitsunfähig erkrankt ist und deshalb seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachkommen kann. Dann ist man verpflichtet, dazu beizutragen, dass man schnellstmöglich wieder arbeitsfähig wird. Man muss sich genesungsfördernd verhalten. Bei der Entscheidung, was man alles machen kann, solange man krankgeschrieben ist, kann und muss man sich immer an der Frage orientieren, ob das Verhalten, das man plant, die Genesung fördert. Deshalb kann es oftmals keine pauschale Liste der erlaubten Tätigkeiten geben, sondern es kommt immer auf den Einzelfall an. Hier einige Beispiele:

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte über die Kündigung eines arbeitsunfähigen Masseurs zu entscheiden, der während der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit umfangreiche Renovierungsarbeiten am Haus seiner Tochter vorgenommen hat. Seine Arbeitsunfähigkeit beruhte unter anderem auf erheblichem Bluthochdruck; das zum Zeitpunkt der Kündigung aktuelle ärztliche Attest bezog sich auf Kurzatmigkeit unter Belastung sowie Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung. Der Masseur hatte während seiner Arbeitsunfähigkeit durchaus schwere körperlich Arbeiten durchgeführt, wie eine vom Arbeitgeber beauftragte Detektei beobachtet hatte. In der ersten Instanz wurde die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung für unwirksam erklärt, in der zweiten Instanz hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass die fristlose Kündigung wirksam gewesen ist. Wenn die Arbeitsunfähigkeit sich, wie der Kläger behauptet hatte, tatsächlich erheblich gebessert hätte, hätte der Kläger seine Arbeit wieder antreten müssen. Angesichts der Umstände und einer vermuteten Täuschungsabsicht war es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Ein weiterer Fall genesungswidrigen Verhaltens betraf eine Lagerarbeiterin, die wegen eines Rückenleidens arbeitsunfähig war. Während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit war sie als Ordnerin bei einem Fußballspiel tätig. Das beinhaltete unter anderem fünfstündiges Stehen bei kühlen Temperaturen. Dabei wurde die Lagerarbeiterin von einem Kollegen gesehen, der das dem Arbeitgeber meldete. Das Landesarbeitsgericht Hamm setzt sich in seinem Urteil ausführlich damit auseinander, dass ein genesungswidriges Verhalten durchaus ein Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sein kann.

Ein arbeitsunfähig krankgeschriebener Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird; er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte; die Verletzung dieser aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers herzu-leitenden Pflicht ist unter Umständen geeignet, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Die Beispiele, die letzten Endes vor den Arbeitsgerichten ausgeurteilt werden, sind sicherlich Extrembeispiele. Eine Empfehlung lautet daher immer, sich vor irgendwelchen ungewöhnlichen Aktivitäten mit der Arztpraxis in Verbindung zu setzen und dort zu klären, ob das Verhalten genesungsfördernd wäre. Bei PTA mit Erkrankungen aus dem Bereich depressive Episode / Erschöpfungssyndrom / Burnout kann sogar eine Reise die Genesungsaussichten verbessern. Es ist also nicht zwingend untersagt, eine solche anzutreten, wenn der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin das befürwortet. Um Auseinandersetzungen und Verstimmungen auf Seiten der Apothekenleitung vorzubeugen, kann es empfehlenswert sein, diese über eine solche Reise zu informieren und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass diese auf ärztlichen Rat hin erfolgt. Ansonsten werden vielleicht die Kolleginnen, die die arbeitsunfähige PTA vertreten müssen, nicht begeistert sein, wenn sie mitbekommen, dass diese sich im sonnigen Süden erholt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Arbeitsunfähigkeit muss der Apothekenleitung unverzüglich mitgeteilt werden. Das erfolgt je nach den Gepflogenheiten und der Anweisung in der Regel telefonisch.
  • Nur dann, wenn die Art der Erkrankung zusätzliche Maßnahmen der Apothekenleitung erfordern würde, müsste dies mitgeteilt werden.
  • Ist man krankgeschrieben, muss man sich genesungsfördernd verhalten.

Wann ist eine Kündigung gerechtfertigt?

Würde sich eine arbeitsunfähige Kollegin tatsächlich genesungswidrig verhalten, also zum Beispiel nach einem Bandscheibenvorfall gegen ärztlichen Rat eine lang geplante Trekkingtour unternehmen, die den Beginn der Arbeitsfähigkeit verzögert, könnte dieses eine verhaltensbedingte Kündigung begründen. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann immer dann gerechtfertigt sein, wenn das Verhalten von Arbeitnehmenden eine schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten darstellt und das Vertrauen der Arbeitgebenden nachhaltig zerstört. Bei PTA, die mit einer bestehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung feuchtfröhliche Nächte in Clubs verbringen, dürfte der Verdacht entstehen, dass entweder die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht wurde oder das Verhalten die Genesung nicht fördert. In beiden Fällen kann dann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Ob eine Apothekenleitung, die eine Kündigung ausgesprochen hat, sich dann tatsächlich erfolgreich gegen eine Kündigungsschutzklage wehren kann, kommt immer auf den Einzelfall an.

Wichtig ist es auch, während einer längeren Erkrankung daran zu denken, die Apothekenleitung auch über Folgeatteste rechtzeitig zu informieren. Seit dem 1. Januar 2023 gibt es elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für gesetzlich Krankenversicherte und keine Bescheinigungen in Papierform mehr. Deshalb ist es sinnvoll und erforderlich, die Apothekenleitung dann telefonisch oder gegebenenfalls auf dem angeordneten Weg rechtzeitig über die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Eine Langzeiterkrankung ist in erster Linie für einen selbst unerfreulich. Mit dem richtigen Vorgehen gegenüber den Vorgesetzten und Kolleginnen erleichtert man sich und dem Team diese Zeit und den Wiedereinstieg.

Minou Hansen

Rechtsanwältin bei ADEXA

Hamburg

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