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mehr wissen: Haltbarkeit von Arzneimitteln: Ist das noch gut?

Ob ein Arzneimittel noch verwendet werden darf, erkennt man am Verfallsdatum, das auf jeder Umverpackung aufgedruckt sein muss. Angegeben sind der Monat und das Jahr, wobei sich das Verfallsdatum immer auf den letzten Tag des genannten Monats bezieht.

Verfallsdatum und Haltbarkeit

Das Verfallsdatum ist – anders als bei Lebensmitteln – kein Mindesthaltbarkeitsdatum und auch keine Empfehlung des Herstellers. Abgelaufene Arzneimittel dürfen laut Arzneimittelgesetz nicht mehr abgegeben werden, sie werden als nicht mehr verkehrsfähig eingestuft und die Haftung des Herstellers endet. So weit die Theorie, in der Praxis gab es immer wieder Untersuchungen zur Haltbarkeit nach dem Verfallsdatum. Am bekanntesten ist das „Shelf-Life Extension Program“, das im Jahr 1986 begann. In dieser Untersuchung wurden die Qualität und der Wirkstoffgehalt von abgelaufenen Arzneimitteln aus den Beständen der US-amerikanischen Air Force für mehrere Jahre überprüft. 

Mit einer verlängerten Haltbarkeit sollten Beschaffungskosten für neue Arzneimittel gespart werden. Das gelang tatsächlich, denn die meisten Arzneimittel wiesen auch längere Zeit, teilweise mehrere Jahre nach dem Erreichen des Verfallsdatums, keine Mängel auf. Trotz dieser positiven Ergebnisse dürfen Arzneimittel nach dem Erreichen des Verfallsdatums nicht mehr eingenommen oder angewendet werden. Denn es gibt keine Garantie, dass das Präparat noch wirkt. Zudem könnten durch Anwendung eines offiziell bereits verfallenen Arzneimittels unerwartete Nebenwirkungen auftreten, und die Daten aus Studien sind nicht zwangsläufig auf abgelaufene Präparate übertragbar.

Wie wird das Verfallsdatum festgelegt?

Dennoch wird das Verfallsdatum nicht willkürlich vom Hersteller festgelegt. Daten zur chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Stabilität, zum Wirkstoffgehalt und eventuell vorhandenen Zersetzungsprodukten müssen bei der Zulassung des Arzneimittels vorgelegt werden. Wie und in welchem Umfang die Daten erhoben werden müssen, wird von der ICH (International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use) vorgegeben und vom BfArM oder dem Paul-Ehrlich-Institut überprüft. Diese Daten sind ein Bestandteil der Zulassung und die Hersteller dürfen sie nicht eigenmächtig ändern. Feste Arzneiformen wie Tabletten sind in der Regel stabiler als flüssige oder halbfeste Zubereitungen. Dennoch ist auch ihre Haltbarkeit auf maximal fünf Jahre begrenzt, da sich durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse kurzfristig Änderungen ergeben können. Mit der Höchstgrenze soll verhindert werden, dass Arzneimittel mit veralteten Packungsbeilagen im Handel sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ist das Verfallsdatum eines Arzneimittels überschritten, endet die Haftung des Herstellers.
  • Durch zu warme oder zu kalte Temperaturen können Arzneimittel ihre Wirkung verlieren.
  • Manchmal ist das bereits mit bloßem Auge an Veränderungen der Farbe, des Geruchs oder der Konsistenz erkennbar.

Haltbarkeit und Aufbrauchfrist

Tabletten, Kapseln und andere einzeln verpackte Darreichungsformen können meist bis zum Ende des Verfallsdatums angewendet werden. Dagegen sind viele flüssige oder halbfeste Arzneiformen nach Anbruch nur noch kurz haltbar, bei ihnen gilt zusätzlich die Aufbrauchfrist. Nach dem Öffnen von Säften, Tropfen, Augentropfen und Arzneimitteln zur topischen Anwendung gelangt Sauerstoff in die Zubereitung. Durch Oxidation, Hydrolyse oder andere Reaktionen wird der Wirkstoff schneller abgebaut, wodurch sich die Haltbarkeit auf Wochen bis Monate verkürzt. Vor allem Präparate zur Anwendung am Auge sind nach Anbruch häufig nur sehr kurze Zeit haltbar. 

Hiermit soll verhindert werden, dass nach dem Öffnen eingedrungene Bakterien aus der unkonservierten Zubereitung in die Augen gelangen. Kunden sollten in der Beratung auf die Verkürzung der Haltbarkeit hingewiesen werden. Wer das Anbruchdatum auf der Packung notiert, weiß, ob dasselbe Präparat beim nächsten Mal, wenn er es anwenden möchte, erneut eingenommen beziehungsweise appliziert werden darf. Um einer Verkeimung vorzubeugen, sollten Arzneimittel in Mehrdosenbehältnissen nur mit sauberen Händen geöffnet und nach dem Gebrauch fest verschlossen werden.

Manchmal geht es auch etwas länger

Viele Apothekenmitarbeiter haben es sicherlich mitbekommen: Beim Covid-Impfstoff Comirnaty wurde die Haltbarkeit um mehrere Monate verlängert, sodass auch bereits abgelaufene Vials weiterverwendet werden durften. Wenig später geschah dasselbe beim Präparat Paxlovid, das zur Behandlung von Corona-Infektionen bei Risikopatienten eingesetzt wird. Eine solche Verlängerung der Haltbarkeit ist eine Veränderung der Zulassung und muss von den Bundesoberbehörden genehmigt werden. Dafür muss der Hersteller aktualisierte Stabilitätsdaten über den gesamten Zeitraum vorlegen. Das geschah auch bei anderen Präparaten, zum Beispiel dem Wirkstoff Adrenalin (Fastjekt), der in Form eines Pens bei einem anaphylaktischen Schock lebensrettend sein kann. Als er im Jahr 2018 aufgrund eines Versorgungsengpasses nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stand, durften abgelaufene Pens für einige Monate weiterverwendet werden, nachdem die Hersteller die Stabilität überprüft hatten. Auch beim Virustatikum Oseltamivir (Tamiflu) wurde vor einigen Jahren die Haltbarkeit verlängert. Um einer Influenzapandemie vorzubeugen, hatten die Bundesländer in den Jahren 2005 bis 2007 große Mengen eingekauft, diese wurden jedoch nicht benötigt.

Wie und wo lagern?

Die Hersteller legen nicht nur fest, wie lange man ein Arzneimittel lagern darf, sondern auch bei welcher Temperatur. Die Angabe befindet sich auf der Umverpackung, noch genauere Informationen liefert die Packungsbeilage. Über 90 Prozent der Arzneimittel dürfen bei Raumtemperatur gelagert werden, das bedeutet, in einem Temperaturbereich von 15 bis 25 °C. Bei kälterer und vor allem bei wärmerer Lagerung können Arzneimittel ihre Wirkung verlieren, was häufig nicht mit bloßem Auge erkennbar ist. Auch wenn es für die Einnahme praktisch ist, sollte man Kunden davon abraten, ihre Arzneimittel im Bad oder in der Küche zu lagern, da es an diesen Orten zu warm und zu feucht sein kann. Besser sind Räume mit gleichmäßigen Temperaturen, etwa das Schlafzimmer oder der Flur, idealerweise an einem dunklen kindersicheren Ort. 

Auch häufig verwendete Bedarfsmedikation darf vor allem im Sommer nicht ungeschützt für längere Zeit im Auto liegen, da hier die Temperaturen weitaus höher als 25 °C sein können. Besonders wärmeempfindlich reagieren Gelatinekapseln, halbfeste Zubereitungen und Zäpfchen, sie werden durch Hitze in ihrer Konsistenz beeinflusst. Bei Dosieraerosolen kann die Dosiergenauigkeit beeinträchtigt werden und die Wirksamkeit von transdermalen therapeutischen Systemen kann beeinflusst werden. Doch auch andere Darreichungsformen überstehen eine falsche Lagerung nicht unbeschadet, was manchmal sogar mit bloßem Auge erkennbar ist. So deuten etwa Risse oder Flecken, aufgeblähte Blister, Ausflockungen oder ein normalerweise nicht vorhandener Bodensatz bei flüssigen Arzneimitteln auf eine falsche Lagerung hin. Auch unangenehme Gerüche, zum Beispiel nach Essig bei Präparaten mit Acetylsalicylsäure, zeigen an, dass das Arzneimittel entsorgt werden muss.

Wie erkläre ich es meinen Kunden?

  • „Ein abgelaufenes Arzneimittel sollten Sie nicht mehr einnehmen. Es gibt keine Garantie, ob es noch wirkt oder ob Nebenwirkungen auftreten.“
  • „Dieses Medikament muss zwar bei uns in der Apotheke im Kühlschrank gelagert werden, aber bei Ihnen zu Hause ist dies nicht nötig. Lagern Sie das Medikament bitte bei Raumtemperatur.“
  • „Diese Creme ist nach Anbruch ein halbes Jahr haltbar. Am besten schreiben Sie das Anbruchsdatum auf die Packung.“

Immer schön kühl

Noch empfindlicher sind Arzneimittel, die im Kühlschrank bei Temperaturen zwischen 2 und 8 °C gelagert werden müssen. Die gesetzlichen Krankenkassen haben ermittelt, dass etwa vier Prozent der Arzneimittel, die zu ihren Lasten verordnet werden, kühlpflichtig sind. Biologika, Insuline oder Impfstoffe sind einige Beispiele. In Deutschland gibt es noch eine weitere Unterscheidung bei der Lagerung, nämlich die Kühllagerung und die Kühlkettenpflicht. Arzneimittel, die kühl gelagert werden müssen, dürfen für kurze Zeit außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt werden, zum Beispiel während des Transportes, manche dürfen sogar nach Anbruch bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Bei kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln ist das nicht möglich, sie müssen durchgängig bei 2 bis 8 °C gelagert werden, damit sie ihre Wirkung nicht verlieren. 

Da der Begriff Kühlkette bei zentral, also europaweit zugelassenen Arzneimitteln nur in Ausnahmefällen verwendet werden darf (zum Beispiel bei Lebendimpfstoffen), gibt es manchmal Abweichungen bei den Temperaturangaben. Während auf der europaweit vereinheitlichten Packung und in der Fachinformation der Hinweis „kühl lagern“ steht, findet man in der deutschen Apothekensoftware den strengeren Begriff „kühlkettenpflichtig“. Die Hersteller wollen damit verhindern, dass die Arzneimittel durch unsachgemäße Lagerung ihre Wirkung verlieren. Unabhängig von Kühllagerung und Kühlkettenpflicht gilt für die meisten Arzneimittel, dass sie ihre Wirkung verlieren, wenn sie gefrieren. Auch bei großer Hitze dürfen Arzneimittel daher nicht ins Gefrierfach. Beim Transport muss der direkte Kontakt zwischen dem Präparat und den gefrorenen Kühlakkus verhindert werden, zum Beispiel indem man die Kühlelemente mit einem Handtuch umwickelt. Im Flugzeug gehören alle Arzneimittel ins Handgepäck.

Nur sehr wenige Arzneimittel müssen bei noch niedrigeren Temperaturen gelagert werden. Beispiele sind frisches Blutplasma (bei -30 °C oder kälter) und der Covid-Impfstoff Comirnaty (bei -60 bis -90 °C). Präparate, die ein Patient selber anwenden und zu Hause lagern muss, gehören nicht dazu.

Unabhängig davon, ob die Haltbarkeit überschritten ist oder die Medikamente nicht mehr benötigt werden, sollte man auf eine ordnungsgemäße Entsorgung achten. •

Ulrike Freese

Apothekerin, Fachjournalistin

Lüneburg

autor@ptaheute.de